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Assad legt Liste seiner Chemiewaffen vor

Opposition lehnt iranische Vermittlung ab *

Die syrische Regierung hat innerhalb der von den USA und Russland gesetzten Frist eine Aufstellung ihrer Giftgas-Bestände vorgelegt, wie die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) am Sonnabend in Den Haag mitteilte. Das technische Sekretariat prüfe nun die Informationen. Moskau wolle Beobachter nach Syrien schicken, um die Zerstörung der Waffen zu überwachen, kündigte Außenminister Sergej Lawrow an. Beim Einschlag einer Mörsergranate auf dem Gelände der russischen Botschaft in Damaskus wurden mindestens drei Mitarbeiter verletzt.

Die syrische Opposition hat derweil eine Vermittlung Irans im Konflikt mit Präsident Baschar al-Assad abgelehnt. Das Angebot von Präsident Hassan Ruhani – der am Sonntag auf einer Militärparade in Teheran den Westen zugleich aufgefordert hat, das Recht seines Landes auf Urananreicherung anzuerkennen – sei »nicht ernst gemeint« und »politisch unglaubwürdig«, so die Syrische Nationale Koalition am Wochenende.

Die wichtigste Oppositionsplattform ist grundsätzlich zur Teilnahme an einer Friedenskonferenz in Genf bereit. In einem am Sonntag veröffentlichten Brief an den UN-Sicherheitsrat betonte Präsident Ahmed al-Dscharba allerdings, dass die Konferenz die Bildung einer mit allen Exekutivrechten ausgestatteten Übergangsregierung zum Ziel haben müsse.

Während Bundesaußenminister Guido Westerwelle Chancen für eine Waffenruhe sieht und sich dafür bei der UN-Vollversammlung in New York »mit allem Nachdruck« einsetzen will, wird der Ton zwischen Russland und den USA wieder rauer. Lawrow hat Washington im Streit um eine Resolution im UN-Sicherheitsrat »Erpressung« vorgeworfen. Man drohe mit dem Ende der Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Initiative gegen Syriens Chemiewaffenarsenal, sollte Moskau eine starke Resolution einschließlich der Androhung von Konsequenzen gegen Damaskus im Sicherheitsrat nicht mittragen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 23. September 2013


Dämpfer für New York

Von Olaf Standke **

Eigentlich hätte es ein gutes Wochenende bei der Suche nach einer Lösung im Syrien-Konflikt sein können. Denn das Assad-Regime hat pünktlich geliefert, was zwischen Russland und USA vereinbart wurde, und der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen eine Aufstellung über sein Giftgas-Programm zukommen lassen. Und Moskau hat seine Bereitschaft erklärt, sich mit Personal bei der Erfassung und späteren Zerstörung der Massenvernichtungswaffen zu beteiligen. So wächst nach diesen ersten Zugeständnissen der syrischen Führung in Sachen C-Waffen zugleich die Hoffnung auf neue, weitergehende Verhandlungen über eine Waffenruhe im leidgeprüften Bürgerkriegsland.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle will bei der am Dienstag in New York beginnenden Generaldebatte der UN-Vollversammlung nachdrücklich für eine politische Lösung des Konflikts werben. Aber ausgerechnet im Hauptquartier der Vereinten Nationen könnten die Hoffnungen auch schnell wieder platzen. Denn im Streit um eine Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat wird der Ton unüberhörbar rauer. Moskau warf Washington jetzt sogar »Erpressung« vor, weil man mit dem Ende der C-Waffen-Zusammenarbeit drohte, sollte Russland eine »starke« Resolution samt Androhung auch militärischer Konsequenzen gegen Damaskus nicht mittragen.

** Aus: neues deutschland, Montag, 23. September 2013 (Kommentar)


C-Waffen aus deutschen Anlagen?

Verdacht: Regierung genehmigte Syrien-Exporte ***

Mehrere deutsche Bundesregierungen haben in den 1980er und 1990er Jahren offenbar nicht nur den Export von Chemikalien nach Syrien gestattet, aus denen man Kampfstoffe produzieren kann. Dem Anschein nach wurde auch die Lieferung von Anlagen erlaubt, mit denen beispielsweise das nun im syrischen Bürgerkrieg eingesetzte Giftgas Sarin produziert werden kann.

Die Exporte sollen sogar durch staatliche Hermes-Kreditbürgschaften abgesichert gewesen sein, berichteten Zeitungen der WAZ-Gruppe am Wochenende. Sie berufen sich auf eine Analyse des US-amerikanischen »Center for Strategic and International Studies« (CSIS). Das Dokument mit dem Titel »Syrien und die Massenvernichtungswaffen« stammt vom Oktober 2000. Darin wird behauptet, dass Mischbehälter, Hochtemperaturöfen, spezielle Pressen und hoch entwickelte Werkzeugmaschinen exportiert wurden. Als Absender tauchen neben den Schott-Glaswerken die Firmen Ferrostaal, Carl Schenck, Leifeld, Weber GmbH und andere große deutsche Unternehmen auf. Die Exportlizenzen waren auf das »Syria's Scientific Research Council« (CERS) ausgestellt. Der Essener Ferrostaal-Konzern widersprach entsprechenden Darstellungen, auch die anderen Firmen dementierten.

In dem CSIS-Dokument wird eine Aussage des damaligen Chefs des US-Auslandsgeheimdienstes CIA vor dem Kongress im Jahr 1998 zitiert. Direktor William Webster sagte, dass ausländische Hilfe »entscheidend war«. Westeuropäische Firmen hätten mit der Lieferung von Vorprodukten und Ausrüstung dazu beigetragen, dass Syrien C-Waffen herstellen konnte. Ohne diese Mitwirkung wäre Damaskus dazu nicht in der Lage gewesen.

In dem CSIS-Dokument, das für jedermann zugängig ist, werden verschiedene Länder verdächtigt, diffizile Anlagen geliefert zu haben, mit denen man Kampfstoffe herstellen kann. Darunter sind Frankreich, die Schweiz und Österreich.

Wie bei den in der vergangenen Woche durch eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag aufgedeckten Chemikalienlieferungen an Syrien handelt es sich bei den nun in Rede stehenden chemischen Anlagen um sogenannte »Dual use«-Güter. Diese Produkte sind sowohl militärisch wie zivil nutzbar. Ihre Ausfuhr ist genehmigungspflichtig.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 23. September 2013


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