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Syriens blutigster Tag des Jahres

Mehr als 70 Tote am Montag / Arabische Liga berät Sanktionen *

Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Oppositionellen und der Staatsmacht in Syrien gehen weiter.

Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen regierungskritischen Demonstranten und Sicherheitskräften sind in Syrien nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten am Montag mehr als 70 Menschen ums Leben gekommen. Bei den Opfern handle es sich um 27 Zivilisten, 34 Soldaten und zwölf mutmaßliche Deserteure, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag in London mit. Die meisten Menschen kamen demnach m südsyrischen Oppositionszentrum Daraa ums Leben. Der Montag war damit offenbar der blutigste Tag seit dem Beginn der Proteste in dem Land.

Am Wochenende hatte die Arabische Liga einen vorläufigen Ausschluss des Landes beschlossen, sollte Staatschef Baschar al-Assad nicht bis zu einer für den heutigen Mittwoch geplanten Sondersitzung Zugeständnisse zur Beendigung der Gewalt gegen Zivilisten in seinem Land machen. Am Montag verschärften zudem die EU-Außenminister die Sanktionen gegen Damaskus. Diese zielen unter anderem auf 18 Vertreter der Regierung. Ihnen wird die Einreise in die E U verboten, zudem wird ihr dortiges Vermögen eingefroren. Bisher belegte die EU bereits 56 Personen mit Strafmaßnahmen, darunter Assad. Die Minister beschlossen außerdem, die Vergabe europäischer Kredite an Syrien zu stoppen.

Seit dem Beginn der Proteste gegen Assads Führung Mitte März wurden in Syrien nach UNO-Angaben mehr als 3500 Menschen getötet.

* Aus: neues deutschland, 16. November 2011


Die libysche Ouvertüre

Von Roland Etzel **

Von Entspannung keine Spur. Der Montag soll sogar der blutigste Tag in Syrien in diesem Jahr gewesen sein. Nach den Ultimaten der Arabischen Liga gegen Syrien kann das allerdings nicht verwundern. Die Suspendierung aus dem Staatenbund, die im Falle weiterer Gewalt gegen Zivilisten heute ausgesprochen werden soll, trifft allein die Regierung. Die oppositionellen Zivilisten, die so zivil schon lange nicht mehr sind - wie 34 tote Soldaten allein am Montag zeigen - , arbeiten seit langem auf diese Isolierung hin und werden darin von den Golfmonarchien nicht nur mit guten Worten unterstützt.

Es wäre nach deren Vorstellungen die Ouvertüre zu einem Szenario ähnlich dem in Libyen. Gerade Saudi-Arabien sieht jetzt die Gelegenheit, den am meisten säkularen arabischen Staat zu beseitigen. Darin treffen sich die Interessen der Könige mit denen Israels und der USA, die Assad aus anderen Gründen gern untergehen sähen. Wie Assad dem entgehen kann, ist nicht erkennbar; nicht einmal, ob er tatsächlich noch souverän regiert - also auch für Massaker direkt verantwortlich ist oder nur noch Spielball rivalisierender Machtstrukturen Syriens.

Assad baut seine Hoffnungen momentan auf China und Russland. Peking soll das vom Westen boykottierte Öl kaufen und wird dies auch gern tun. Auf Moskaus Machtwort hofft Assad in der UNO. Doch ohne stärkeren Rückhalt im Inneren wird das allein auf Dauer wenig helfen.

** Aus: neues deutschland, 16. November 2011 (Kommentar)


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