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Blauhelme packen ein

Österreichische UNO-Soldaten verlassen Golanhöhen

Von Oliver Eberhardt *

Nach mehreren Zwischenfällen hat Österreich die ersten Blauhelmsoldaten von den Golanhöhen abgezogen. Wie es weitergehen soll, ist unklar: Die UN suchen händeringend nach Ersatz; Israels Militär bereitet sich auf eine weitere Eskalation vor.

Sie reden kaum, als sich die ersten rund 80 österreichischen Blauhelme für den Heimflug am Mittwochnachmittag rüsten, ein letztes Mal in Tiberias Fisch essen oder am See Genezareth Fotos machen. Und wenn sie etwas sagen, dann nur, dass man sich doch bitte an die österreichische Bundesregierung, das Verteidigungsministerium in Wien wenden solle. Es gehe einzig und allein um die Sicherheit der Soldaten, und die sei eben in der gegenwärtigen Situation nicht mehr gewährleistet.

Denn die Angehörigen der UNDOF dürfen nur sich selbst verteidigen, nicht aber in Kampfhandlungen eingreifen, wobei sie allerdings ohnehin mit ihrer leichten Bewaffnung nichts gegen Granaten, Panzer und Maschinengewehre ausrichten könnten. Ihre Aufgabe ist es, zu beobachten und zu berichten. Und das ist derzeit gefährlich: Immer wieder schlagen Geschosse in der Sicherheitszone ein, einmal wurden vier philippinische Blauhelme von Rebellen entführt und am vergangenen Donnerstag wurden zwei Soldaten verletzt, nachdem Rebellen kurzzeitig den syrischen Kontrollpunkt Kuneitra eingenommen hatten.

Es war dieser Zwischenfall, der Wien zum Abzug bewogen hat. Womit dies bereits das zweite Land ist, das die Mission verlässt. Der Abzug der rund 130 Soldaten Kroatiens war im März noch relativ unbemerkt über die Bühne gegangen. Doch die Nachricht aus Wien stellt die UNDOF grundsätzlich in Frage: Insgesamt stellte Wien bisher knapp ein Drittel der verbliebenen 911 Blauhelme.

Eine Lücke, die nun innerhalb kürzester Zeit geschlossen werden muss, denn die Lage wird zunehmend ernster. Die Kämpfe kommen immer näher an die Grenze; immer öfter schlagen Granaten auf der israelischen Seite ein, und zunehmend wird dort die Entscheidung getroffen zurückzufeuern.

Bei der UNO gibt man sich überzeugt, dass UNDOF ein wichtiges Instrument ist, die Eskalation einzugrenzen – und sucht deshalb nach Ersatz. Das russische Angebot einzuspringen, mussten die UN ablehnen: Das Waffenstillstandsabkommen schließt eine Teilnahme der Veto-Mächte im Sicherheitsrat an der Mission aus.

Zwar wollen die Fidschi-Inseln rund 150 Soldaten schicken, doch das ist viel zu wenig, um die ursprünglich etwa 1050 Angehörige umfassende UNDOF am Leben zu halten, zumal die Philippinen ebenfalls über einen Abzug nachdenken.

In Israel werden indes immer öfter Zweifel am Sinn dieser Mission geäußert. Die jüngsten Entwicklungen hätten gezeigt, dass man sich nicht allein auf die internationale Gemeinschaft verlassen könne, sagte Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag. Und Verteidigungsminister Mosche Ja'alon erklärte, es gebe Anzeichen dafür, dass die Regierungstruppen auf der syrischen Seite des Golan die Oberhand gewinnen. Das klang fast erleichtert.

Denn das Hauptproblem aus Sicht Israels ist, dass die Rebellen keine Einheit sind, sich nicht an internationale Abkommen halten, die Blauhelme meist keine Ahnung haben, wer da auf wen schießt, und die Situation unkalkulierbar wird. Auch wenn sich Israel alle Mühe gibt, sich aus dem syrischen Bürgerkrieg herauszuhalten: Mittlerweile macht man keinen Hehl mehr daraus, dass man dagegen ist, dass der Westen die Rebellen mit Waffen versorgt. Und dass man darauf hofft, dass die Regierung gewinnt.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 13. Juni 2013


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