Assad: Rücktrittsforderungen »wertlos«
Syrischer Präsident weist westliche Regierungen zurecht / Zeitplan für Wahlen verkündet *
Syriens Präsident Baschar al-Assad hat die von westlichen Regierungen erhobenen
Rücktrittsforderungen gegen ihn als »wertlos« bezeichnet.
»Indem wir auf eine Reaktion verzichten, sagen wir ihnen, dass ihre
Äußerungen wertlos sind«, sagte Assad am Sonntagabend in einem Interview im syrischen
Staatsfernsehen. Der Staatschef stellte zudem einen Zeitplan für Kommunal- und Parlamentswahlen
vor.
Rücktrittsforderungen dürften sich »nicht an einen Präsidenten richten, der vom syrischen Volk
gewählt wurde und der nicht vom Westen eingesetzt wurde, an einen Präsidenten, der nicht in den
USA hergestellt wurde«, sagte Assad. Er reagierte damit auf die jüngsten Forderungen aus dem
Westen: US-Präsident Barack Obama und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatten am
Donnerstag (18. Aug.) erstmals explizit den Rücktritt Assads gefordert. Kurz darauf forderten die Regierungen
Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens ihn in einer gemeinsamen Erklärung zum Rücktritt
auf.
Angesprochen auf die Sicherheitslage im Land sagte der syrische Staatschef in dem Interview, seine
Führung habe »angefangen, Erfolge zu verbuchen«. Die Lage fange an, sich zu beruhigen. Aber
eine Lösung könne nicht allein sicherheitspolitisch sein, betonte er. »Sie muss zwangsläufig politisch
sein, aber eine politische Lösung kann es nicht geben, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist.«
Assad kündigte für Dezember Kommunalwahlen an. Parlamentswahlen sollten vier bis acht Monate
nach der Veröffentlichung des Wahlgesetzes abgehalten werden, »auf jeden Fall spätestens im
Februar«, sagte er. Die Parteien sollten ausreichend Zeit haben, sich aufzustellen und Wahlkampf
zu betreiben.
Zu der geplanten Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Syrien sagte Assad, die »Belagerung
Syriens besteht schon jetzt«. Syriens Wirtschaft habe Alternativen zu Europa. »Wir haben uns nach
Osten orientiert und das werden wir weiter tun«, sagte er.
Brüsseler Diplomaten zufolge will die Europäische Union an diesem Dienstag Sanktionen gegen
Syriens Ölsektor verkünden. Diese sollen erstmals auch Menschen und Firmen einschließen, die
von Assads Regierung profitieren. Bislang hatte die EU nur Menschen und Firmen bestraft, welche
die syrische Regierung aktiv unterstützen. Die EU will zudem ein Embargo auf Rohöl-Importe aus
Syrien verhängen. Die Europäische Union ist Abnehmer von 95 Prozent des aus Syrien exportierten
Öls, das macht ein Drittel der Einnahmen des Staates aus.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ist derweil in Genf zu einer Sondersitzung über die
Lage in Syrien zusammengekommen. Ziel ist die Verabschiedung einer Resolution. Die UNOHochkommissarin
für Menschenrechte, Navi Pillay, sprach am Montag in ihrer Eröffnungsrede von
»anhaltend schweren Menschenrechtsverletzungen«. Nach einem in der vergangenen Woche
vorgelegten Dokumentation kamen in Syrien von März bis Juli mindestens 1900 Menschen bei
Gewalttaten ums Leben. Die Sondersitzung, die sich wegen eines technischen Problems um vier
Stunden verzögerte, war von der Europäischen Union und dabei besonders von Deutschland verlangt worden.
* Aus: Neues Deutschland, 23. August 2011
UNO-Delegation sondiert in Syrien
Diplomat: Damaskus vertuscht Verbrechen **
Die syrischen Streitkräfte versuchen nach Angaben aus diplomatischen Kreisen, das Ausmaß ihrer
Angriffe auf Zivilisten vor einer Delegation der Vereinten Nationen zu verbergen.
In einem palästinensischen Flüchtlingslager von Latakia seien »Aufräumarbeiten«
in Gange, sagte ein westlicher Diplomat, der ungenannt bleiben wollte, der Nachrichtenagentur dpa
am Sonntag (21. Aug.). Damit sollten Hinweise auf »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« vernichtet werden,
behauptete er.
Am Sonnabend (20. Aug.) war eine Delegation des UN-Teams für humanitäre Hilfe OCHA nach Syrien gereist,
um sich über die humanitären Probleme zu informieren. Ein UN-Menschenrechtsteam aus Genf
wartete bisher vergeblich auf eine Genehmigung zu einem Syrienbesuch. An diesem Montag berät
der UNO-Menschenrechtsrat auf Drängen Deutschlands und der EU auf einer Sondersitzung über
die Lage in Syrien.
Am Sonnabend (20. Aug.) starben mindestens acht Menschen, als syrische Truppen die Protesthochburg
Homs mit Granaten und Panzern angriffen. Im Dorf Mohassan in Deir al-Zor im Nordosten Syriens
sollen zwölf Soldaten hingerichtet worden sein, weil sie nicht auf Demonstranten schießen wollten.
Oppositionelle werfen den Truppen von Präsident Baschar al-Assad vor, »systematisch« Zivilisten
anzugreifen. Die New Yorker Organisation Human Rights Watch rief die 57 Staaten der Organisation
für Islamische Zusammenarbeit auf, gegen Syrien vorzugehen, weil Damaskus mit der »brutalen
Unterdrückung friedlicher Proteste« die Organisationscharta verletzte.
Nach Angaben von Oppositionellen wurden seit dem Beginn der Proteste gegen Assad mindestens
1860 Zivilisten und 422 Sicherheitskräfte getötet.
**Quelle: Neues Deutschland, 22. August 2011
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