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"Assad II." auf dem Weg des Wandels

Syriens Präsident kann nach zehn Jahren Amtszeit vor allem wirtschaftliche Erfolge vorweisen

Von Karin Leukefeld *

Eine riesige Staatsflagge – von Unternehmen gesponsert – an einem 50 Meter hohen Mast weht derzeit im Zentrum von Damaskus. Äußeres Anzeichen des Amtsjubiläums des Präsidenten, das außerhalb Syriens ziemlich unbemerkt blieb, im Lande selbst aber natürlich Anlass für Bilanzen bot, positive wie negative.

Als Baschar al-Assad am 17. Juli 2000 mit 34 Jahren als Nachfolger seines Vaters Hafez zum Präsidenten Syriens gekürt wurde, ging die Region wieder einmal schweren Zeiten entgegen. Die USA rüsteten zum Krieg gegen den Nachbarn Irak, den sie 2003 entfesselten. Im Juli/August 2006 folgte Israels Krieg gegen Libanon und damit erneut gegen einen Nachbarn Syriens. Ein Jahr zuvor war in Libanon dessen ehemaliger Ministerpräsident Rafik Hariri ermordet worden. Die Drahtzieher der Tat sind zwar bis heute nicht identifiziert, aber alle Welt machte den syrischen Geheimdienst verantwortlich. Folge: Die westliche Welt ging auf Distanz. Assad war genötigt, seine Truppen und Geheimdienste aus Libanon zurückziehen, wo sie seit Ende der 70er Jahre mit einem Mandat der Arabischen Liga quasi als Schutzmacht stationiert waren,

Schließlich drohte Damaskus, eingekeilt von Kriegen, auch noch selbst verwickelt zu werden. Israel, das seit 1967 widerrechtlich die syrischen Golan-Höhen besetzt hält, bombardierte im September 2007 ohne Vorwarnung eine Industrieanlage im Norden Syriens, weil dort angeblich Kernwaffenmaterial vorbereitet worden sei. Beweise Israels, das selbst nicht deklarierte Atomwaffen besitzt, fehlen bis heute, eine schlüssige Erklärung Syriens allerdings auch. Die Bilanz Baschar al-Assads hätte mithin in den ersten Jahren seiner Amtszeit unbefriedigender kaum sein können.

Das hat sich inzwischen jedoch geändert. Zwar wirkt »Assad II.« noch immer blass und unsicher, doch gelang es ihm in den letzten zwei, drei Jahren, sein Land aus der internationalen und regionalen Isolation wieder herauszuführen. Auch dafür waren vor allem äußere Faktoren verantwortlich, in erster Linie der Niedergang des Ansehens der USA infolge ihrer desaströsen Irak-Strategie, aber auch die Morbidität der Staatsstrukturen in Ländern wie Saudi-Arabien oder Ägypten.

Was Syrien große Sympathien in der Region verschaffte, war und ist bis heute die Aufnahme von mehr als einer Million irakischer Flüchtlinge, zwischenzeitlich auch für Tausende Libanesen nach dem Sommerkrieg 2006. In seinen Allianzen blieb Baschar al-Assad den Prinzipien seines Vaters treu. Dem Führer der palästinensischen Hamas bietet Syrien nach wie vor Exil und macht auch keinen Hehl aus seiner Unterstützung für die libanesische Hisbollah.

Die strategische Partnerschaft seines Vaters mit Iran erhält Assad ebenfalls aufrecht. Dem Unbehagen darüber in Kairo oder Riad tritt er mit engerer Abstimmung seiner Politik mit anderen Nachbarn wie Katar und neuerdings auch der Türkei entgegen.

Die innenpolitische Öffnung Syriens, die Baschar al-Assad bei seiner Amtseinführung 2000 angekündigt hatte und die in der Folgezeit als »Damaszener Frühling« zunächst ungeahnte Freiheiten mit sich gebracht hatte, wurde indes gestoppt. Diskussionszirkel, in denen über eine neue Verfassung, ein Mehrparteiensystem und ein Ende des Ausnahmezustands debattiert worden war, Menschenrechtsorganisationen, die die Lage von Gefangenen und die Situation der kurdischen Minderheit im Land zur Sprache brachten, wurden verboten, bekannte Wortführer verschwanden im Gefängnis. Was vom »Frühling« blieb, ist die Öffnung von Internet und Mobilfunk, neue Printmedien entstanden, für kritische Kulturschaffende gibt es mehr Raum als noch zu Zeiten seines Vaters Hafez al-Assad.

Der markanteste Wandel in Syrien aber dürfte die von Baschar al-Assad eingeleitete Umstellung der syrischen Ökonomie von einer Art staatlicher Planwirtschaft hin zu einer offenen Marktwirtschaft gewesen sein, die mit Freihandelszonen und Sonderkonditionen ausländische Investitionen ins Land holen soll. Während eine kleine Schicht von der Öffnung profitiert, stehen für das Gros der Bevölkerung bessere Lebensbedingungen allerdings aus. Aber die Tatsache, wer die eingangs erwähnte Fahne hissen ließ, zeigt, welche Syrer vor allem mit Assad zufrieden sind.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Juli 2010


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