Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Der Rat wird alle Parteien, die keinen konstruktiven Beitrag zu diesem Prozess leisten, als Friedensblockierer betrachten ..."

"... und weitere geeignete Maßnahmen – vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen – gegen sie unterstützen." EU-Außenminister zur Darfur-Krise im Sudan

"Der Rat begrüßte die am 12. Juni erfolgte Zustimmung Sudans zu der AU/VN-Hybridoperation in Sudan/Darfur, forderte einen zügigen Übergang zu dieser Operation und bekräftigte seinen Willen, gegen jede Partei, die die Durchführung der Operation behindert, weitere Maßnahmen – vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen – ins Auge zu fassen. Der Rat wird weiterhin darauf achten, wie er sein Engagement am besten verstärken und ausweiten kann, um seine Ziele in Bezug auf Sudan/Darfur zu erreichen."
So heißt es in der Pressemitteilung des Rats der Außenminister vom 18. Juni 2007 - im Anschluss an die Sitzung des Rats in Luxemburg.
Wir dokumentieren im Folgenden den Teil der "Schlussfolgerungen" des Rats, der sich mit der Situation in Darfur (Sudan) befasst. Vorbehaltlich einer eingehenden Kritik der "Schlussfolgerung" des Rats wollen wir aber

  1. darauf hinweisen, dass die EU offenbar gewillt ist, "Maßnahmen" (worunter offenbar auch militärische Maßnahmen gemeint sind - in Bezug auf den Sudan auch ohne UN-Mandat zu ergreifen; in Ziffer 1 und 2 der "Schlussfolgerungen" heißt es nämlich: entsprechende Maßnahmen seien "vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen" zu prüfen [Hervorhebung d.Red.]); und
  2. wird in der Lagebeurteilung vom schlimmsten Szenario ausgegangen, wonach in der Krisenprovinz "andauernde Gewalttätigkeiten" an der Tagesordnung seien und diese Gewalt ausschließlich auf das Konto der sudanesischen Regierung sowie der von ihr unterstützten Gruppierungen ginge. Diese Sicht wird von anerkannten Experten nicht unbedingt geteilt (siehe z.B. "Der inszenierte Konflikt" von Stefan Kröpelin). Kritik an der deutschen Truppenbereitstellung - die vor wenigen Tagen vom Bundestag verlängert wurde - wird vor allem auch aus der Friedensbewegung geübt, siehe: "Harmloser Militäreinsatz in Sudan?"



SUDAN – Schlussfolgerungen des Rates

Der Rat nahm die folgenden Schlussfolgerungen an:

"1. Aufgrund der anhaltenden Krise in Darfur sind die humanitäre Lage und die Sicherheitslage nach wie vor erschreckend. Der Rat ist besonders beunruhigt über die andauernden Gewalttätigkeiten und verurteilt die erneuten Bombardierungen der Zivilbevölkerung durch die sudanesische Luftwaffe, die einen klaren Verstoß gegen die Resolution 1591 des VN-Sicherheitsrates darstellen, sowie die Angriffe von Rebellengruppen auf AMIS-Mitarbeiter. Der Rat bekräftigt seinen Appell an alle Konfliktparteien, sich an die Waffenruhevereinbarungen zu halten, die neutrale Rolle der AMIS zu respektieren und den humanitären Helfern in ganz Darfur einen sicheren und ungehinderten Zugang zu gewähren. Die EU begrüßt, dass erste Schritte zur Umsetzung des von der sudanesischen Regierung und den VN vereinbarten Gemeinsamen Kommuniqués über die Erleichterung der humanitären Maßnahmen in Darfur eingeleitet wurden. Als Mitglied im Hohen Ausschuss, der mit der Überwachung der Umsetzung des Kommuniqués beauftragt ist, wird die EU auch in Zukunft auf weitere Fortschritte drängen. Sie wird ihrerseits untersuchen, welche Möglichkeiten für eine Verbesserung des Zugangs humanitärer Helfer bestehen. Sie ist bereit, weitere Maßnahmen zur Gewährleistung humanitärer Hilfe und zum Schutz der Zivilbevölkerung – vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen – zu prüfen.

2. Unter Verweis auf seine fortgesetzten Bemühungen um eine friedliche Beilegung der Krise erinnert der Rat daran, dass in erster Linie die sudanesischen Konfliktparteien in der Verantwortung stehen, dem Leiden der Bevölkerung von Darfur ein Ende zu setzen, indem sie eine tragfähige politische Lösung für die eigentlichen Ursachen des Konflikts finden. Im Einklang mit der Resolution 1591 wird der Rat alle Parteien, die keinen konstruktiven Beitrag zu diesem Prozess leisten, als Friedensblockierer betrachten und weitere geeignete Maßnahmen – vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen – gegen sie unterstützen. Diejenigen, die die Menschenrechte der Zivilbevölkerung verletzen, müssen zur Verantwortung gezogen werden. In diesem Zusammenhang bekräftigt der Rat, dass er den Internationalen Strafgerichtshof in seinem Bemühen, die in Darfur begangenen Gräueltaten nicht ungesühnt zu lassen, unterstützt. Nach dem Beschluss des Strafgerichtshofs, Haftbefehle gegen zwei Personen auszustellen, fordert der Rat die Regierung von Sudan nachdrücklich auf, den Ersuchen um ihre Auslieferung nachzukommen.

3. Die EU betont, dass zur Beilegung des Konflikts in Darfur eine alle Seiten einschließende politische Lösung erforderlich ist, und bekräftigt, dass sie die gemeinsame Initiative der AU und der VN um eine Wiederbelebung der politischen Verhandlungen uneingeschränkt unterstützt. Sie begrüßt den von allen maßgeblichen regionalen und internationalen Akteuren am 29. April in Tripolis erreichten Konsens, wonach ihre Bemühungen unter der Federführung der Sonderbeauftragten der AU und der VN koordiniert werden sollen. Der Rat begrüßt ferner den von den Sonderbeauftragten vorgelegten Vorschlag für einen Fahrplan zur Aufnahme von Verhandlungen sowie die von ihnen ergriffenen Erstmaßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit des Gemeinsamen Teams zur Unterstützung der Vermittlungsbemühungen zu stärken. Diesbezüglich begrüßt die EU den positiven Beitrag der SPLM zur Neubelebung des politischen Prozesses. Die EU fordert alle Rebellenbewegungen auf, ihre Bemühungen um die Bildung einer gemeinsamen Plattform für Verhandlungen zu intensivieren, und legt den regionalen Akteuren nahe, sich bei ihren Initiativen stärker mit den Sonderbeauftragten der AU und der VN abzustimmen.

4. Der Rat begrüßt die bevorstehende internationale Sudan-Tagung in Paris im Hinblick auf das Ziel, die internationale Unterstützung für die AU-VN-Initiative auszubauen, sowie die Teilnahme der wichtigsten internationalen und regionalen Interessenträger an dieser Zusammenkunft.

5. Die EU erkennt an, dass ein dauerhafter Frieden in ganz Sudan – unter Einschluss Darfurs und der östlichen Landesteile – ohne die vollständige Umsetzung des Umfassenden Friedensabkommens (CPA) nicht zu erreichen sein wird. Sie betont, dass ein Scheitern des Nord-Süd-Friedensprozesses auch die Lage in Darfur gefährden könnte. Der Rat fordert die Parteien nachdrücklich auf, ihre Bemühungen um eine schnellere Umsetzung des Abkommens zu verstärken, und appelliert an alle anderen politischen Kräfte, konstruktiv an diesem Prozess mitzuwirken. Besondere Bedeutung kommt dabei der vollständigen Rückverlegung der Streitkräfte bis Juli 2007 gemäß dem Umfassenden Friedensabkommen sowie einer Beschleunigung der Vorbereitungen für nationale Wahlen zu.

6. Die EU bekräftigt, dass sie die AMIS weiterhin unterstützt, und betont, dass diese Mission in der Phase des Übergangs zur AU/VN-Hybridmission gestärkt werden muss. In diesem Zusammenhang begrüßt der Rat die kürzlich – unter anderem vom AKP-EU-Ministerrat – gefassten Beschlüsse, mit denen die weitere Gewährung der dringend benötigten EUFinanzhilfe für die AMIS durch Auffüllung der Friedensfazilität für Afrika sichergestellt wurde. Dazu werden zunächst im laufenden Monat 40 Mio. EUR freigegeben. Der Rat begrüßt ferner die seitens der Mitgliedstaaten angekündigten freiwilligen Beiträge. Angesichts des dringenden Bedarfs an zusätzlichen Mitteln zur Deckung aller AMIS-Ausgaben ersucht der Rat die AMIS-Partner um Fortführung ihrer Hilfe und fordert er weitere internationale Partner auf, ebenfalls zu der Mission beizutragen.

7. Der Rat betont, dass die Friedensmission in Darfur weiter gestärkt und ausgeweitet werden muss, und begrüßt in diesem Zusammenhang die am 12. Juni erfolgte Zustimmung von Sudan zu der AU/VN-Hybridoperation in der Form, wie sie im gemeinsamen AU/VNBericht vom 5. Juni 2007 beschrieben wird. Der Rat fühlt sich durch die konstruktiven Gespräche, die während des Besuchs des VN-Sonderbeauftragten in Sudan am 17. Juni über diese Frage geführt wurden, in seiner Haltung bestärkt und erwartet von der sudanesischen Regierung, dass sie zügig Maßnahmen ergreift, um die Aktivierung des umfassenden VN-Unterstützungspakets für AMIS und später die Hybridoperation deutlich zu erleichtern. Der Rat ruft die AU und die VN dazu auf, für einen zügigen Übergang zur Hybridoperation zu sorgen, und bekräftigt seinen Willen, gegen jede Partei, die die Durchführung der Operation behindert, weitere Maßnahmen – vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen – ins Auge zu fassen.

8. Der Rat ist weiterhin zutiefst besorgt über die Auswirkungen der Darfur-Krise auf die humanitäre Lage und die Sicherheitslage in den Nachbarländern. Er betrachtet jedoch die Gespräche, die unlängst in Saudi-Arabien auf hoher Ebene zwischen den Regierungen von Sudan und Tschad im Hinblick auf eine Verbesserung ihrer bilateralen Beziehungen geführt wurden, als eine positive Entwicklung und ruft beide Länder auf, diese Bemühungen fortzuführen und zu verstärken. Der Rat unterstützt die Anstrengungen der VN mit dem Ziel, eine multidimensionale Präsens der VN im Osten des Tschad und im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik vorzubereiten, und sieht dem Bericht der VN-Erkundungsmission über ihren Besuch im Osten des Tschad, der als Grundlage für weitere Beratungen dienen soll, erwartungsvoll entgegen.

9. Der Rat wird weiterhin darauf achten, wie er sein Engagement am besten verstärken und ausweiten kann, um die Ziele dieser Schlussfolgerungen zu erreichen, und ersucht das Generalsekretariat des Rates, die Kommission und die zuständigen Ratsgremien, in dieser Beziehung auf eventuelle Beschlüsse hinzuarbeiten."

Quelle: 2809. Tagung des Rates - Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen - Außenbeziehungen, Luxemburg, den 18. Juni 2007; Präsident Frank-Walter STEINMEIER, Bundesminister des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland, S. 13-14
www.consilium.europa.eu



Zu weiteren Beiträgen über Sudan

Zur EU-Europa-Seite

Zurück zur Homepage