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Ein nächster Ausfallschritt

Minister Struck und der Sudan

Ein Kommentar von Uli Cremer

Dieser Tage redet Minister Struck (SPD) wieder neuen Auslandseinsätzen der Bundeswehr das Wort. Nicht im Irak, sondern im Sudan. Wenn die entsprechende Bitte der UNO an die NATO oder EU, also auch an Deutschland herangetragen werden sollte - so Struck - würde man sich dem "nicht verweigern können, weil es eine besondere Verantwortung Europas für Afrika gibt".

Bisher hatte der UN-Sicherheitsrat die gewünschte Bitte noch nicht formuliert, daher musste die rot-grüne Regierung etwas nachhelfen. Zuständig dafür war Staatsministerin Kerstin Müller, die seit Mai den Sudan zum Schwerpunkt ihrer Aktivitäten erkoren hatte. Nach ihrer Auffassung wurde in Darfur Völkermord begangen. Auch einige grüne Afrika-Politiker aus dem Fachbereich Außenpolitik, der letztes Wochenende tagte, sahen das so und fühlten sich vom "Nicht-Handeln" der UNO in Rage versetzt: Wenn es um Genozid geht, können wir dann auf die Vereinten Nationen warten?, fragten sie. Wenn China wegen seiner Erdölinteressen im Sudan mit einem Veto droht, muss man dann nicht ohne die Weltorganisation handeln? Muss man dann nicht einfach Soldaten mit "robustem Mandat" in den Sudan schicken?

Diese Argumentationskette kommt Ihnen bekannt vor? Natürlich, vor sechs Jahren hatten wir die schon einmal: Damals starteten die NATO-Staaten mit einer ähnlichen Begründung ihren Luftkrieg gegen Jugoslawien.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Deutschland erneut zu einer solch völkerrechtswidrigen Aktion entschließt, ist derzeit allerdings nicht groß. Auf diese Weise vorzugehen, würde das große Projekt - den deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat - akut gefährden. Stattdessen empfiehlt sich die Bundesregierung als ehrlicher Makler und finanziert Konferenzen der Afrikanischen Union (AU) zur Konfliktbeilegung in Darfur sowie humanitäre Hilfe.

In Strucks "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von 2003 liest sich das so: "Die Bereitschaft zu substanziellen Beiträgen und das Engagement in allen Gremien wie auch in der konkreten Arbeit der VN in den Krisengebieten wahrt und verstärkt Deutschlands Einfluss auf die künftige Rolle der Weltorganisation." Als Maklergebühr wäre die ständige Präsenz im Sicherheitsrat erwünscht.

Um "dem Parlament und der Öffentlichkeit Sinn und Zweck des Engagements (zu) vermitteln", reicht Struck allerdings der Verweis auf "moralisch-geschichtliche Verpflichtungen Europas" gegenüber Afrika nicht aus. Vielmehr müsse man auch über die "legitimen gemeinsamen Interessen" Europas reden, etwa den "Schutz der Energie- und Rohstoffversorgung". - Das kommt Ihnen auch bekannt vor? Sicher, das hatte Amtsvorgänger Volker Rühe (CDU) schon 1992 in seine "Verteidigungspolitischen Richtlinien" geschrieben. In verschiedenen NATO- oder EU-Dokumenten der vergangenen Jahre war das gleichfalls zu lesen, kam aber aus dem Hause Struck. So ist das eben mit der Kontinuität der deutschen Außenpolitik: Sie führt zur "Verrühung" der Sitten.

* Aus: Freitag 48, 19. November 2004


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