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Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.
Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse
Juli bis Oktober 2007
Juli
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Zum Auftakt des Gipfels der Afrikanischen Union in Ghana hat AU-Vorsitzender Alpha Oumar Konare zur politischen Einheit aufgerufen. Die Bemühungen um eine pan-afrikanische Vertretung standen an erster Stelle bei dem am 1. Juli beginnenden dreitägigen Treffen. Aktuelle Krisen wie die Konflikte im Sudan, in Somalia und in Simbabwe spielten aber erneut eine wesentliche Rolle. Afrika brauche Einheit, um das Gewicht des Kontinents spürbar zu machen, sagte Konare. Mit Blick auf die anhaltende Gewalt in der sudanesischen Krisenregion Darfur beklagte er eine stockende Finanzierung der geplanten Friedenstruppe. Zugleich forderte er die sudanesische Regierung auf, alle Bombardierungen in Darfur einzustellen. Der Sudan stimmte kürzlich der Stationierung einer internationalen Friedenstruppe in Darfur zu. Diese 19.000 Mann starke Truppe der AU und der Vereinten Nationen soll das bisherige 7.000-köpfige AU-Kontingent ersetzen.
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Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat nach langem Ringen endgültig grünes Licht für die Stationierung einer Friedenstruppe in der westsudanesischen Krisenregion Darfur gegeben. Alle 15 Mitglieder des höchsten UN-Gremiums stimmten am 31. Juli in New York für eine entsprechende Resolution, die die USA, Frankreich und Großbritannien eingebracht hatten. Danach sollen mehr als 20.000 Soldaten der Afrikanischen Union (AU) und der Vereinten Nationen (UN) unter einem gemeinsamen Kommando die Einhaltung des Waffenstillstands in der Krisenregion überwachen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der persönlich an der Sitzung teilnahm, begrüßte die Entscheidung. "Sie senden damit ein klares und kraftvolles Signal für unsere Verpflichtung, das Leben der Menschen in dieser Region zu verbessern und dieses tragische Kapitel der sudanesischen Geschichte zu schließen", sagte er. (Hier geht es zur Resolution 1679 im Wortlaut)
Mittwoch, 1. August, bis Sonntag, 12. August
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Ein "ermutigendes Zeichen" nannte die frühere Parlamentarische Staatssekretärin und Afrika-Kennerin Uschi Eid (Grüne), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss im Bundestag, die Sicherheitsratsentscheidung zu Darfur. "Die Region ist schon viel zu lange Schauplatz eines Krieges, der mehr als 200.000 Menschenleben gekostet und mehr als zwei Millionen Menschen zu Flucht gezwungen hat, als dass die Weltgemeinschaft noch länger hätte zuschauen können", sagte Frau Eid der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe vom 2. Aug.). Sie wies darauf hin, dass China, das bei vorhergehenden Resolutionsvorlagen zu Sudan mit seinem Veto gedroht hat, sich in diesem Fall auf den Kompromiss eingelassen und für die Streichung der Sanktionsdrohung im Falle einer Nichtkooperation der sudanesischen Regierung mit den Blauhelmen auf sein Veto verzichtet habe. "Die explizite und substanzielle Einbindung der Friedenstruppen der Afrikanischen Union in die beschlossene Blauhelm-Mission unterstreicht auch, dass der Kontinent immer mehr in der Lage ist, an der Lösung seiner Probleme selbst zu arbeiten", sagte Frau Eid.
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Der Erfolg der gemeinsamen Darfur-Friedenstruppe der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union ist nach Expertenmeinung gefährdet. "Es scheint so zu sein, dass die UN-Truppe zwar Gewalt anwenden darf, um sich zu verteidigen und Zivilisten zu schützen, dass sie aber keine Friedenserzwingung betreiben darf", bemängelt Rolf Hofmeier vom Institut für Afrika-Studien in der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 2. Aug.). Sie dürfe demnach etwa Reitermilizen, die gerade nicht angreifen, weder entwaffnen noch einsperren. Auch könnten China und Russland aufgrund fehlender Sanktionsmechanismen weiter Waffen an Sudan liefern. Obendrein sei keineswegs sicher, dass die Schutztruppe die geplante Stärke von 26.000 Mann erreiche und das dafür erforderliche Geld aufgebracht werde, sagte Hofmeier. So habe Ruanda zuletzt kurz davor gestanden, seine Soldaten aus der bisherigen Truppe der Afrikanischen Union abzuziehen, weil die Bezahlung nicht funktioniert habe.
Auch der Direktor des Berliner Zentrums für Friedenseinsätze und Afrika-Kenner, Winrich Kühne, zweifelt, ob die UN-Mission im Sudan wie geplant starten kann. Zwar gebe es die Resolution des UN-Sicherheitsrates, die im Wesentlichen auch von der sudanesischen Regierung in Khartum akzeptiert werde, aber im Detail seien viele Dinge umstritten, sagte Kühne der "Leipziger Volkszeitung" (Ausgabe vom 2. Aug.). Insbesondere sei unwahrscheinlich, dass der Zeitplan eingehalten werden kann und die Truppe bis zum Jahresende stehe. Die Mission könne aber dazu beitragen, dass sich die Lage stabilisiere und sich das Leben für die Menschen verbessere. Das Hauptproblem sei allerdings, dass es gegenwärtig politisch keinen tragfähigen Friedensprozess gebe. Eine Militärmission könne diesen zwar ermöglichen, aber nicht ersetzen, sagte Kühne.
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Internationale Hilfsorganisationen haben wegen der schweren Überschwemmungen im Sudan eine Verdopplung der Hilfszahlungen auf knapp 5,5 Millionen Schweizer Franken (rund 3,3 Millionen Euro) gefordert. Bislang seien durch die Überflutungen fast 100 Menschen ums Leben gekommen, teilte der sudanesische Rote Halbmond am 9. Aug. mit. Mehr als 300.000 Menschen seien betroffen, rund 60.000 Häuser beschädigt oder zerstört worden. Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes müssen im kommenden halben Jahr in dem Land 140.000 Hilfsbedürftige versorgt werden. Am 18. Juli hatte das Rote Kreuz zunächst Nothilfe in Höhe von 2,1 Millionen Franken gefordert.
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Mehr Hilfe für die Menschen in der sudanesischen Konfliktprovinz Darfur hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am 10. Aug. in Berlin gefordert. Die andauernden Kämpfe im Grenzgebiet von Sudan und Tschad erschwerten zwar die Arbeit der Helfer vor Ort, doch bräuchten dort mehr als zwei Millionen Flüchtlinge dringend Lebensmittel und medizinische Versorgung, erklärte die deutsche Sektion von Ärzte ohne Grenzen bei der Vorstellung ihres Jahresberichts.
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Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in der sudanesischen Krisenregion Darfur in Aussicht gestellt. Auf jeden Fall sollte die für die bisherige Sudan-Mission der Afrikanischen Union bereit gestellte Unterstützung auch für die jüngst vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Unamid-Mission gelten, sagte Wieczorek-Zeul der "Süddeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 11. Aug.). Diese Unterstützung in Form von Lufttransporten sollte "wenn notwendig, ausgeweitet werden." Allerdings machte die Ministerin auch klar, dass es nur um logistische Unterstützung gehe. "Es geht für Deutschland also nicht um die Entsendung von Truppen."
Montag, 13. August, bis Freitag, 31. August
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Mit einem Fackellauf will die US- Schauspielerin Mia Farrow (62) die internationale Aufmerksamkeit auf Chinas Rolle in der Darfur-Krise lenken. Peking hat starke wirtschaftliche Interessen im Sudan. Die Welt "versage" angesichts der Katastrophe in der westsudanesischen Region, sagte der amerikanische Filmstar am 16. Aug. in Kigali. Die ruandische Hauptstadt ist die zweite Station des Fackellaufs "Traum für Darfur", den Farrow am 13. Aug. in einem tschadischen Flüchtlingslager nahe der Grenze zu Darfur gestartet hatte. Ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele in China wollen Farrow und Aktivisten wie der amerikanische Basketball-Profi Ira Newble Druck auf Peking ausüben, den Sudan zu einer Beendigung des Konflikts zu bewegen.
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Britische Muslime wollen mit einem Konzert in London auf die Krise in der westsudanesischen Region Darfur aufmerksam machen. "Wir wollen ein Konzert nach dem Vorbild von Live 8 veranstalten", sagte ein Mitarbeiter der islamischen Hilfsorganisation "Islamic Relief" am 20. Aug. Das Konzert soll am 21. Oktober im Wembley Stadion stattfinden. Eine vom britischen Außenministerium unterstützte muslimische Delegation war unlängst nach Darfur gereist, um mit Gewaltopfern, Flüchtlingen, Stammesführern und Verantwortlichen der Regierung der islamischen Republik Sudan zu sprechen.
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Der Sudan hat zwei westliche Diplomaten ausgewiesen. Der Gesandte der Europäischen Union und der höchste Vertreter Kanadas in dem afrikanischen Land seien einbestellt und wegen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Sudans zu unerwünschten Personen erklärt worden, teilte das Außenministerium nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur SUNA am 23. Aug. mit. Die Diplomaten wurden namentlich nicht genannt. Die Delegation der EU im Sudan wird von Kent Degerfelt geleitet, bei dem Kanadier dürfte es sich um den Geschäftsträger Alan Bones handeln. Warum gerade die beiden ausgewiesen wurden, blieb zunächst unklar. Viele westliche Regierungen haben die Rolle der sudanesischen Regierung in der Krisenregion Darfur kritisiert.
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Amnesty International warf dem Sudan vor, dass die Regierung noch immer gegen das von den UN verhängte Waffenembargo in Darfur verstoße. Die Menschenrechtsorganisation forderte die UN auf, ihrer geplanten Friedenstruppe in der Region das Mandat zu geben, Waffen beschlagnahmen zu dürfen. Zur Untermauerung ihrer Vorwürfe legte die Organisation am 23. Aug. Fotos vom Juli vor, die nach ihren Angaben Militärlieferungen auf dem Flugplatz der sudanesischen Armee in El Dscheneina in Westdarfur zeigen.
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UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die sudanesischen Streitkräfte aufgefordert, alle verbliebenen Truppen aus dem Süden des Landes abzuziehen. Zugleich äußerte er sich enttäuscht darüber, dass eine entsprechende Frist nicht wie im Friedensabkommen von 2005 verlangt eingehalten wurde. Das Abkommen beendete einen 21-jährigen Bürgerkrieg zwischen dem überwiegend muslimischen Norden und dem überwiegend christlichen Süden. Die Frist lief am 9. Juli ab. In einem Bericht an den Sicherheitsrat erklärte Ban, die Bildung gemeinsamer Militäreinheiten von Regierungssoldaten aus dem Norden und ehemaligen Rebellen aus dem Süden liege ebenfalls hinter dem Zeitplan zurück. Außerdem gingen die Einheiten nicht gemeinsam, sondern getrennt vor. Eine Folge sei, dass die Lage in einigen Gebieten weiterhin instabil sei. (AP, 24. Aug.)
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Die sudanesische Regierung hat die am 23. Aug. veranlasste Ausweisung eines EU-Diplomaten zurückgenommen. Der Vertreter der EU-Kommission, der Schwede Kent Degerfeld, dürfe nach Khartum zurückkehren und dort sein Mandat beenden, teilte die Kommission am 25. Aug. in Brüssel mit. Die Regierung in Khartum bestätigte die Information. Der Sudan habe die Entschuldigung von EU-Entwicklungskommissar Louis Michel in dieser Sache akzeptiert, sagte ein Regierungssprecher der Nachrichtenagentur AFP.
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Der schwedische EU-Botschafter Kent Degerfelt wurde am 24. Aug. gemeinsam mit der kanadischen Gesandtin Nuala Lawlor von der sudanesischen Regierung zur "unerwünschten Person" erklärt, weil sich beide Diplomaten "in die innere Angelegenheiten" des afrikanischen Staates eingemischt und "ihre Diplomatischen Pflichten" verletzt hätten. Damit wurde die Beziehung zwischen der sudanesischen Regierung und den Vereinten Nationen sowie die Europäische Union erneut verschlechtert.
September
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UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reist am 1. Sept. nach Sudan, dort wird es sechs Tage verbringen und er wird den Putschisten-General Omar al-Bashir treffen. Des Weiteren wird er Südsudan besichten, von dort aus reist er in die Kriesenregion Darfur.
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Der bisherige Irakbeauftragte der Vereinten Nationen wird zum UN-Sondergesandtne für Sudan. Ashraf Quazi, der pakistanische Diplomat löst damit Jan Pronk ab. Pronk geriet in die Schlagzeilen wegen seiner Kritik am mangelnden Einsatz der sudanesischen Armee gegen die Rebellen in der westlichen Krisenregion Darfur des Landes.
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Am letzen Tag (6. Sept.) seiner Sudan-Reise hat sich Un-Generalsekretär Ban Ki Moon erfolgreich für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen Regierung und Rebellen in der Krisenregion Darfur eingesetzt. Die Darfur-Gespräche finden am 2. Oktober in Libyen statt.
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Papst Benedikt XVI. hat am 14. September den sudanesischen Diktator, Omar al-Bashir empfangen.
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Die AU hat am 21. September Vorbehalte gegen Soldaten aus Norwegen, Uruguay und Thailand geäußert, ohne Details zu nennen. Damit ergeben sich neue Probleme bei der Truppenaufstellung für die Krisenregion Darfur.
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Der UN-Sicherheitsrat hat dem Einsatz einer EU-Friedenstruppe neben dem verabschiedeten Mandat für die Krisenregion Darfur auch in den Nachbarländern zugestimmt. Sie soll die Bevölkerung in den Nachbarstaaten des Sudans vor Übergriffen und Gewaltakten schützen. Die EU-Verteidigungsminister wollen am Freitag (28. Sept.) in Brüssel endgültig grünes Licht für die Stationierung von bis zu 4.000 Soldaten geben.
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Augenzeugenberichten zufolge hatten am 29. Sept. rund 2.000 Kämpfer von sudanesischen Rebellenmilizen das Lager Haskanita im Westsudan überrannt. Die Angreifer plünderten alle Waffen und Fahrzeuge, die sie mit sich nehmen konnten und setzten die übrigen Fahrzeuge in Brand, hieß es.
Oktober
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Nach dem Austritt der Rebellengruppe SPLA aus der Regierung (10. Okt.), droht dem größten Staat Afrikas der Zerfall. Schon der Friedensabkommen, das 2005 in Nairobi geschlossen wurde, sicherte den Süden eine Teilautonomie. Weil sich immer noch nordsudanesische Einheiten im Süden des Landes befinden, Präsident Omar al-Bashir darüber hinaus die von einer Kommission vorgeschlagene Demarkationslinie zwischen Nord und Süd nicht akzeptiert, lehnt die SPLA eine weitere Zusammenarbeit mit der Regierung ab. Die Politiker des Südens scheinen vorzeitig die Unabhängigkeit anzustreben.
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Am 22. Okt. veröffentlichte der TV-Sender Al Jazeera eine Rede von Osama Bin-Laden. Darin rief er zum Jihad in Sudan auf, so erklärte er in seiner Ansprache, es sei die Pflicht der Muslime, die geplante Friedenstruppe für die Region Darfur anzugreifen.
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Die Unruhen in Darfur verschärfen sich vor den Friedenstreffen in Libyen, denn Regierungssoldaten und deren Verbündeter morden in Darfur. So erklärte der im Exil lebenden Rebellenführer Abdelwahid Mohamed al-Nur in seinem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dass sie sich nicht an einem Tisch setzten mit denen, die ihre Leute umbringen.
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Am 27. Okt. beginnt das Friedenstreffen in der libyschen Stadt Sirte. Die UN und die AZ sind anwesend, doch die meisten und wichtigsten Rebellengruppen haben inzwischen ihr Fernbleiben verkündet.
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Die Bemühungen um ein Ende der Gewalt in der westsudanesischen Krisenregion Darfur haben am Wochenende (27. und 28. Okt.) einen Rückschlag erlitten. Viele der wichtigsten Rebellengruppen blieben den in Libyen organisierten Friedensgesprächen mit der Zentralregierung aus Khartum fern. Damit lief der erste Schlichtungsversuch seit gut einem Jahr - angestoßen von den UN und der AU ins Leere. Auch die Ankündigung der sudanesischen Führung, in Darfur ab sofort einseitig Waffen niederzulegen, stieß auf wenig Resonanz uter den wenigen Teilnehmern der Gesprächsrunde im Libyschen Sirte.
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