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Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse

Oktober/November 2004

Freitag, 1. Oktober, bis Sonntag, 10. Oktober
  • Nach zähen Verhandlungen hat die sudanesische Regierung der Stationierung von tausenden zusätzlichen Soldaten und Polizisten der Afrikanischen Union (AU) in der westlichen Krisenregion Darfur zugestimmt. Ein am 30. Sept. in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba unterzeichnetes Abkommen sehe die Entsendung von 3.500 Soldaten und 800 Polizisten der AU vor, berichtete die Zeitung "El Sahafa" am 1. Oktober unter Berufung auf den sudanesischen Botschafter Osman el Sajjed. Nach dessen Angaben soll bei einer weiteren Verhandlungsrunde Mitte Oktober ihre genaue Mission festgelegt werden. Die Truppen würden erst nach und nach in Darfur eintreffen.
  • Die sudanesische Regierung hat der Stationierung von 4.00 Soldaten der Afrikanischen Union in der Krisenregion Darfur zugestimmt. Nach Angaben des Außenministeriums in Khartum vom 2. Okt. muss aber noch über das genaue Mandat für die Friedenstruppe verhandelt werden.
  • Die Lage der Menschen in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur hat sich im September weiter verschlechtert. Das geht aus einem Bericht von UN-Generalsekretär Kofi Annan vom 4. Okt. hervor. Annan wirft der Regierung in Khartum vor, die Verbrechen an der Bevölkerung nicht entschieden genug endlich zu stoppen. Im Gegenteil: Die Zahl der Banditen und ziellosen Gewalttaten nehme zu, so der Bericht.
  • Auf die Bundeswehr könnten weitere Auslandseinsätze zukommen. Verteidigungsminister Peter Struck rechnet momentan zwar nicht damit, dass Deutschland Soldaten in den Sudan schicken muss. Ganz ausschließen wollte er das in der ARD am 5. Okt. aber nicht. Voraussetzung ist laut Struck eine UN-Anfrage an die NATO oder die Europäische Union.
  • Das Technische Hilfswerk (THW) wird in der sudanesischen Krisenregion Darfur eine Fahrzeugwerkstatt und ein Trinkwasserlabor einrichten. Der zunächst dreimonatige Einsatz von fünf THW-Experten sei am 5. Okt. gestartet, teilte das Innenministerium in Berlin mit. In der Autowerkstatt in El Faschir sollten in Zusammenarbeit mit örtlichen Mechanikern Geräte und Fahrzeuge der Vereinten Nationen gewartet und repariert werden. Mit Hilfe des THW-Trinkwasserlabors solle die Qualität des Trinkwassers in den Flüchtlingslagern kontrolliert werden.
  • Sudan hat sich mit der Stationierung von 4.000 Militärbeobachtern und Polizisten der Afrikanischen Union in seiner Krisenprovinz Darfur einverstanden erklärt. Der sudanesische UN-Botschafter stimmte am 5. Okt. einem Vorschlag der Vereinten Nationen zu, nach dem sich die AU in Darfur um eine Beilegung des blutigen Konflikts bemühen soll.
  • Der britische Regierungschef Tony Blair hat der sudanesischen Regierung eine Liste von Forderungen vorgelegt, wie die katastrophale Lage in der Krisenregion Darfur verbessert werden soll. Blair sagte nach einem Treffen mit dem sudanesischen Präsidenten Omar el Beschir und seinem Vize Ali Osman Taha am 6. Okt. in Khartum, er habe seine Gesprächspartner gedrängt, bis Ende des Jahres ein globales Friedensabkommen für das Land zu erzielen. Zudem habe er ihnen fünf Forderungen gestellt, um den Bürgerkrieg in Darfur zu beenden
  • Der britische Premierminister Tony Blair will der schnellen Lösung von Konflikten in Afrika eine besonders hohe Priorität im Rahmen der europäischen Sicherheits und Verteidigungspolitik einräumen. Die neu entstehenden hoch mobilen Kampfgruppen der Europäischen Union sollten schon ab kommendem Jahr "anfänglich" einsatzbereit sein, sagte Blair am 7. Okt. bei einer Rede vor Politikern und Würdenträgern in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Binnen zehn Tagen sollten die zur EU-Eingreiftruppe gehörenden "Battle Groups" dann in Krisenregionen entsandt werden können. Zwar solle der Kontinent seine Kriege am besten aus eigener Kraft beenden, aber "nicht immer wird Afrika einen Konflikt allein stoppen können", sagte Blair.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat am 7. Okt. eine internationale Kommission ins Leben gerufen, die Vorwürfe eines möglichen Völkermords in der westsudanesischen Krisenregion Darfur nachgehen soll. Leiter des fünfköpfigen Gremiums ist der Italiener Antonio Cassesse, der der erste Präsident des Jugoslawien-Tribunals, wie Annans Sprecher Fred Eckhard mitteilte. Die anderen Mitglieder kommen nach seinen Angaben aus Ägypten, Peru, Pakistan und Ghana.
  • Ungeachtet von Berichten über eine sich zuspitzende Lage in der westsudanesischen Krisenregion Darfur ist von der EU auch weiterhin nicht mit Sanktionen gegen die Regierung in Khartum zu rechnen. Eine Reihe von EU-Regierungen zeige bislang keinerlei Bereitschaft, über die Anfang September erfolgte Androhung von Sanktionen hinauszugehen, hieß es von Brüsseler Diplomaten am 8. Okt. Als Ergebnis der Diskussion der EU-Außenminister am 11. Okt. in Luxemburg sei nicht mit einer schärferen Gangart gebenüber Khartum zu rechnen, nachdem Diplomaten aus Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Griechenland und Polen dies in den Vorberatungen abgelehnt hätten.
  • Die Überlegungen von Verteidigungsminister Peter Struck zu einem möglichen Einsatz deutscher Soldaten in Sudan stoßen beim Bundeswehrverband auf Ablehnung. "Bei der Häufigkeit der Äußerungen des Ministers zu dem Thema wird mir unwohl", sagte der Verbandsvorsitzende Bernhard Gertz dem "Tagesspiegel am Sonntag" (Ausgabe vom 10. Okt.). Die Bundeswehr dürfe sich neben ihrem Engagement im Kosovo und in Afghanistan keine weitere Aufgabe aufbürden. "Wir stehen schon jetzt in der Gefahr akuter Überforderung", sagte Gertz.
Montag, 11. Oktober, bis Sonntag, 24. Oktober
  • In der sudanesischen Krisenregion Darfur sind zwei Mitarbeiter einer britischen Hilfsorganisation bei einer Explosion ums Leben gekommen. Die beiden seien getötet worden, als ihr Wagen auf eine Landmine oder einen ähnlichen Sprengsatz auffuhr, teilte die UN-Mission für Sudan (UNAMIS) am 12. Okt. in Nairobi mit. Die Opfer seien ein sudanesischer und ein ausländischer Mitarbeiter der Hilfsorganisation Save the Children.
  • Der Chefkoordinator der UN für humanitäre Hilfe im Sudan, Manuel Aranda da Silva, zeichnete in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ein düsteres Bild von der Situation in der Krisenregion Darfur. Allein seit August habe die Zahl der Vertriebenen um 220.000 Menschen auf eineinhalb Millionen zugenommen. 600.000 Kriegsopfer könnten gar nicht versorgt werden. Und die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass allein seit dem Frühjahr 2004 in Darfur 70.000 Menschen gestorben sind. "Die Zeit ist sehr knapp geworden für eine politische Lösung", sagte da Silva. "Wenn wir bis Weihnachten keinen Deal haben, wird es schwer sein, die Dörfer für die Flüchtlinge rechtzeitig wieder aufzubauen, damit sie ab dem Frühjahr ihre Felder neu bestellen können. (SZ, 16./17. Okt.: "Das lautlose Sterben", S. 1; Autor: Arne Perras)
  • Die geplante Entsendung afrikanischer Truppen in die sudanesische Krisenregion Darfur verzögert sich wegen fehlender Unterkünfte. Eine Gruppe von etwa 300 Soldaten aus Ruanda könnte erst eine Woche später abreisen, weil erst noch Zelte für sie aufgebaut werden müssten. Das sagte der ruandische Außenminister Charles Muligande am 17. Okt. der BBC. Die Afrikanische Union hat derzeit eine Truppe von etwa 300 Mann in Darfur, die jedoch nur für den Schutz der internationalen Militärbeobachter zuständig ist.
  • Fünf afrikanische Staaten haben bei ihrem Gipfeltreffen eine "Einmischung des Auslands" bei der Krise in der westsudanesischen Region Darfur abgelehnt. Es handele sich um eine "rein afrikanische Frage", hieß es in der in der Nacht zum 18. Okt. in Tripolis veröffentlichten Abschlusserklärung. Eine Einmischung von außen behindere die Bemühungen zur Stabilisierung des Landes. Die Führer von Libyen, Ägypten, Nigeria und dem Tschad sicherten der sudanesischen Regierung, die auch an dem Treffen teilnahm, ihre Unterstützung zu.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die internationale Gemeinschaft erneut zu mehr Hilfe für die sudanesische Krisenregion Darfur aufgefordert. Den Vereinten Nationen fehlten für ihr Hilfsprogramm in Darfur mehr als 200 Millionen Dollar (160 Millionen Euro), sagte Annan nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair am 19. Okt. in London. Alle Regierungen mit Kapazitäten für Hilfe sollten "dringend helfen". Neben Nahrungsmitteln und Unterkünften würden für Flüchtlinge und Not leidende Menschen auch medizinische und Hygiene-Artikel benötigt. Annan äußerte die Erwartung, dass sich durch zusätzliche Soldaten der Schutztruppe der Afrikanischen Union die Sicherheitslage verbessern werde.
  • Eritrea hat nach eigenen Angaben ein "Terrornetz" aufgedeckt, mit dem der Sudan demnach in seinem Nachbarland Anschläge verüben wollte. Eritreische Sicherheitskräfte hätten in den vergangenen Wochen "ein terroristisches Netz" gefasst, das von der sudanesischen Regierung den Auftrag gehabt habe, "zivile Ziele anzugreifen und Präsident Isaias Afwerki zu ermorden", teilte das Außenministerium in Asmera am 20. Okt. mit. Afwerkis Büroleiter Yemane Gebremeskel sagte der Nachrichtenagentur AFP am Telefon, diese Information sei sehr heikel; er könne deshalb nichts Genaueres dazu sagen. "Zu gegebener Zeit" werde es aber weitere Hinweise geben.
  • Die Europäische Union will die Schutztruppe der Afrikanischen Union (AU) in der sudanesischen Konfliktregion Darfur mit rund 100 Millionen Euro unterstützen. Die Vorbereitungen für einen entsprechenden Beschluss seien bereits im Gange, hieß es am 22. Okt. von EU-Diplomaten in Brüssel. Um die Unterstützung der AU-Mission geht es auch bei einem Besuch des EU-Außenbeauftragten Javier Solana, der am 22. Okt. nach Äthiopien und Sudan aufbrechen wollte. Die AU hatte am 21. Okt. angekündigt, ihre Darfur-Mission massiv von zurzeit 465 auf 3.320 Mann aufzustocken.
    Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana ist am Abend des 23. Okt. zu Gesprächen mit der sudanesischen Regierung über die Krise in der Bürgerkriegsprovinz Darfur in Khartum eingetroffen. Er wollen überprüfen, "welche Anstrengungen die Regierung unternimmt, um den Konflikt zu lösen", sagte Solana der staatlichen Nachrichtenagentur SUNA. Am 24. Okt. wollte Solana mit Sudans Präsident Omar el Beschir und mit Außenminister Mustafa Osman Ismail zusammentreffen.
Montag, 25. Oktober, bis Sonntag, 31. Oktober
  • Nahezu die Hälfte aller Familien in der westsudanesischen Krisenregion Darfur kann sich nicht selbst ernähren. Ein Fünftel der Kinder unter fünf Jahren leidet an den Folgen von mangelhafter Ernährung. Das geht aus einer Untersuchung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen hervor, wie dpa am 27. Okt. meldete. In den kommenden Monaten werde sich die Situation noch verschlimmern, weil die Ernte wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen zum größten Teil nicht eingebracht werden konnte.
  • Entsetzt hat sich die Hollywoodschauspielerin Angelina Jolie über das Elend in der westsudanesischen Krisenregion Darfur geäußert. "Das ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe", sagte die Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) nach einer dreitägigen Tour durch Darfur am 28. Okt. "Was den Menschen und Frauen hier geschieht, ist unfassbar schrecklich." Erst am Vortag sei ein gesamtes Dorf im Süden Darfurs zerstört worden, berichtete Jolie weiter. Außerhalb der Flüchtlingslager sei die Lage sehr unsicher: Jede Frau, die sich zum Holzholen herauswage, könne vergewaltigt werden, und auch jeder Mann könne von Kämpfern der arabischen Dschandschawid-Miliz getötet werden.
Montag, 1. November, bis Sonntag, 7. November
  • Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hat die mangelnde Hilfe in der sudanesischen Krisenregion Darfur kritisiert. Trotz vieler Versprechen sei es der sudanesischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft nicht gelungen, in Darfur für genügend Sicherheit und Hilfe zu sorgen, teilte Ärzte ohne Grenzen in Berlin mit. Seit mehr als einem Jahr sei die Bevölkerung Darfurs Gewalt und Terror arabischer Milizen ausgesetzt. Mehr als 1,8 Millionen Menschen flohen aus ihren zerstörten Dörfern.
  • Der sudanesische Präsident Omar el Baschir hat den Rebellen in der Krisenprovinz Darfur Vertreibungen und Massenvergewaltigungen vorgeworfen. "Die Rebellen sind verantwortlich für die Einschüchterung und Vertreibung der Bevölkerung" in Darfur, sagte Baschir am 1. Nov. bei einer Feier zum 15-jährigen Bestehen der Regierungsmiliz PDF, die mit der regulären Armee verbunden ist. Die Rebellen griffen gezielt Frauen an, um den Regierungstruppen die Vergewaltigungen anzulasten.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich "äußerst besorgt" über Berichte von neuen Gewalttaten in der westsudanesischen Krisenregion Darfur gezeigt. Mit der Verschleppung von 18 Menschen durch die Rebellen und der Mobilisierung von tausenden arabischen Milizonären riskierten beide Seiten eine neue Welle der Gewalt, der tausende Zivilisten zum Opfer fallen könnten, erklärte Annans Büro am 2. Nov. in New York. Die sudanesische Regierung sei dringend dazu aufgerufen, die zwangsweise Verlegung von Flüchtlingen "sofort" zu unterlassen.
  • Sudanesische Sicherheitskräfte haben nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 7.000 Flüchtlinge gewaltsam umgesiedelt. Ein Flüchtlingslager im Süden Darfurs sei jetzt menschenleer, die Hütten wurden zerstört, sagte ein UN-Sprecher am 3. Nov. in Khartum. Während der Umsiedlung sei einigen Hilfsorganisationen der Zugang zu dem Lager verweigert worden. Die sudanesische Regierung äußerte sich zunächst nicht dazu. UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte die nächtliche Aktion. Khartum habe gegen Menschenrechte verstoßen.
  • Die Vereinten Nationen fürchten das Abgleiten der westsudanesischen Konfliktregion Darfur in die Anarchie. In der Region drohten "Anarchie und der völlige Zusammenbruch von Recht und Ordnung", erklärte der UN-Sonderbeauftragte für Darfur, Jan Pronk, am 4. Nov. vor dem Sicherheitsrat in New York. An immer neuen Orten gebe es Kämpfe, die verfeindeten Parteien provozierten einander, die Milizen rüsteten auf.
  • Großbritannien hat dem UN-Sicherheitsrat am 5. Nov. einen Resolutionsentwurf unterbreitet, der ein Friedensabkommen für Sudan und eine Beilegung des Konflikts in der westsudanesischen Krisenregion Darfur vorsieht. Darin werden für den Fall der Nicht-Befolgung früherer Resolutionen des UN-Sicherheitsrats nicht näher definierte "dringende Maßnahmen" angekündigt. In seiner letzten Darfur-Resolution hatte der UN-Sicherheitsrat mit Sanktionen gegen die für Sudan lebenswichtige Erdölindustrie gedroht.
  • Die erweiterte afrikanische Friedensmission in Darfur hat mit der Stationierung ihrer Soldaten begonnen. Mehrere Hubschrauber flogen am 6. Nov. ruandische Soldaten in kleinere Orte der westsudanesischen Krisenregion. In den kommenden Tagen sollen etwa 360 Soldaten in Darfur stationiert werden. Insgesamt soll die Mission bis Ende November etwa 3.300 Soldaten und Beobachter umfassen. Diese sollen nicht mehr nur die Militärbeobachter beschützen, sondern auch Zivilisten.
Montag, 8. November, bis Sonntag, 22. November
  • Die Regierung des Sudan hat sich einem Vermittler der Afrikanischen Union zufolge dem internationalen Druck gebeugt und am 9. Nov. zwei Friedensabkommen mit den Rebellen geschlossen. Nach wochenlangen Verhandlungen habe die Regierung ihren Widerstand gegen ein Flugverbot für Militärflugzeuge über der Krisenregion Darfur aufgegeben, teilte der Vermittler mit. Die Vereinbarungen mit den Rebellen umfassten Sicherheit und den Zugang für humanitäre Hilfe nach Darfur.
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hat von den Vereinten Nationen Sanktionen gegen den Sudan gefordert. Zwei Tage vor der UN-Sicherheitsratssitzung in Kenias Hauptstadt Nairobi forderte ai am 16. Nov. ein Waffenembargo gegen den Sudan, in dessen westlicher Provinz Darfur seit Monaten arabische Reitermilizen die schwarze Bevölkerung verfolgen. "Die unverantwortlichen Rüstungstransfers in den Sudan schüren Mord, Vergewaltigung und Vertreibung in Darfur", erklärte der ai-Rüstungsexperte Mathias John. Deshalb sei ein "verbindliches und rigoroses Waffenembargo" gegen das Land dringend erforderlich. Der Sicherheitsrat widmet sich bei seinem Treffen am 18. und 19. Nov. dem Darfur-Konflikt.
  • Das Bundeskabinett hat den Weg für weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr frei gemacht. Neben den auf dem Balkan, in Afghanistan, im Mittelmeer und am Horn von Afrika laufenden Missionen sollen deutsche Soldaten künftig auch die Afrikanische Union mit Transportflügen in die Krisenregion Darfur unterstützen können, beschloss das Kabinett am 17. Nov. in Berlin. Der Bundestag wird sich voraussichtlich am 26. November mit der Vorlage abschließend befassen. Am selben Tag soll das ebenfalls vom Kabinett beschlossene neue Bosnien-Mandat verabschiedet werden. Für die Hilfsflüge in den Sudan sollen zwei Transportflugzeuge vom Typ «Transall» abgestellt werden. Sie sollen Truppen der Afrikanischen Union (AU) in den Sudan bringen, ein Einsatz deutscher Soldaten vor Ort ist außer zur Eigensicherung ausgeschlossen. Für den Lufttransport sind bis zu 200 Soldaten geplant, die Kosten für die zunächst auf sechs Monate befristete Mission werden auf 6,75 Millionen Euro veranschlagt. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist Deutschland bereits mit der Afrikanischen Union im Gespräch, um konkrete Hilfswünsche aufzunehmen. Nachdem sich die Unruhen im Sudan fortgesetzt haben, hatte der Friedens- und Sicherheitsrat der AU die internationale Gemeinschaft um Hilfen gebeten. Dabei unterstützen die europäischen Staaten die Verlegung afrikanischer Truppen aus Nigeria, Ruanda, Gambia und Tansania. Angesichts fehlender Transportkapazitäten in Tansania dürfte der erste deutsche Einsatz diesen südostafrikanischen Staat betreffen.
  • Einen Tag vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Sudan hat das UN-Kinderhilfswerk UNICEF zu mehr Schutz und Hilfe für die Kinder in der Krisenregion Darfur aufgerufen. "Die Lage der Kinder in Darfur wird immer verzweifelter. Die Gräueltaten gegen Mädchen und Frauen müssen sofort aufhören. Alle Konfliktparteien müssen für die Folgen ihres Handelns verantwortlich gemacht werden", sagte die Leiterin von UNICEF Sudan, JoAnna Van Gerpen, am 17. Nov. in Berlin.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Konfliktparteien im Sudan aufgefordert, bis Jahresende ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Das würde zu einer neuen Koalitionsregierung in Khartum führen und eine Lösung für die Krisenregion Darfur sein. Das sagte Annan auf der Sitzung des UN- Sicherheitsrats in Nairobi am 18. Nov. Es ist erst das vierte Mal, dass sich der Rat nicht in New York trifft. Sudans Vizeminister und der Rebellenführer bekräftigten ihren Willen zu einem Friedensabkommen.
  • Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, ein umfassendes Waffenembargo gegen den Sudan zu beschließen. Angesichts der "dramatischen" Lage im westsudanesischen Krisengebiet Darfur erwarte sie, dass der Sicherheitsrat bei seiner Sitzung in Nairobi ein klares Zeichen setze, erklärte die Ministerin am 18. Nov. in Berlin. Diejenigen Staaten, die sich bislang gegen eine schärfere UN-Resolution gestellt hätten, müssten ihre Haltung ändern.
  • Die sudanesische Regierung und die größte südsudanesische Rebellengruppe SPLA haben sich in der kenianischen Hauptstadt Nairobi auf einen Friedensschluss bis Ende dieses Jahres geeinigt. Beide Seiten unterzeichneten am 19. Nov. eine Erklärung, in dem ein solches Abkommen für "spätestens 31. Dezember" angekündigt wird. Staatsminister Jahia Hussein Babikar und SPLA-Delegationsleiter Nhial Deng Nhial unterzeichneten die Absichtserklärung vor dem in Nairobi tagenden UN-Sicherheitsrat.
    Wie erwartet verabschiedete der UN-Sicherheitsrat im Anschluss eine Resolution, in der er die Konfliktparteien auffordert, sich für einen "dauerhaften Frieden und Stabilität" im Sudan einzusetzen. Beide Seiten müssten "jegliche Gewalt und alle Angriffe beenden". Die Resolution stellt dem Sudan zudem internationale Hilfe in Aussicht, sobald das Friedensabkommen offiziell vereinbart ist. - Der Sicherheitsrat wollte mit einer Sitzung in Kenia den Druck zur Lösung des seit mehr als 20 Jahren währenden Bürgerkriegs im Sudan erhöhen. Auch die Lage in der westsudanesischen Krisenregion Darfur war Thema des Treffens.
  • Die Hilfsorganisation Oxfam hat dem UN-Sicherheitsrat Schwäche und Untätigkeit im Umgang mit der Krise in der westsudanesischen Unruheprovinz Darfur vorgeworfen. Statt mit konkreten Maßnahmen auf die Sitution in Darfur zu reagieren, habe sich der UN-Sicherheitsrat nur in der Lage gesehen, die "Befolgung" seiner Forderungen durch künftige Resolutionen "zu überwachen", erklärte Oxfam am 19. Nov. in Nairobi. Die zuvor vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution sei "schwach"; der Rat verdiene eine "Ohrfeige" dafür.
  • Nach einem für Ende des Jahres erwarteten Friedensschluss für den Süden des Sudan werden die Vereinten Nationen dort "mehrere tausend" Blauhelme stationieren. Der Sudan-Beauftragte der UNO, Jan Pronk, gab ihre Zahl am 21. Nov. mit "wahrscheinlich 7000" an. Sie sollten aus mehreren Ländern kommen. Ihre Mission solle einen Monat nach dem Friedensschluss beginnen, ihre Aufgabe sei die Überwachung des Abkommens, sagte Pronk in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.
Montag, 22. November, bis Sonntag, 28. November
  • Die größte Rebellengruppe im Südsudan hat die angekündigte Stationierung von UN-Blauhelmsoldaten in der Krisenregion begrüßt. "Das sind gute Nachrichten", sagte der Sprecher der SPLA, George Garang, am 22. Nov. der Nachrichtenagentur AFP. Die Stationierung werde viel dazu beitragen, den Frieden im Südsudan wieder herzustellen. Garang fügte hinzu, die Soldaten würden nach einem Abzug der sudanesischen Armee aus dem Südsudan unter anderem eine Pufferzone zwischen dem Süden und dem Norden des Landes überwachen.
  • Wenige Tage nach Friedensversprechungen sind im sudanesischen Darfur Dutzende Nothelfer vor Bomben der Armee geflohen. Eine Bombe sei etwa 50 Meter von einer Verteilstelle für Lebensmittel eingeschlagen, berichtet die britische Hilfsorganisation Save the Children am 23. Nov. Die Helfer wurden mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht. In dem Dorf Tawillah leben etwa 30.000 Flüchtlinge. Am Vortag waren Gefechte zwischen Rebellen und Regierungstruppen ausgebrochen.
  • Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Danforth, hat am 23. Nov. seinem Frust über das Abstimmungsverhalten der Vereinten Nationen zum Sudan deutlich Luft verschafft. Kurz zuvor hatte die UN-Vollversammlung beschlossen, ihr Votum über einen Resolutionsentwurf zur Menschenrechtslage in der westsudanesischen Krisenregion Darfur auf den 24. Nov. zu verschieben; nach Angaben von Diplomaten besteht kaum Aussicht, dass die Entschließung verabschiedet wird, in der die Menschenrechtsverletzungen in Darfur angeprangert werden. Ein sichtlich verärgerter Danforth warf daraufhin der Vollversammlung Untätigkeit vor.
  • Die sudanesische Regierung hat nach Angaben des staatlichen sudanesischen Fernsehens am 24. Nov. den deutschen Botschafter in Khartum einbestellt, um gegen den geplanten Bundeswehreinsatz im Sudan zu protestieren. Der sudanesische Vize-Außenminister Nagib el Cheir Abdel Wahab habe dem deutschen Diplomaten gegenüber betont, dass es "in der Verantwortung der sudanesischen Regierung liegt, für Frieden zu sorgen und die Bevölkerung zu schützen", berichtete das sudanesische Fernsehen am 24. Nov. Dies sei "eine Frage der Souveränität", zitierte das Fernsehen den Politiker weiter. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin konnte den Bericht nicht bestätigen.
  • Die Debatte und die Entscheidung im Bundestag über den geplanten Sudan-Einsatz der Bundeswehr sind am 26. Nov. überraschend abgesetzt worden. Der Hintergrund dieser Entscheidung war zunächst unklar. Geplant war, die internationale Friedensmission in der sudanesischen Krisenregion Darfur mit Hilfe der Bundeswehr logistisch zu unterstützen. Zwei deutsche Transall-Flugzeuge sollten Truppen der Afrikanischen Union (AU) nach Darfur transportieren. Aus Fraktionskreisen der Grünen hieß es, im Einvernehmen mit allen Fraktionen im Bundestag sei die Abstimmung auf die nächste Woche verschoben worden. Hintergrund sei, dass es Einwände aus dem Sudan an dem Einsatz gebe, die noch in Ruhe geprüft werden müssten.
    [Anmerkung des Chronisten: Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sich die Abgeordneten vom Protest der Friedensbewegung haben beeinflussen lassen, eine Lehre sollte das Debakel für die Regierung schon sein: Man kann nicht mal eben in Kolonialherrenmanier einen Militäreinsatz in einem Land der Dritten Welt befehlen. Die UN-Resolution zum Sudan (Res. 1574: englisch und in einer deutschen Übersetzung) sieht eine militärische Unterstützung von Hilfsmaßnahmen nur vor, wenn der betroffene Staat in Form seiner Regierung, sein Einverständnis erklärt hat.]
  • In Kenia sind am 26. Nov. Vertreter von Regierung und Rebellen zu einer letzten Runde der Sudan-Friedensgespräche zusammengekommen. Der kenianische Vermittler Lazarus Sumbeiywo sagte am Rande des Treffens in der Stadt Naivasha, bis zum 31. Dezember müsse ein Abschluss erreicht werden. Die Vorbereitungen für den Entwurf des Friedensabkommens würden nun beginnen. "Es ist noch viel Arbeit zu erledigen", sagte Sumbeiywo. Die größte südsudanesische Rebellengruppe SPLM/A erklärte sich mit der Frist bis Ende Dezember einverstanden und appellierte an die Regierung, dies ebenfalls zu akzeptieren.
  • In der westsudanesischen Krisenregion Darfur sind nach Rebellenangaben 16 Dorfbewohner von arabischen Dschandschawid-Milizen ermordet worden. Die Dschandschawid hätten am 27. Nov. ein Dorf im Westen der Region überfallen und 16 Menschen getötet, darunter vier Frauen und zwei Kinder, sagte ein Sprecher der Rebellengruppe Sudanesische Befreiungsbewegung (SLM) der Nachrichtenagentur AFP. Ziel der Milizen sei es, die Bevölkerung zu "terrorisieren und aus der Region zu verjagen". Die SLM habe Beobachter der Afrikanischen Union (AU) alarmiert, um diesen Verstoß gegen den vereinbarten Waffenstillstand festzustellen. Die Leichen der Opfer sollten nicht bestattet werden, bevor die Beobachter vor Ort einträfen, sagte der Sprecher.
  • Der EU-Kommissar für Entwicklungshilfe, Louis Michel, hat die Verstöße gegen den Waffenstillstand in der westsudanesischen Provinz Darfur scharf kritisiert. "Die täglichen Verletzungen des Abkommens von Abuja müssen aufhören", erklärte Michel am 27. Nov. in Darfurs Provinzhauptstadt Nyala. Die Lage habe sich "derart verschlechtert", dass Hilfsorganisationen die Region "verlassen mussten". Michel besuchte das rund 17 Kilometer von Nyala entfernte Flüchtlingslager Kalma. In dem Lager leben rund 80.000 Menschen.
  • Die Europäische Union stellt dem Sudan weitere 51 Millionen Euro an humanitärer Hilfe zur Verfügung. Mindestens 31 Millionen Euro sind für die Bürgerkriegsopfer in der westsudanesischen Region Darfur bestimmt, wie aus einer in Khartum am 28. Nov. veröffentlichten EU-Erklärung hervorgeht. Mit dem Großteil des Geldes sollen für die Menschen dort Nahrung, Unterkunft und Medikamente bezahlt werden. Die in diesem Jahr von der EU an den Sudan geleistete Hilfe steigt damit auf mehr als 248 Millionen Euro, allein für die Kriseneregion Darfur wurden 215 Millionen Euro bereit gestellt. Derzeit hält sich der EU-Kommissar für Entwicklungshilfe, Louis Michel, im Sudan auf.
Montag, 29. November, bis Dienstag, 30. November
  • Die Regierung des Sudan hat am 29. Nov. die Chefs von zwei britischen Hilfsorganisationen des Landes verwiesen. Die Chefs von Oxfam und Save the Children seien zu "unerwünschten Personen" erklärt worden und hätten 48 Stunden Zeit, das Land zu verlassen, schrieb der für die Hilfsorganisationen zuständige Regierungsverantwortliche Abdel Chalik el Hussein in einem Brief an die Organisationen. Oxfam und Save the Children hätten "den Rahmen der Hilfe und die Gesetze des Landes" überschritten, wonach "humanitäre Hilfe nicht an politische Fragen rühren" dürfe, hieß es zur Begründung in dem Brief.
  • Die Vereinten Nationen (UNO) haben die internationale Gemeinschaft aufgerufen, 1,5 Milliarden Dollar (1,13 Milliarden Euro) für den Sudan aufzubringen. Damit sollten humanitäre Hilfen und Entwicklungsprogramme finanziert werden, sagte der Sudan-Beauftragte der UNO, Jan Pronk, am 30. Nov. in Genf. Mit dem Geld solle ein "Arbeitsprogramm" finanziert werden, das die UNO gemeinsam mit der sudanesischen Regierung und der größten südsudanesischen Rebellengruppe SPLA vereinbart habe. Mehr als 600 Millionen Dollar (452,1 Millionen Euro) seien für die die Krisenregion Darfur gedacht.


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