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"Im Sudan geht es auch um das Öl, mit allen innerstaatlichen und außerstaatlichen Implikationen"

Der Bundestag debattierte und entschied über einen Bundeswehreinsatz im Sudan - Viel Eintracht, aber auch offene Worte. Reden im Wortlaut

Am 22. April debattierte der Bundestag über einen von der Bundesregierung beantragten Einsatz von 75 Bundeswehrangehörigen im Süden des Sudan. Vorausgegangen war ein Mandat des UN-Sicherheitsrats (siehe Resolution 1590 (2005)). Es war wieder einmal eine Debatte, die diesen Namen kaum verdient. Die Einigkeit zwischen den etablierten Parteien SPD, Grüne, CDU/CSU und FDP drückte sich darin aus, dass es bei den reden sehr häufig Beifall aus allen Fraktionen gab. Mit großer Einmütigkeit wurde schließlich der Antrag der Bundesregierung verabschiedet: Es gab nur drei Gegenstimmen und 10 Enthaltungen (darunter diesmal auch die beiden PDS-Abgeordneten, die sonst bei vergleichbaren Anträge in der Vergangenheit meist dagegen gestimmt hatten). Unterschiedliche Standpunkte kamen eigentlich nur in der Frage auf, wie man sich zu einer evtl. Ausweitung des Mandats auf die Krisenregion Darfur im Westen des Sudan stellen sollte.
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus den Diskussionsbeiträgen aller Fraktionen. Wir verzichten auf die Wiedergabe der Beifallskundgebungen und Zwischenrufe (die es kaum gab).
Gesprochen haben (in dieser Reihenfolge:

Für die Debatte war eine Dreiviertelstunde vorgesehen.
Der mit großer Mehrheit angenommene Antrag der Bundesregierung befindet sich als pdf-Datei ebenfalls auf unserer Website: "Beteiligung deutscher Streitkräfte ..."




Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung

Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen in Sudan UNMIS (United Nations Mission in Sudan) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. März 2005

Brigitte Wimmer (Karlsruhe) (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach jahrelangen Vermittlungsversuchen der internationalen Gemeinschaft unterzeichneten die sudanesische Regierung und die Südsudanesische Volksbefreiungsbewegung, SPLM/A, am 9. Januar 2005 in Nairobi einen Friedensvertrag. Mit diesem Friedensvertrag wurde der jahrzehntelange schreckliche Bürgerkrieg zwischen der sudanesischen Regierung und den Rebellen formell beendet. Dieser mehr als 20-jährige Krieg hat circa 2 Millionen Menschen das Leben gekostet und 4 Millionen Menschen zu Binnenvertriebenen bzw. Flüchtlingen gemacht.

Das Friedensabkommen zwischen sudanesischer Regierung und SPLM/A sieht vor, dass die sudanesischen Streitkräfte innerhalb von zweieinhalb Jahren aus dem Gebiet des Südsudans abziehen. Die SPLM/A hat sich verpflichtet, innerhalb eines Jahres aus den Gebieten der Nubaberge und des Südlichen Blauen Nils abzuziehen. Außerdem müssen die zahlreichen Milizenverbände innerhalb eines Jahres entweder entwaffnet oder in die sudanesische Armee oder in die SPLM/A eingegliedert werden. Nach einer sechsjährigen Übergangsperiode, die im Juli 2005 beginnen soll, ist für 2011 ein Referendum der Bevölkerung des Südsudans über den Verbleib in einem Gesamtsudan vorgesehen.

Durch den Friedensschluss, für dessen Zustandekommen wir von Bundestag und Bundesregierung uns immer eingesetzt haben, besteht ein Ansatz für eine friedliche Entwicklung im gesamten Sudan und – was auch wichtig ist – für die Rückkehr der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen.

Die Umsetzung des Friedensabkommens wird in hohem Maße davon abhängen, wie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft gelingt. Von der Präsenz einer internationalen Friedenstruppe erhoffen wir uns insbesondere eine positive Wirkung auf die im Sudan bestehenden anderen Konflikte.

Wir diskutieren heute über die Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten in den Südsudan, nicht aber – das unterstreiche ich ausdrücklich – nach Darfur. Allerdings vergessen wir auch die Menschen in Darfur, die unter einer schrecklichen Situation, einer schrecklichen Bedrohung und schrecklicher Gewalt leiden müssen, heute Morgen nicht.

Von einem erfolgreichen Friedensprozess im Südsudan kann eine positive Wirkung auf den Konflikt in Darfur ausgehen. Ich erinnere daran, dass die Bundesregierung ihr Engagement im Sudan angesichts der dramatischen Situation in Darfur erheblich ausgeweitet hat und sich immer wieder für eine Beendigung des Darfurkonflikts und anderer schwelender Konflikte einsetzt.

Insbesondere hat sie die in Darfur tätige Überwachungsmission der Afrikanischen Union, AMIS, finanziell, politisch und materiell sowie im Dezember 2004 durch einen von der Bundeswehr durchgeführten Transport gambischer Soldaten nach Darfur unterstützt.

Auch die Aufgabe von UNMIS ist es, Beratungs- und Unterstützungsleistungen für AMIS zu erbringen, um die Koordinierung zwischen beiden Missionen zu erleichtern. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird mit der Resolution aufgefordert, bis zum 23. April dieses Jahres zu berichten, auf welche Weise dies geschehen kann. Operative Einsätze von UNMIS in Darfur sind nicht vorgesehen. Ich halte es für ausgesprochen klug, dass diese Verbindung durch die Resolution der Vereinten Nationen und den Antrag der Bundesregierung hergestellt wird. Das macht einerseits deutlich, dass wir den Friedensvertrag für den Südsudan unterstützen und zum Erfolg führen wollen, und andererseits, dass wir im Rahmen von AMIS die Anstrengungen der Afrikanischen Union unterstützen, im Darfurkonflikt selbst Verantwortung zu übernehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist noch ein weiter Weg, bis im Sudan tatsächlich Frieden herrscht. Dort gibt es fast nichts. Der Süden ist noch nie entwickelt worden. Das wenige, das vorhanden war, ist zerstört, die Siedlungen ebenso wie Brunnen und Brücken. Es gibt kaum sauberes Trinkwasser, keine Schulen und keine Kliniken. Arbeitsgeräte für die Landwirtschaft fehlen. Was es allerdings überreichlich gibt, sind Minen. Niemand weiß ganz genau, wo sie liegen. Daher drängt das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge darauf, dass die Flüchtlinge langsam zurückkehren. Außerdem hat der UNO-Generalsekretär darauf hingewiesen, dass innerhalb der nächsten zwei Wochen 2 Millionen Menschen im Südsudan auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind.

Es ist gut, dass auf der Geberkonferenz in Oslo mehr als 2 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe zugesagt wurden. Auch wir beteiligen uns an dieser Hilfe. Ich unterstütze aber ausdrücklich die Aussagen von Frau Staatsministerin Müller und von Frau Wieczorek-Zeul, dass wir diese Mittel nicht der Regierung in Khartoum, sondern Hilfsorganisationen zukommen lassen.

Solange in Khartoum eine solche Politik betrieben wird, wie es gegenwärtig der Fall ist, können wir dorthin keine finanziellen Mittel schicken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem heutigen Beschluss senden wir bis zu 75 Soldatinnen und Soldaten, vor allem als Militärbeobachter, in den Einsatz im Sudan. Das tun wir in der Hoffnung, dadurch einen Beitrag zu leisten, den Friedensvertrag abzusichern und mitzuhelfen, dass für die Menschen im Sudan nach 20 Jahren des Bürgerkriegs eine erfahrbare friedliche Entwicklung möglich wird. Wir wissen, dass diese Entscheidung trotz aller Unterstützung auf dem Prinzip Hoffnung beruht und nicht ohne Risiko ist.

Ich schließe mit dem herzlichen Wunsch, dass alle zu entsendenden Soldatinnen und Soldaten ihre Arbeit so leisten können, wie es notwendig ist, und dass sie vor allem wohlbehalten und gesund wieder zu uns zurückkehren.

Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Friedensabkommen von Nairobi vom 9. Januar dieses Jahres wurde der älteste und einer der blutigsten Bürgerkriege in Afrika beendet. Der Vertrag zwischen der sudanesischen Regierung und der südsudanesischen SPLM/A, der Befreiungsarmee, sieht verschiedene Stufen vor: Wir haben jetzt einen Waffenstillstand; der Friedensprozess kann damit erst beginnen. In der ersten Phase, die bis Juli geht, sollen die Truppen entflochten werden; die Milizen werden entwaffnet und teilweise in reguläre Armeeverbände überführt. Wir haben bis jetzt sehr wenig Überblick darüber, wie weit das geschehen ist. Es ist aber Voraussetzung, dass dies bis zum Juli durchgeführt wird, damit in der sechsjährigen Übergangsphase, die Anfang Juli beginnen soll, eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden kann. Die SPLM/A-Vertreter gehen in die Zentralregierung in Khartoum. Nach drei Jahren, also nach der Hälfte der Übergangszeit, sind Wahlen vorgesehen. Es ist erforderlich, sofort mit der Vorbereitung dieser Wahlen zu beginnen; denn es wäre ein verheerendes Signal, wenn unter den Augen einer UN-Mission im Sudan in drei Jahren Wahlen stattfänden, deren Legitimität ähnlich zweifelhaft wäre, wie wir es zuletzt in Simbabwe und leider auch in anderen afrikanischen Staaten erlebt haben. 2011, am Ende der Übergangsfrist – Frau Kollegin Wimmer hat es gesagt –, soll im Süden darüber abgestimmt werden, ob er im Sudan verbleibt oder einen eigenen Staat bildet.

Die Vertragspartner des Nairobier Abkommens haben heute völlig unterschiedliche politische Vorstellungen darüber, was nach 2011 geschehen soll. Der Chef der Rebellenorganisation, John Garang, wird Mitglied der Regierung in Khartoum. Er wird voraussichtlich auch bei den Wahlen in drei Jahren antreten und könnte sich vorstellen, Staatspräsident eines integren Gesamtsudans zu werden. Seine Stellvertreter und die übrige Führungsschicht der SPLM/A erklären aber bis zum heutigen Tage, dass es das ausschließliche Ziel dieser Übergangsfrist sein kann, am Ende einen unabhängigen Staat zu haben. Deswegen wird es ganz erheblich darauf ankommen, wie dieser Prozess in den nächsten Jahren gestaltet wird. Es ist ein Präzedenzfall für Gesamtafrika. In dem Friedensabkommen steht nämlich, dass in dieser Übergangszeit die Rebellen im Süden dort die Verantwortung für die Verwaltung übernehmen. Es kommt jetzt darauf an, dass diese Zeit genutzt wird, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.

Das Friedensabkommen ist unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft zustande gekommen. Jetzt muss die internationale Gemeinschaft auch helfen, dass sich die Standards wesentlich verbessern, dass eine funktionierende Verwaltung aufgebaut wird, dass eine funktionierende Justiz entsteht, dass die Infrastruktur verbessert wird, dass die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung ohne permanente Nothilfe gewährleistet werden kann. Bei der Geberkonferenz, die kürzlich in Oslo stattgefunden hat, hat sich die internationale Gemeinschaft auf die Instrumente der hergebrachten Finanzhilfe beschränkt. Das wird nicht ausreichen, um den politischen Prozess in den nächsten Jahren erfolgreich zu begleiten.

Da die neue Regierung für das gesamte Land zuständig ist, ist es logischerweise konsequent, dass sich auch das Mandat der Vereinten Nationen, mit dem die Umsetzung des Friedensabkommens unterstützt werden soll, auf das ganze Land erstreckt. Die neue Regierung der nationalen Einheit muss auch das Problem in Darfur bewältigen. Deswegen ist es richtig, dass in dem Mandat der Vereinten Nationen und in dem Antrag der Bundesregierung auch eine Unterstützung für die AMIS-Mission in Darfur explizit genannt wird. Die Bundesregierung hat gesagt, das mandatierte Gebiet sei der gesamte Sudan und das Einsatzgebiet sei das durch den Nord-Süd-Konflikt betroffene Territorium. Sie hat uns noch einmal versichert, die Obleute des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses vorab zu unterrichten, wenn Soldaten außerhalb des Schwerpunktgebietes des UNMIS-Einsatzes tätig werden sollen. Gleichzeitig sichert sie uns zu, dass sie einem solchen Einsatz nicht zustimmen werde, wenn es erhebliche Bedenken im Kreise der Obleute und der Vorsitzenden der Ausschüsse gebe. Wir halten das ausdrücklich für richtig und begrüßen diese Protokollnotiz.

Die AMIS-Mission, die wir mandatiert haben, hat bisher sehr schwache Ergebnisse gezeigt. Wir haben uns alle gewünscht, dass die Afrikanische Union nicht das gleiche Schicksal erleidet wie vorher die OAU und dass sie bei Menschenrechtsverletzungen und schweren humanitären Katastrophen eingreift. Sie ist dazu bisher nur sehr unzulänglich in der Lage. Im Rahmen des von uns erteilten Mandates hat die Bundeswehr bisher einen Transportflug durchgeführt und dabei 196 gambische Soldaten transportiert. Es wird in den nächsten Jahren auch darauf ankommen, ob die Gemeinschaft der afrikanischen Staaten in der Lage ist, Konflikte auf ihrem Kontinent mit regionalen Mitteln zu lösen. Auch dabei müssen wir sie unterstützen.

Wir haben ein humanitäres Interesse daran, dass der Friedensprozess im Sudan friedlich verläuft. Wir haben aber auch ein Sicherheitsinteresse. Der Sudan liegt am Seeweg zwischen Europa und dem südlichen und östlichen Asien, also an einer strategisch ganz entscheidenden Verkehrsverbindung. Wenn dort ein zerfallener Staat entstünde – ähnlich wie in Somalia –, dann hätte das auf unsere Versorgungssicherheit, angesichts des Terrorismusproblems aber auch auf die Gesamtsicherheit der Europäer erhebliche Auswirkungen. Wir wünschen uns deshalb, dass es im Sudan künftig nicht nur eine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und der neuen Regierung im Sudan gibt, sondern dass auch die Europäische Union dort stärker sichtbar wird. Der jetzt entstehende europäische diplomatische Dienst muss gerade in den Regionen der Welt, in denen es gesamteuropäische Interessen gibt, stärker operativ tätig und sichtbar werden.

Angesichts der Laufzeit des Friedensvertrages ist dort mit einem sehr langen Einsatz zu rechnen. Wir stimmen der Mandatierung des Einsatzes auf zunächst sechs Monate zu und unterstützen die Bundesregierung auch bei der politischen Begleitung dieser militärischen Mission.

Vielen Dank.

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

(...) Durch UNMIS soll die Einhaltung des am 9. Januar dieses Jahres in Nairobi beschlossenen Friedensvertrages zwischen Nord- und Südsudan überwacht werden. Dieser Friedensvertrag ist in der Tat ein historischer Schritt. Durch ihn wird einer der längsten und blutigsten Bürgerkriege Afrikas beendet. Ich bin im Februar im Südsudan gewesen. Man kann nur sagen, dass die Menschen dort nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges wirklich bei null anfangen. Es fehlt an allem: Infrastruktur, Schulen und Gesundheitsversorgung. Die Menschen hoffen, dass es gelingt, den Frieden zu sichern. Sie erwarten nach einem so langen Krieg, den sie durchlitten haben, die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

Wir haben ein Interesse und eine Verantwortung, diesen Frieden zu stabilisieren. Dazu ist eben nicht nur der Wiederaufbau nötig, sondern auch die Überwachung des Friedensvertrages durch die Vereinten Nationen. Eine Sicherung des Friedens im Südsudan ist nicht nur wegen der Menschen im Süden wichtig, die einen der schlimmsten Bürgerkriege durchlitten haben, sondern sie ist auch im Hinblick auf die anderen Krisen im Sudan entscheidend, vor allem in Darfur.

Ich will das einmal erläutern: Dieses umfassende Friedensabkommen, das viele Bereiche regelt, ist wirklich eine gute Grundlage für eine politische Lösung auch anderer Krisen im Sudan, vor allen Dingen in Darfur. Wenn es also gelingt, diesen Frieden zu sichern, wird dies mit Sicherheit eine Signalwirkung auf die anderen Krisen im Sudan haben. Das heißt, die Mission der Vereinten Nationen spielt damit für die Zukunft dieses Landes insgesamt eine wichtige Rolle.

Trotz dieses wichtigen Schritts wird es einen Frieden im gesamten Sudan erst dann geben, wenn auch die anderen Krisen gelöst sind, allen voran die in Darfur. Dort wird immer noch gemordet und vertrieben, Frauen und Mädchen werden vergewaltigt. Die Bundesregierung setzt sich seit langem auf allen Ebenen der internationalen Politik für ein Ende der Gewalt in Darfur ein.

Während unserer Präsidentschaft im Sicherheitsrat haben wir das Thema Darfur auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben seit langem die Verhängung von Sanktionen gegen Kriegsverbrecher und ein Ende der Straflosigkeit durch die Überweisung der Verbrecher an den Internationalen Strafgerichtshof gefordert. Ende März hat nun der Sicherheitsrat drei Resolutionen verabschiedet, die unsere Forderungen aufnehmen. Damit hat sich der Sicherheitsrat handlungsfähig gezeigt. Ich hoffe wirklich, dass es so gelingt, dem Frieden in Darfur näher zu kommen. Auch dort muss die Gewalt beendet werden. Auch dort brauchen wir eine politische Lösung.
(...)
Die UN-Mission UNMIS soll, wie gesagt, das Nairobi-Friedensabkommen zwischen Nord- und Südsudan überwachen und ist daher eine klassische Beobachtermission. Die VN-Beobachter werden durch eine Schutztruppe mit Zwangsbefugnissen geschützt. Darüber hinaus soll die Schutztruppe den Schutz des UN-Personals, der vor Ort tätigen Hilfsorganisationen sowie der direkt von Gewalt bedrohten Zivilbevölkerung sicherstellen. Die militärische Komponente von UNMIS umfasst circa 10 000 Soldaten, einschließlich 750 Militärbeobachtern. Daneben sollen auch zivile Anteile, einschließlich 700 Polizisten, beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen zum Einsatz kommen.

Der Kabinettsbeschluss vom 13. April dieses Jahres sieht eine Entsendung von bis zu 75 deutschen Soldaten in die UN-Mission vor. Die deutschen Soldaten sind im Wesentlichen für die Wahrnehmung von Militärbeobachteraufgaben und die Verwendung in UNMIS-Stäben und Hauptquartieren vorgesehen. Das operative Einsatzgebiet umfasst den Süden des Sudans, die Hauptstadt Khartoum sowie die Region um Kassala im Osten. Das Mandat ist zunächst bis zum 24. September 2005 befristet.

Ich will sehr deutlich sagen – wir haben das in den Ausschüssen ausführlich diskutiert –: UNMIS hat keine operativen Befugnisse in Darfur, da diese Region nicht Bestandteil des Nord-Süd-Friedensabkommens ist. Mit der Beobachtung der Lage in Darfur wurde die Afrikanische Union durch die Resolution 1556 des Sicherheitsrates beauftragt. Im Einzelfall können VN-Experten von UNMIS zum Zwecke von Beratungs- und Verbindungsaufgaben bei der Darfur-Mission der AU eingesetzt werden. Das kann auch deutsche Soldaten betreffen. Deshalb hat die Bundesregierung in den Ausschüssen zugesichert: Sollten deutsche Soldaten außerhalb des Schwerpunktgebietes des UNMIS-Einsatzes tätig werden, so wird die Bundesregierung die Obleute des Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschusses dieses Hauses vorab unterrichten. Sie wird einem solchen Einsatz nicht zustimmen, wenn es im Kreise der Obleute und der Vorsitzenden dieser Ausschüsse erhebliche Bedenken gibt. (...)

Ulrich Heinrich (FDP):

(...) In unserer heutigen Debatte geht es darum, die Voraussetzungen zu schaffen, diesen Friedensvertrag zu sichern, unterstützen und umsetzen zu helfen. Die Resolution 1590 des UN-Sicherheitsrats vom 24. März dieses Jahres ist die Grundlage dafür. Dabei wird der Entflechtung der sudanesischen Regierungstruppen und der südsudanesischen Befreiungsbewegung eine besondere Bedeutung zukommen. Aber vor allem soll die vollständige Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kämpfer erreicht werden, weil dies die Voraussetzung dafür ist, dass es überhaupt zu der Einhaltung des Friedensvertrags kommt. Ebenso wird der Aufbau einer Zivilpolizei eine der Aufgaben der UNMIS sein.

Die Mission soll insgesamt 10 000 Soldaten umfassen. Dabei handelt es sich um einen kombinierten Einsatz mit einem Mandat nach Kapitel 6 und Kapitel 7 mit integrierten Kommandostrukturen aus Beobachter- und Schutztruppe. In diese Truppe sollen bis zu 75 deutsche Soldaten als Beobachter integriert werden. Leider umfasst das Mandat auch die Möglichkeit – verschiedene Redner sind schon darauf eingegangen –, UNMIS-Soldaten als Beobachter in die Krisenregion Darfur in den Westen des Sudans zu entsenden, die derzeit unter der von der Afrikanischen Union geleiteten Mission AMIS steht. Genau dies kritisieren wir. Dies haben wir auch in den Ausschüssen kritisiert. Dass es zu dieser Protokollerklärung gekommen ist, Frau Staatsministerin Müller, ist ganz sicherlich diesem Parlament zu verdanken.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Bundesregierung keinen Spielraum hat, das Mandat des UN-Sicherheitsrates unterschiedlich auszulegen. Aus diesem Grund war für uns, für die FDP-Fraktion, die Protokollnotiz die Grundlage und Voraussetzung für eine Zustimmung zu diesem Einsatz. Die FDP unterstützt generell den Antrag zur Entsendung von Bundeswehrsoldaten als Beobachter, spricht sich aber energisch gegen einen Automatismus aus, der, wie von Ihnen, Herr Bundesverteidigungsminister Struck, bereits mehrmals angedeutet wurde, in einen Kampfeinsatz in Darfur münden könnte. AMIS ist eine Mission der Afrikanischen Union. Wir sollten nicht über diese Hintertür versuchen, mit einer entsprechenden Beteiligung eine UN-Mission daraus zu machen.

Die AMIS-Mission ist die erste derartige Operation, die die AU eigenständig mit 3 000 afrikanischen Soldaten durchführt. Wir sollten der AU die Verantwortung lassen. Sie muss diese Mission auch in Zukunft selbstständig durchführen.

Wir in Deutschland und wir in der Europäischen Union sollten aber bereit sein, auf ausdrückliches Ersuchen der AU Hilfe in logistischer, beratender und beobachtender Funktion zu gewähren und so unseren Anteil beizutragen.

Ich habe bereits früher immer wieder die Bemühungen der AU unterstützt, die Probleme Afrikas eigenständig aufzugreifen und zu lösen, und die Meinung vertreten, dass nur dann Hilfe von außen gewährt werden sollte, wenn direkte logistische oder beratende Unterstützung benötigt wird, nach dem Motto: Afrika den Afrikanern. An diesen Grundsatz müssen wir uns hier ganz klar halten.

Deshalb möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass ein Kampfeinsatz deutscher Soldaten in Darfur nicht infrage kommt.

Dies gilt sowohl für den vorliegenden Beschluss 1590 des Sicherheitsrates als auch für einen eventuellen zukünftigen Beschluss, der im Sicherheitsrat gefasst werden könnte. Auch dann sind wir gegen einen Kampfeinsatz deutscher Soldaten. (...)

Dr. Peter Struck, Bundesminister der Verteidigung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zunächst zu einem völlig anderen Thema etwas zu sagen. Ich war gestern auf einem der beiden größten Schiffe der Bundeswehr, dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“, der auf der Fahrt in seinen Heimathafen Wilhelmshaven ist und heute um 10 Uhr dort anlegen wird. Dieses Schiff war fünf Monate im Einsatz, davon zwei am Horn von Afrika und drei vor Banda Aceh. Ich denke, dass ich auch in Ihrem Namen gesprochen habe, als ich gestern den Soldaten auf dem Schiff für ihren Einsatz gedankt habe, den sie für die Bevölkerung in Indonesien geleistet hat. Wir können stolz sein auf das, was unsere Soldatinnen und Soldaten leisten.

Herr Kollege Heinrich, Sie haben eben davon gesprochen, ich hätte Kampfeinsätze in Afrika geplant. Ich wüsste nicht, wo ich das gesagt hätte. Das ist ja auch Unsinn; darüber reden wir überhaupt nicht. Wir reden jetzt über den UN-Sicherheitsratsbeschluss und den Kabinettsbeschluss. Das Kabinett hat beschlossen, bis zu 75 Soldaten für diese Beobachtermission zur Verfügung zu stellen. Wir gehen davon aus, dass es im Wesentlichen bis zu 50 sein werden. Aber mit Blick auf Wechsel müssen wir natürlich eine gewisse Flexibilität haben; deshalb liegt die Obergrenze bei 75.

Diese Soldaten können bei Bedarf auch als Einzelexperten für Beratungs- und Verbindungsaufgaben, Herr Heinrich, im Rahmen der Darfur-Mission der Afrikanischen Union eingesetzt werden. Wir werden das auch tun. Eine derartige Unterstützung ist natürlich auch im Mandat der Vereinten Nationen vorgesehen. Sollte dieser Einsatz deutscher Soldaten erforderlich werden, das heißt, sollten wir in die Region Darfur, zum Beispiel nach al-Faschir, gehen, um Verbindungsaufgaben mit zu erfüllen, dann werden wir das nicht tun, bevor wir nicht die Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses informiert haben oder wenn es von Ihrer Seite erhebliche Bedenken gibt. Ich werde das nicht gegen Ihren Willen tun; das will ich hier deutlich festhalten.

Meine Damen und Herren, das UNMIS-Operationskonzept entspricht guten Erfahrungen aus anderen Einsätzen der Vereinten Nationen. Die Militärbeobachter sind unbewaffnet. Das war auch im Verteidigungsausschuss gerade ein Thema. Ihr Schutz wird durch die mit einem robusten Mandat versehenen Kräfte der Schutztruppe der 10 000 Soldaten aus den anderen Nationen gewährleistet. Die deutschen Soldaten in den Stäben, Hauptquartieren oder im Experteneinsatz werden natürlich – das ist üblich – auch mit entsprechender Selbstschutzausrüstung ausgestattet.

Wir haben schon über Darfur gesprochen. Die Vorrednerinnen und Vorredner haben es angesprochen: Die Lage bleibt dort weiterhin dramatisch. Von daher ist es richtig, dass die Vereinten Nationen die Koordinierung beider Operationen unterstützen wollen.

Das Bundestagsmandat zur Unterstützung von AMIS – bei uns stand es bisher konkret für Lufttransportunterstützung für Truppenverlegung afrikanischer Truppen nach Darfur – endet am 2. Juni. Wir haben im Dezember 2004 196 gambische Soldaten transportiert. Andere Staaten der EU haben ebenfalls Transportleistungen erbracht. Gegenwärtig gibt es keine weiteren Transportersuche. Durch einen Ausbau von AMIS durch die Afrikanische Union kann sich das jedoch deutlich ändern. Die Situation in Darfur – Kollegin Wimmer hat das ausgeführt – gibt Anlass zur Sorge. Die Truppe der Afrikanischen Union bedarf afrikanischer Verstärkung. Wir appellieren an alle afrikanischen Staaten, das angestrebte Ziel, über 3 000 Soldaten in Darfur zu stationieren, auch zu erreichen.

Wir hoffen, dass sich die Situation im Sommer ändern wird, dass es also mehr Transportersuche geben wird. Im Mai werde ich daher eine Verlängerung des Mandats für AMIS, also Lufttransportunterstützung, vorschlagen. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir nicht wegsehen dürfen, wenn auf diesem ohnehin benachteiligten und geschundenen Kontinent Menschen verfolgt und ermordet werden.

Das Mandat, das der Bundestag heute beschließen soll, wird für uns, für meine Bundeswehr nicht einfach werden. Mit sechseinhalb Jahren ist ein langer Zeitraum ins Auge gefasst worden. Außerdem ist die Entwicklung im Sudan überhaupt nicht vorhersehbar. Der Friedensvertrag kann sich als brüchig erweisen. Dem müssen wir im Rahmen der Vereinten Nationen entgegenwirken. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt die Chance nutzen, die dieser Friedensvertrag bietet. Ich appelliere deshalb an viele andere europäische Länder, sich noch stärker an UNMIS zu beteiligen, als das bisher geplant ist.

Mit bis zu 75 Militärbeobachtern stellen wir von allen europäischen Staaten das größte Kontingent. Andere, auch große Nationen jenseits des Atlantiks beteiligen sich an diesem Mandat überhaupt nicht. Es ist erforderlich, dass andere Länder ihre Bereitschaft erklären, in dem Maße zu helfen, wie wir es tun. Dieses Land, dieser Kontinent hat das verdient.

Zum Schluss bedanke ich mich bei allen Fraktionen des Deutschen Bundestages für die übereinstimmende Genehmigung dieses Mandats. (...)

Helmut Rauber (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Struck, der Beifall von unserer Seite hat gezeigt, dass auch wir uns bei den Soldaten bedanken, die nicht nur im Indischen Ozean, sondern in allen Krisenherden der Welt wesentlich auch zu unserer Sicherheit beitragen.

In den letzten Tagen hörte ich oft die Frage: Was sollen unsere Soldaten denn im Sudan? Anders ausgedrückt: Was geht uns Afrika an, ein Kontinent, auf dem laut einer Studie der Boston University nur 14 der 53 Länder als demokratisch einzustufen sind, der in Bürgerkrieg und Elend zu versinken droht und wo Korruption und die organisierte Kriminalität blühen.

Das Schicksal Afrikas ist in weiten Teilen auch unser Schicksal. Zonen der Instabilität und der Ordnungslosigkeit sind der Nährboden für den internationalen Terrorismus und die Gewalt an sich. In Afrika entspringende Migrationsströme reichen bis tief nach Europa. Deshalb lautet nicht von ungefähr der Kerngedanke der neuen NATO-Strategie, Konflikte auf Distanz zu halten.

Genau um dies geht es auch bei dieser UN-Mission, aber es geht um mehr. Nur ein wirtschaftlich stärkeres Afrika schafft attraktive Absatzmöglichkeiten für unsere Güter und Dienstleistungen. Nur stabile, auf demokratischen Grundsätzen beruhende Regierungen erlauben uns eine vernünftige und auch faire Nutzung der Rohstoffe. Im Sudan geht es auch um das Öl, mit allen innerstaatlichen und außerstaatlichen Implikationen. Auch der für uns so überlebensnotwendige Schutz der Ökosysteme und der Artenvielfalt lässt sich nur mit politisch und wirtschaftlich stabilen Nationen erreichen.

Trotz all dieser Gründe hat der Westen in den letzten Jahren weggeschaut, wenn sich grausame Völkermorde ereigneten. Der Sudan – das haben mehrere Vorredner schon betont – ist kein neuer Konfliktherd. Seit 1983 herrscht in diesem Land ein Bürgerkrieg, der 2 Millionen Menschen das Leben kostete und 4 Millionen Menschen zu Flüchtlingen machte. Ausgehandelte Waffenstillstandsabkommen wurden immer wieder als Durchbruch gefeiert und ebenso oft, wie sie geschlossen wurden, auch gebrochen. Die Trennungslinie verläuft zwischen dem christlichen Süden und dem muslimischen Norden bzw. – was Darfur anbelangt – zwischen schwarzafrikanischen und arabischen Bevölkerungsgruppen.

Als der Bürgerkrieg in Somalia 1993 18 amerikanische Soldaten das Leben kostete, hat der damalige amerikanische Präsident Bill Clinton der UNO geraten, zu lernen, Nein zu sagen. Es war diese Kultur der Zurückhaltung der Weltgemeinschaft, die Millionen von Menschen Tod und Elend brachte.

Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung hat für das letzte Jahr, also für 2004, 42 Kriege und bewaffnete Konflikte aufgelistet. Wir als Deutsche können weder den Weltpolizisten spielen noch können wir den Hunger in der Welt, der 850 Millionen Menschen quält, alleine besiegen. Wir dürfen aber auch nicht wegschauen. Bei AMIS und auch bei dieser Mission leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Wir brauchen unter dem Dach der UNO regionale Sicherungssysteme unter jeweils regionaler Beteiligung.

Wir stellen – das ist auch schon gesagt worden – bei dieser Mission keine Kampfsoldaten, sondern bis zu 75 Beobachtungssoldaten, die in erster Linie die Aufgabe haben, die Konfliktparteien zu trennen. Die Hauptlast, wie auch bei der vorangegangenen und parallel laufenden UN-Mission AMIS, trägt nicht der Westen, sondern – trotz aller Unzulänglichkeiten – Afrika. Es sind keine Hurra-Gefühle, mit denen wir diesem Einsatz zustimmen.

Die CDU/CSU hatte sich mit insgesamt 10 Fragen an die Bundesregierung gewandt, wobei der Schutz unserer Soldaten und die mögliche medizinische Versorgung in Notfällen im Vordergrund standen. Es gibt keinen Einsatz, der ungefährlich ist. Der Einsatz aller UN-Soldaten – das können wir bedauern oder auch nicht – erfolgt unbewaffnet. Deshalb müssen wir auf den Schutz der UNMIS vertrauen.

Dass unsere Soldaten von militärischen Kräften beider ehemaliger Konfliktparteien begleitet werden, erhöht ihre Sicherheit, wiewohl die Bundesregierung selbst eingesteht, dass unsere Beobachter durchaus zwischen die Fronten rivalisierender Gruppen geraten können. Wir gehen aber davon aus – darauf vertrauen wir –, dass sowohl die militärische wie auch die politische Führung alles tun, die Risiken zu minimieren und notfalls – wenn die Gefahr eskaliert – unsere Soldaten bzw. Beobachter abzuziehen.

Zur Sicherheit zählt auch ein System von flächendeckenden Sanitätseinrichtungen und flächendeckenden Regelungen zur Verwundetenevakuierung. Zudem können unsere Beobachter auf minengeschützte Fahrzeuge zurückgreifen. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte halten wir diesen Einsatz nicht für ungefährlich, aber unter dem Schutzaspekt für vertretbar.

Ich komme zu meiner Ausgangsfrage zurück: Was geht uns Afrika an? Bei Völkermorden mit all ihren schrecklichen Begleiterscheinungen wegzuschauen heißt, Partei für die Willkür des Starken zulasten der Hilflosen zu ergreifen. Dies ist weder eine christliche noch eine humanistische Grundhaltung. Weil wir nicht wegschauen, sondern vermutlich 50 Militärbeobachter in den Sudan senden – wir hoffen, dass sie alle heil zurückkehren –, stimmen wir dem vorliegenden Antrag zu.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Abgeordnete der PDS. Der Friedensvertrag vom 9. Januar 2005 zwischen der sudanesischen Regierung und der südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung ist ein kleiner Schritt zum Frieden. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg, der 2 Millionen Menschen das Leben gekostet und 4 Millionen zu Binnenvertriebenen bzw. Flüchtlingen gemacht hat, scheint ein Friede in Sicht.

Die UNO hat die Bundesregierung gebeten, sich an der UN-Mission im Sudan durch die Entsendung von Stabspersonal und Militärbeobachtern zu beteiligen. Die Bundesregierung will nach Kap. VI der UN-Charta bis zu 75 deutsche Soldaten im Rahmen der Mission UNMIS als Beobachter in den Sudan entsenden. Kernaufgabe von UNMIS ist es, für zunächst sechs Monate die Implementierung der Friedensvereinbarung von Nairobi zu überwachen und das Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kämpfer sowie UN-Programme in dieser Region zu unterstützen.

Wir als PDS haben uns schon im Jahre 2000 auf unserem Parteitag in Münster dafür ausgesprochen, friedliche Missionen der UNO nach Kap. VI zu unterstützen.

Wir haben uns immer gegen UN-mandatierte Militärinterventionen unter Berufung auf Kap. VII der UN-Charta ausgesprochen. Die Menschen im Sudan sehnen sich nach Frieden und wünschen sich nichts dringlicher als das Ende des Mordens, Plünderns und Vergewaltigens. Die PDS teilt diesen Wunsch; allerdings sehen wir auch, dass es ganz klare wirtschaftliche Interessen einiger Länder und Unternehmen gibt, die den Frieden nur als Zwischenstation sehen, um dann – um einmal ein Wort von Herrn Müntefering zu gebrauchen – wie „Heuschrecken“ über das Land herzufallen.

Wir sehen die Auswirkungen des Krieges und wir sehen die Auswirkungen dieser Heuschreckenschwärme und würden uns gern für das kleinere Übel entscheiden. Doch die Bundesregierung macht eine Zustimmung zu dem Mandat für uns unmöglich. Die Bundesregierung ist in ihrer Beschreibung der Aufgaben der Soldaten zu ungenau.

Die Bundesregierung macht es uns unmöglich, diese Mission zu kontrollieren.

Die Regierung erklärt zum Beispiel, dass sie, wenn Soldaten außerhalb des Schwerpunktgebietes des UNMIS-Einsatzes tätig werden sollen, vorab die Obleute des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses unterrichten will. Das klingt nach Geheimniskrämerei. Die PDS wäre nach diesem Verfahren von jeder Kontrolle ausgeschlossen. Das können wir nicht akzeptieren. Die PDS wird sich aus den genannten Gründen der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU):

(...) 22 Jahre Bürgerkrieg haben tiefe Spuren hinterlassen. Schulen und Krankenhäuser sind zerstört, sofern sie überhaupt vorhanden waren. Es gibt kaum staatliche Strukturen und nahezu keine Infrastruktur. Gerade jetzt, zu Beginn der Regenzeit, werden befahrbare Pisten zu unpassierbaren Schlammrinnen. Es gibt kein Eisenbahnnetz und kein Gesundheitssystem, das diesen Namen verdient. Blutiger Durchfall ist die Haupttodesursache bei Kleinkindern. Frisches Trinkwasser ist Mangelware. Es gibt keine systematische Schulbildung. Nach Angaben des katholischen Bischofs der Diözese Rumbek, Caesar Mazzolari, liegt im Südsudan die Analphabetenrate der Frauen bei 97 Prozent, die der Männer bei 84 Prozent. Mit Recht haben bereits im vergangenen Jahr sudanesische Bischöfe bei ihrem Besuch in Berlin Bundestag und Bundesregierung aufgefordert, dringend zu helfen.

Die Menschenrechtslage im Sudan ist weiterhin desolat. Im Norden weigert sich Präsident Baschir, Menschenrechtsverletzer an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern. Im Südsudan agieren sich streitende, von Khartoum mit Waffen versorgte Milizen, die zum Zwecke persönlicher Bereicherung die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung einschränken. Sie erpressen Wegezölle und erheben unrechtmäßig Steuern. Sie gefährden die Sicherheitslage der Zivilbevölkerung ebenso wie deren Nahrungsmittelselbstversorgung.

Ich fordere deshalb die sudanesische Regierung in Khartoum auf, nicht erst Anfang 2006, wie im Friedensabkommen vorgesehen, sondern schon jetzt die ihr unterstehenden Milizen zu entwaffnen und in die regulären sudanesischen Streitkräfte zu integrieren. Es kann nicht sein, dass Schusswaffen zur lukrativen Einnahmequelle werden.

Die Menschen im Sudan wollen und brauchen Frieden. Sie schöpfen erst wieder Hoffnung, wenn sie sichtbar und greifbar erleben und erfahren, wie sich ihre Lebensbedingungen verbessern. Deshalb muss gleichzeitig die humanitäre Lage der Flüchtlinge und der Binnenflüchtlinge sowohl im Norden als auch im Süden des Landes verbessert werden. Im Süden muss mit dem Aufbau und Wiederaufbau infrastruktureller und administrativer Bereiche begonnen werden. Auch die Defizite bei der Basisgesundheitsversorgung und im Bildungssektor müssen abgebaut werden. Deshalb begrüßen wir die an Bedingungen geknüpften Zusagen, die kürzlich bei der Geberkonferenz in Oslo gegeben wurden.

Auf keinen Fall darf die internationale Gemeinschaft die Versuche der sudanesischen Regierung tolerieren, die Stabilisierung und den Wiederaufbau des Südsudans zu verzögern oder gar zu hintertreiben.

Nicht nachvollziehbar ist, dass die Regierungspartei im Norden die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geforderte Ahndung der Menschenrechtsverbrechen in Darfur als einen Angriff auf den Islam bezeichnet.

Wir begrüßen, dass gestern die UN-Menschenrechtskommission beschlossen hat, einen Sonderberichterstatter für den Sudan einzusetzen, und die schweren Menschenrechtsverletzungen in Darfur, im Westsudan verurteilt hat. Wir begrüßen die Mission der Vereinten Nationen und wir stimmen zu, dass zur Erfüllung dieses Auftrags bis zu 75 deutsche Soldaten eingesetzt werden. Die Menschen im Sudan brauchen die Hilfe der internationalen Gemeinschaft.

Ich danke Ihnen.


[Die namentliche Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung erbrachte folgendes Ergebnis: Mit Ja stimmten 552 Abgeordnete, mit Nein 3; 10 Abgeordnete enthielten sich der Stimme.]

Quelle: www.bundestag.de


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