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Bundeswehr unter Pristinas Befehl

KFOR flog kosovarische Zöllner zum Grenzdienst / Serben wehren sich

Von René Heilig *

Die EU-Kosovo-Mission EULEX sowie kosovarische Zöllner und Polizisten haben am Freitagmorgen die Kontrolle über die beiden strittigen Grenzübergänge Jarinje und Brnjak übernommen. Serbische Kosovo-Bewohner wehren sich erneut dagegen. Die Bundeswehr hält weiter Stellungen zwischen den Fronten.

Der Einsatz kosovarischer Beamten an den beiden Übergängen wird von der serbischen Regierung in Belgrad abgelehnt und von der serbischen Bevölkerungsmehrheit in Nordkosovo heftig bekämpft. Eine erste Übernahme der Grenzübergänge durch kosovarische Sonderpolizisten Ende Juli hatte zu heftigen Kämpfen geführt.

Die erneute Installierung kosovarischer Grenzkontrollen ist nach Aussagen der Regierung in Pristina Teil eines Abkommens mit Serbien für einen geordneten Ex- und Import. Die Vereinbarung war Anfang September in Brüssel erzielt worden, wird aber offenbar verschieden ausgelegt.

Nach den Unruhen im Sommer hatte der damalige deutsche KFOR-Kommandeur Generalmajor Erhard Bühler einen Kompromiss ausgehandelt. Der lief gestern aus. Zugleich verstärkte KFOR die NATO-Truppen um 700 Mann. 550 davon stellt die Bundeswehr.

Auch zwölf Jahren nach dem von der NATO ausgelösten Kosovokrieg ist der Norden des Landes nach Ansicht der Regierung in Pristina eine Art Enklave Belgrads. Hier leben rund 60 000 Serben. Sie seien, so der Kosovo-Innenminister Bajram Rexhepi gegenüber der in Wien erscheinenden »Presse«, nur »Geiseln krimineller Gruppen«. Die wollten keine Grenzkontrollen, um ungehindert schmuggeln zu können. KFOR und EULEX, so der Minister, seien »verpflichtet, die Verlegung unserer Beamten an die Grenzübergänge zu ermöglichen – notfalls mit Hubschraubern«. So geschah es auch.

Mehrere hundert Serben hatten sich gestern abermals vor dem Grenzübergang Jarinje versammelt. Der war zuvor von deutschen Einheiten mit Stacheldraht verbarrikadiert worden. Man hatte Schützenpanzer aufgefahren, da – so die Bundeswehr – erneut die Gefahr einer Eskalation bestand. Auch an beiden Seiten des Grenzüberganges Brnjak, westlich der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Mitrovica, sind Hindernisse errichtet. Zwei deutsche KFOR-Fahrzeuge wurden bei der Ortschaft Leposavic aufgehalten. Weitere fünf KFOR-Fahrzeuge wurden nahe Socanica blockiert.

* Aus: Neues Deutschland, 17. September 2011


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