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Spekulationen um Palme-Mord

Verstorbene Ehefrau des Tetra-Pak-Erben Rausing soll Identität des Täters angeblich gekannt haben

Von Christian Bunke, Manchester *

Mögliche neue Spuren über den Mord an dem schwedischen Premierminister Olof Palme rauschen derzeit durch den internationalen Blätterwald, ausgelöst durch einen Artikel in der britischen Tageszeitung Guardian vom Mittwoch. Demnach soll Eva Rausing, die am 7. Mai verstorbene Ehefrau des Tetra-Pak-Erben Hans Kristian Rausing die Identität des Mörders gekannt haben.

Olof Palme wurde am 28. Februar 1986 in Stockholm auf offener Straße erschossen, als er gemeinsam mit seiner Frau ein Kino verließ. 1989 wurde der Kleinkriminelle Chriester Pettersson für den Mord verurteilt, allerdings wenige Monate wieder freigesprochen. Der Mord ist bislang unaufgeklärt.

Während seiner Amtszeit hatte Palme den schwedischen Wohlfahrtsstaat ausgebaut. In der Außenpolitik galt er vielen als unbequem. Er kritisierte sowohl die USA für ihren Vietnam-Krieg als auch die Sowjetunion für die Niederschlagung des Prager Frühlings. Palme war entschiedener Gegner des Apartheitregimes in Südafrika. Er unterstützte den ANC und auch die PLO politisch und finanziell. Er besuchte Kuba nach der Revolution, sprach sich gegen die Pinochet-Diktatur in Chile aus und förderte die Befreiungsbewegungen in El Salvador und Nikaragua.

Die Mordermittlungen im Fall Palme waren von Anfang an durch schwere Fehler gekennzeichnet. Der schwedische Autor Gunnar Wall spricht von einer »Nichtuntersuchung«, da wichtige Spuren, die für den schwedischen Staatsapparat eventuell unangenehm hätten sein können, nicht verfolgt worden seien. Wall, der für sein 1997 erschienenes Buch zum Thema den »Goldenen Spaten«, einen schwedischen Preis für investigativen Journalismus erhielt, wurde offenbar von Eva Rausing ins Vertrauen gezogen.

Das behauptet zumindest die britische Tageszeitung Daily Telegraph. Sie zitiert eine E-Mail vom Juni des vergangenen Jahres. Darin schreibt Rausing: »Vor kurzem erzählte mir mein Mann, mit dem ich seit 20 Jahren verheiratet bin, daß XX hinter dem Mord an Olof Palme steckt. Mein Mann fand dies vor vielen Jahren zufällig heraus und es hat ihn sehr, sehr mitgenommen. Ich glaube, ich weiß wo die Mordwaffe versteckt ist. Ich habe Angst vor XX. Er ist kein guter Mann. Ich würde das nie erzählen wenn es nicht stimmen würde.«

Laut Guardian handelt es sich bei XX um einen schwedischen Geschäftsmann. Das Blatt schreibt weiter, daß Rausing XX mehrfach kontaktiert habe. In einer E-Mail an Wall kurz vor ihrem Tod soll Rausing geschrieben haben: »Vergiß nicht zu ermitteln, falls ich plötzlich sterbe! Nur ein Witz, hoffentlich.« Am 7. Mai wurde Rausing in ihrer Villa in Chelsea tot aufgefunden. Sie soll an Herzversagen in Zusammenhang mit einer Überdosis Drogen gestorben sein. Sie und ihr Mann hatten eine in der Klatschpresse ausführlich dokumentierte gemeinsame Drogenkonsumgeschichte.

Dennoch gibt Wall sich mißtrauisch. Dem Guardian erzählte er: »Als keine E-Mails von ihr mehr kamen, habe ich mir zunächst nichts weiter dabei gedacht. Doch dann hörte ich, daß die Umstände ihres Todes unklar sind. Sie hatte mir außerdem gesagt, daß sie die Ermittlungsbehörden in Schweden kontaktieren wollte. Offenbar hatte sie bereits eine Verabredung für ein Treffen.«

Laut Daily Telegraph hatte Rausing bereits 2010 versucht, eine Verbindung zu den schwedischen Ermittlungsbehörden aufzunehmen. Sie wurde aber abgewiesen, da ihre Geschichte unglaubwürdig sei. Die nun zum Vorschein gekommenen Informationen wurden von Scotland Yard auf dem PC Rausings im Zuge der Ermittlungen nach ihrem Tod entdeckt. Dabei handelt es sich unter anderem um E-Mails zwischen Rausing und XX. Die Daten wurden bereits nach Schweden übermittelt, was die dortigen Behörden auch bestätigen. Ansonsten wird kein Kommentar abgegeben.

* Aus: junge Welt, Freitag, 31. August 2012

Auszug aus dem Guardian:

Eva Rausing, who was found dead in July at the London home she shared with her husband, an heir to the TetraPak fortune, had passed on information about the unsolved 1986 murder of Swedish prime minister Olof Palme, Swedish prosecutors have revealed.

(...)

A Swedish author who has written two books on the Palme killing said Mrs Rausing first contacted him in June 2011. She claimed she had learned that Palme had been killed by an entrepreneur who feared the politician was a threat to his business.

The author, Gunnar Wall, said he had engaged in email correspondence with Rausing, who told him she had written to the businessman on three occasions about the allegations. In one email to Wall she wrote: "Don't forget to investigate if I should suddenly die! Just joking, I hope."

Wall told the Guardian: "When her emails stopped, I did not think too much about it, until I heard that she had died in circumstances that were unclear." (...)

Zitate aus: The Guardian, 29. August 2012; Originalartikel: "Eva Rausing 'had information' on murder of Swedish PM", von Ben Quinn; http://www.guardian.co.uk



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