Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ein Hebel zur Förderung der Privatwirtschaft"

Beispiel Sambia: Statt Armut zu bekämpfen, unterstützt die deutsche Entwicklungshilfe große Agrarkonzerne. Gespräch mit Roman Herre *


Roman Herre ist Agrarreferent der Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Informations- & Aktions-Netzwerk) Deutschland.


Am Donnerstag, dem »Tag der Landlosen«, hat die Menschenrechtsorganisation FIAN eine Studie zur Rolle deutscher Entwicklungsarbeit bei der Jagd nach Ackerland in Sambia veröffentlicht. Wie wirken Finanzindustrie und Entwicklungshelfer zusammen?

Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ist ein Hebel zur Förderung der Privatwirtschaft. Sie pumpt Geld in Agrarkonzerne in Sambia und hat dort große Landflächen aufgekauft, sie will afrikaweit expandieren. Obendrein hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – unter Exminister Dirk Niebel (FDP) – zusammen mit der »Kreditanstalt für Wiederaufbau« und der »Deutschen Bank« einen Fonds in Luxemburg aufgelegt, um Gelder in die Agrarwirtschaft Afrikas fließen zu lassen.

Erste Aktivität dieses Fonds: Er fördert mit mehr als sieben Millionen Euro einen Finanzinvestor aus Mauritius, der sich in Sambia über 16000 Hektar Land angeeignet hat. Dessen Firma »Chayton Africa« kooperiert mit dem Farmer-Konzern »Chobe Agrivision«, der ebenfalls in Sambia tätig ist. Dort leiden aber sechs Millionen Menschen Hunger, ihr Zugang zu Nahrung wird durch die Investitionen ins Agribusineß keineswegs verbessert. Die Konzerne produzieren nämlich vor allem für den Export oder für die städtische Mittelschicht.

Wie ist die aktuelle Situation in Sambia?

Etwa 85 Prozent der Bevölkerung ist von der Landwirtschaft abhängig, hat aber kaum Zugang zum Ackerland. Aus unserer Sicht müßte es ein entwicklungspolitischer Ansatz sein, das zu verbessern. In den vergangenen zehn Jahren ist die Bevölkerung in Sambia um etwa 400000 Menschen gewachsen, sie braucht also auch mehr Land.

Es muß Schluß damit sein, daß internationale Agrarinvestoren das Land unter sich aufteilen. Ansonsten wird der Spielraum der unteren Bevölkerungsschichten immer kleiner, sich zu ernähren. Dieses Problem stellt sich heutigen, aber auch künftigen Generationen. Das belegt nicht nur unsere wissenschaftliche Studie – ich habe mich im Februar an Ort und Stelle davon überzeugt.

Wie verläuft der Prozeß der Enteignung der Kleinbauern?

Sie wurden nur teilweise gewaltsam vertrieben. Seit der britischen Kolonialzeit wird in Sambia die Politik der »Farm-Blocks« betrieben: Die Regierung reserviert immer wieder große Areale für kommerzielle Farmen. Investoren argumentieren nun: Dort leben keine Kleinbauern, deren Menschenrechte können also auch nicht tangiert sein.

Wir sehen das anders: Viele Areale, die später zu »Farm-Blocks« erklärt wurden, lagen Jahrzehnte brach; kleine Gemeinden sind dort entstanden, sie haben die Gebiete landwirtschaftlich genutzt. Mit der Neuaufteilung gab es Konflikte: In einem Fall – seit knapp zehn Jahren in Sambia vor Gericht verhandelt – hat die Staatsgewalt gemeinsam mit dem Werkschutz des Konzerns die Leute abtransportiert und ihre Häuser abgebrannt. Das ist auf einem Video-Clip festgehalten worden. Zur Zeit gehört dieses Land »Zambeef«, dem größten Agrarkonzern in Sambia. Der hat den Konflikt von den Vorbesitzern geerbt, der »ETC Bionenergie« und der »Mpongwe Development Company«.

Welche deutschen Investoren sind dort unterwegs?

Die Berliner Firma »Amatheon Agri«, hinter der der Finanzinvestor »Sapinda« steht, hat in Sambia über 30000 Hektar Ackerland aufgekauft. Zudem hat der zweitgrößte Zuckerkonzern Europas, die Nordzucker AG, angekündigt, in das Geschäft in Sambia einsteigen zu wollen. Um eine dort geplante Fabrik mit ausreichend Zuckerrohr zu beliefern, werden riesige Plantagen benötigt.

Welche Rolle spielt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dabei?

Wir kritisieren die Bundesregierung, weil sie einseitig über die DEG das Agribusineß der Finanzinvestoren fördert und besagten Fonds mit auflegt. Das widerspricht der Zielsetzung des Entwicklungsministeriums, Armut zu bekämpfen. Statt Konzerne zu begünstigen, sollte das Ministerium die notleidende Bevölkerung unterstützen. Die DEG arbeitet zudem intransparent. Und bei Anhörungen oder kleinen Anfragen von Grünen und Linken zieht sich die Bundesregierung auf allgemeine und vage Argumente zurück.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, Samstag 19. April 2014


Zurück zur Sambia-Seite

Zur Entwicklungspolitik-Seite

Zur Entwicklungspolitik-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Armuts-Seite

Zur Armuts-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage