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EU verschärft Sanktionen gegen Russland

Strafmaßnahmen treten am Freitag in Kraft / Regierung in Moskau kündigt harte Gegenmaßnahmen an

Von Olaf Standke *

Die EU verhängt neue Sanktionen gegen Russland, die auch die eigene Wirtschaft hart treffen könnten.

Die Reaktion kam prompt: »Unfreundlich« seien die neuen Sanktionen der Europäischen Union, und Moskaus Antwort werde »angemessenen« sein, »absolut vergleichbar mit den Aktionen der EU«, so ein russische Außenamtssprecher. Zuvor hatte schon der Chef der Staatsduma, Sergej Naryschkin, gefragt, warum Brüssel praktisch mit einer Verschärfung der Strafmaßnahmen auf die jüngste Waffenruhe in der Ukraine reagiere. Sollte diese jetzt scheitern, trage die EU dafür »einen gewichtigen Teil der Verantwortung«. Bereits Anfang der Woche hatten sich die EU-Staaten auf das neue Sanktionspaket geeinigt, es aber noch nicht verschickt. Während einige Mitgliedstaaten vor allem mit Blick auf mögliche Auswirkungen für die eigene Wirtschaft zögerten, hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag für eine sofortige Umsetzung stark gemacht. Am Donnerstag nun einigten sich die EU-Botschafter auf die Freigabe.

Durch die Veröffentlichung im Amtsblatt der Union am Freitag werden die neuen Strafmaßnahmen wirksam. Laut EU-Ministerrat werde es für 24 Personen, darunter »russische Entscheidungsträger und Oligarchen«, neue Einreisverbote und die Beschlagnahme von Vermögen in der EU geben. Der Zugang russischer Unternehmen zu den EU-Kapitalmärkten wird weiter erschwert, betroffen sind Banken, Rüstungs- und Energiefirmen. Es gibt einen Lieferstopp für Güter und Technologie, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden könnten. Zudem wird die Kooperation im Bereich der Erdölgewinnung weiter eingeschränkt.

Wie Putin-Berater Andrej Beloussow erklärte, habe der Präsident schon ein eigenes Sanktionspaket als Antwort in der Schublade. Im August hatte Moskau den Import von Lebensmitteln begrenzt. Nun gehe es um »eine ganze Reihe von Produkten, bei denen vor allem unsere europäischen Partner mehr von Russland abhängen als Russland von ihnen«, so Beloussow. Im Gespräch waren zuletzt u.a. ein Überflugverbot für westliche Fluggesellschaften, ein Exportverbot für Rohstoffe wie das für die Flugzeugindustrie so wichtige Titan oder ein Einfuhrstopp für westliche Autos. Letzteres würde vor allem die deutsche Autoindustrie hart treffen.

Die neuen Wirtschaftssanktionen sollen zurückgenommen oder abgeändert werden, falls Moskau den Ukraine-Friedensprozess unterstütze, ließ EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Donnerstag wissen. Noch vor Ende des Monats werde man die Umsetzung des Friedensplans prüfen. Zugleich wurden Kiew und Moskau zu neuen Gesprächen über die russischen Gaslieferungen nach Berlin eingeladen. Derweil musste die ukrainische Regierung einräumen, dass die prorussischen Aufständischen im Osten des Landes ihr Einflussgebiet bis ans Asowsche Meer ausgeweitet hätten. Die NATO wirft Moskau eine anhaltende Truppenpräsenz in der Ostukraine vor.

* Aus: neues deutschland, Freitag 12. September 2014


Sanktionen trotz Entspannung

EU setzt Strafmaßnahmen gegen Rußland in Kraft. Moskau kündigt vergleichbare Reaktion an **

Die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Rußland sollen trotz einer offensichtlichen Entspannung der Lage im Osten der Ukraine am heutigen Freitag in Kraft treten. Das bestätigte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Donnerstag in Brüssel. Die 28 EU-Regierungen hatten die Strafmaßnahmen in der vergangenen Woche beschlossen, sie aber zunächst ausgesetzt. Die nun offenbar auf Druck der deutschen Bundesregierung erfolgte Aktivierung sei eine Reaktion auf die schleppende Umsetzung des zwischen Rußland und der Ukraine ausgehandelten Friedensplans, erklärte Van Rompuy. Die Restriktionen würden wieder aufgehoben, wenn es substantielle Fortschritte gebe.

Die Regierung in Moskau kritisierte den Schritt Brüssels als unfreundlich und kündigte eine entsprechende Reaktion an. »Unsere Antwort wird absolut vergleichbar mit den Aktionen der EU sein«, sagte Außenministeriumssprecher Alexander Lukaschewitsch am Donnerstag in Moskau russischen Agenturen zufolge. Im Gespräch waren zuletzt ein Überflugverbot für westliche Fluggesellschaften sowie ein Einfuhrstopp für westliche Autos oder ein Exportverbot für bestimmte Rohstoffe wie Titan.

Lukaschewitsch kritisierte auch Pläne für ein gemeinsames Militärmanöver der Ukraine und der NATO, das am Montag in der Westukraine beginnen soll und an dem auch vier Bundeswehrsoldaten teilnehmen. Auch darauf werde Rußland »adäquat reagieren«.

Die NATO habe längst Pläne ausgeheckt, ihre militärische Infrastruktur näher zur russischen Grenze zu verschieben, »und die Ukraine-Krise wurde lediglich als Vorwand für die Realisierung dieser Pläne mißbraucht«, erklärte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin in Wien. »Der Sinn und Ton der Erklärungen zur Ukraine-Krise sowie die angekündigten Pläne von Militärmanövern der NATO auf dem Territorium der Ukraine unter Teilnahme Kiews werden die Spannungen unweigerlich weiter schüren«, betonte der Diplomat.

** Aus: junge Welt, Freitag 12. September 2014

Das sagt die Bundesregierung:

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Ukraine-Konflikt

Verschärfte Sanktionen in Kraft

Die erweiterten EU-Sanktionen gegen Russland sind am Freitagmorgen in Kraft getreten. Das teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz vor der Bundespressekonferenz mit. Es geht insbesondere um weitere Beschränkungen beim Zugang zum Kapitalmarkt.

Das von der EU-Kommission verhängte Maßnahmenpaket sieht weitere Listungen von Personen und die Ausweitung der sektoralen Maßnahmen vor. Diese würden insbesondere weitere Beschränkungen beim Zugang zum Kapitalmarkt und zusätzliche Exportrestriktionen für Dual-Use-Güter umfassen, so die Sprecherin.

Außerdem beträfen die Restriktionen den Export "bestimmter sensitiver Technologien für den russischen Ölsektor" sowie Präzisierungen der bestehenden Maßnahmen im Rüstungsbereich. Wirtz ergänzte: "Für 24 weitere Personen wurden Einreise- und Kontensperrungen verhängt."

Friedensplan muss in Gänze erfüllt werden

Bundeskanzlerin Merkel hatte in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag betont, trotz Fortschritten beim Waffenstillstand sei unklar, inwieweit Russland den vereinbarten Zwölf-Punkte-Plan für eine friedliche Lösung zu erfüllen bereit sei. Zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine gelte es aber, diesen Plan der Präsidenten der Ukraine und Russlands umzusetzen, forderte die Kanzlerin. Waffenstillstand und Freilassung von Gefangenen seien hierbei nur zwei von zwölf Punkten.

Weitere notwendige Schritte seien: die dauerhafte Überwachung des Waffenstillstands durch die OSZE, der Abzug russischer Soldaten und der Waffen aus der Region sowie die freie Entscheidung der Menschen in Donezk und Lugansk über ihren zukünftigen Status. "Das alles gehört zusammen", stellte Merkel am Mittwoch klar.

Sanktionen sind kein Selbstzweck

Angesichts der gegebenen Lage - die sicherlich Fortschritte beim Bemühen um einen Waffenstillstand zeige - und der "Unklarheit über die Erfüllung der vielen anderen Punkte", hatte sich die Bundesregierung für eine rasche Veröffentlichung der Sanktionen eingesetzt. Merkel hatte an gleicher Stelle aber auch betont: Wenn die zwölf Punkte wirklich "substanziell" erfüllt seien, "werden wir die ersten sein, die die neuen Sanktionen auch wieder aufheben." Denn die Strafmaßnahmen seien kein Selbstzweck, sondern würden immer nur verhängt, wenn sie unvermeidlich seien.

Für eine souveräne Ukraine

Das Ziel sei vollkommen klar: Die Bundesregierung unterstütze eine Ukraine, die in Frieden und eigener Selbstbestimmung über ihr eigenes Schicksal entscheiden könne. "Im Übrigen in guter Nachbarschaft mit Russland", betonte Merkel.

Die Bundesregierung setze sich für gute Beziehungen der EU zur Ukraine ein, ebenso wie für gute Beziehungen der Ukraine zu Russland. Das sei keine Frage eines "Entweder-Oder", sondern eines "Sowohl-als-Auch", bekräftigte Merkel. "Dafür arbeiten wir."

Der Weg zur Überwindung dieser Krise sei lang und steinig. "Wir werden auch Rückschläge haben", räumte Merkel ein. Dennoch sei sie "zutiefst überzeugt - so hart die gegenwärtige Situation auch ist - am Ende wird sich die Stärke des Rechts durchsetzen."


Und das sagt der Sprecher Putins:

Russland bedauert die Verhängung neuer EU-Sanktionen gegen Moskau und die Sanktionssprache der Europäer als Ganzes. Das erklärte Dmitri Peskow, Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin, am Donnerstag in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe.

„Diese und auch früher verhängte Sanktionen sind nach unserer Ansicht gesetzwidrig… Die am Donnerstag getroffene Entscheidung der EU, neue Sanktionen in Kraft zu setzen, ist absolut unverständlich vor dem Hintergrund der Anstrengungen, die Russland ausgehend von Friedensinitiativen des Präsidenten Putin in den letzten Tagen ergreift, um das Blutvergießen einzustellen und den Konflikt im Südosten der Ukraine mit friedlichen Mitteln beizulegen“, sagte Peskow.

„Statt einen tatkräftigen Beitrag zur friedlichen Regelung zu leisten, sprechen die EU-Länder weiter die Sanktionssprache. Uns liegt es klar auf der Hand, dass Brüssel die reale Sachlage in der Donbass-Region nicht sieht oder beharrlich nicht sehen und sich nicht über Schritte informieren will, die die Seiten zur Beilegung (des Konflikts) unternehmen… Trotz fehlender konstruktiver Elemente in der Position Brüssels wird Moskau auch weiter alles in seinen Kräften Stehende tun, um zur Realisierung des ausgehandelten Friedensplanes und zur Stabilisierung der Lage im Südosten der Ukraine als Ganzes beizutragen“, betonte der Sprecher.

Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11.09.2014; http://de.ria.ru/




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