Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Russland braucht sich nicht um die Freundschaft mit der islamischen Welt zu bemühen"

Medwedjew auf Besuchsreise in Afrika - In Kairo hielt er eine beachliche Rede - Arabische Liga erinnert an Nahost-Friedensplan

Der russische Präsident hat am 23. Juni 2009 seine erste Afrika-Reise nach seinem Machtantritt begonnen. Er besuchte Ägypten, Nigeria, Namibia und Angola. Dabei traf er in Kairo mit der dort tagenden Arabischen Liga zusammen. Der Besuch Medwedjews wurde von den westlichen Medien kaum beachtet.
Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel aus russischen Nachrichtenportalen, die sich mit Medwedjews Kairoer Rede und mit der Haltung der Arabischen Liga zum israelisch-palästinensischen Konflikt befassen.



Kairo-Rede: Medwedew in Obamas Fußstapfen?

Von Maria Appakowa *

Bei seinem ersten und deshalb historischen Afrika-Besuch hat Russlands Präsident Dmitri Medwedew sehr wichtige Dokumente unterzeichnet.

Doch der Clou von Medwedews Reise ist seine Rede im Quartier der Arabischen Liga in Kairo. Dabei galt sie allerdings nicht Moskaus Außenpolitik in Afrika, sondern im Nahen Osten.

Nicht oft legen Russlands führende Politiker ihre Sicht auf die Lösung des Nahost-Konflikts so ausführlich dar. Zwar sprach Medwedew keine grundsätzlich neuen Aspekte an, doch allein der Fakt der Rede ist schon bedeutend.

Medwedews Auftritt drängt Parallelen zur Rede des US-Präsidenten Barack Obama vor drei Wochen vor Kairoer Studenten auf.

Wie Moskau klarstellt, standen Medwedews Ägypten-Besuch und sein Programm bereits vor Obamas Kairo-Besuch fest, weshalb die Ansprache des russischen Präsidenten nicht als Antwort an die USA aufgefasst werden kann. Dennoch lässt sich ein Vergleich nicht vermeiden: zwischen den beiden neuen Oberhäuptern der Großmächte, zwischen ihren ersten Nahost-Besuchen, ihrem Verhalten und dem Inhalt ihrer Reden.

Obwohl weder der russische noch der amerikanische Staatschef mit Sensationen aufwarteten, sondern altbekannte Positionen zur Nahost-Regelung wiederholten, gab es weder vor noch nach Medwedews Rede einen solchen Trubel wie bei Obama. Das ist verständlich.

Obama kam nach Kairo, um sich mit der islamischen Welt, vor allem mit den Arabern, auszusöhnen. Nach dem Krieg im Irak, nach dem völligen Scheitern der US-Politik in der Palästinenser-Frage, nach den scharfen Tönen unter dem damaligen Präsident George W. Bush muss Obama im Nahen Osten und in der ganzen islamischen Welt Vertrauen zurückerobern.

Seit seinem Machtantritt sprach Obama mehrmals davon und bestätigte dies in Kairo noch einmal. Amerika stehe der islamischen Welt offen, sei ein Teil dieser Welt: Das war in etwa seine Botschaft.

Dass Russland ebenfalls ein Teil der islamischen Welt ist, sagte auch Präsident Medwedew. "Millionen Moslems leben seit Jahrhunderten in Russland in Frieden und Eintracht mit ihren Nachbarn, die 160 Völker und Völkerschaften und über ein halbes Hundert Konfessionen vertreten. Der Islam ist ein fester Bestandteil von Russlands Geschichte und Kultur.

Die Achtung, die dem Glauben, den Sitten und Gebräuchen, den Traditionen unserer Völker entgegengebracht wird, bildet die Grundlage des Bürgerfriedens in unserem Land. Ich will es offen sagen: Russland braucht sich nicht um die Freundschaft mit der islamischen Welt zu bemühen. Unser Land ist an sich ein organischer Teil dieser Welt, denn die russischen Moslems machen immerhin an die 20 Millionen unserer Bürger aus", sagte er.

Die Worte gleichen sehr denen von Obama über die Moslems in den USA. Zu beachten ist jedoch der Satz: "Russland braucht sich nicht um die Freundschaft mit der islamischen Welt zu bemühen" - eine offene Anspielung auf die USA, denn Obama kam nach Kairo, um gerade die Freundschaft, genauer: das gegenseitige Verständnis mit der islamischen Welt zu erreichen.

Er versprach, gegen die in den USA vorhandenen negativen Stereotypen in Bezug auf den Islam zu kämpfen, und bat die Moslems, dafür ihre Einstellung zu Amerika zu verändern.

Bis zu einem gewissen Grad erleben die USA die gleiche Situation wie Russland Mitte der 90er Jahre, als der Tschetschenien-Krieg Moskaus Kräfte sehr in Anspruch nahm, damit die nach dem Zerfall der UdSSR ohnehin ins Schwanken geratene Freundschaft mit der arabischen Welt nicht endgültig zerstört wurde.

Es war nicht einfach, die Einsicht durchzusetzen, dass Russland den Krieg in Tschetschenien nicht gegen den Islam führte. Diese Meinung lebt in der arabischen Welt bisweilen fort, wenn auch nur in kleinen Kreisen. In den Eliten und der Führung der arabischen Staaten hat Russland volles Verständnis und Unterstützung gefunden.

Für diese Reaktion dankte Medwedew im Quartier der Arabischen Liga: "Wir in der Russischen Föderation haben unsererseits nicht vergessen, wie die arabische Welt in den für unser Land schwierigen 90er Jahren die territoriale Integrität unseres Landes unterstützte. Und wir streben danach, die Traditionen der Zusammenarbeit weiter zu pflegen und die Kontakte zu den Mitgliedsstaaten Ihrer Liga zu entwickeln."

Medwedew war für Kairo ein alter Freund, dessen gute und weniger gute Eigenschaften längst bekannt sind. Obama gegenüber verhielt man sich vorsichtig und mit Hoffnung auf Veränderungen. Dennoch wissen alle im Nahen Osten, dass Russland in dieser Region im Vergleich zur US-Politik eine Nebenrolle spielt.

Moskau kann Washington in gewissen Dingen mäßigen, das gemeinsame Herangehen der Nahost-Vermittler im Rahmen der UNO und des sogenannten "Quartetts" (UNO, EU, Russland und USA) koordinieren und mitgestalten. Seine Rolle ist, obwohl in vieler Hinsicht wichtig, doch nicht bestimmend. Deshalb wird alles, was aus Washington kommt, unter die Lupe genommen, selbst wenn nichts Neues dahintersteckt.

Die Arabische Liga hielt sogar eine Sondersitzung über Obamas Rede ab. Das geschah genau am Tage nach Medwedews Besuch in der Liga. Ein Zufall, aber doch symbolisch. Von Moskau wird einfach nichts grundsätzlich Neues erwartet. Von Obama (notabene: nicht von den USA, sondern eben von Obama) wird erwartet, dass er Israel unter Druck nimmt und die US-Politik im Nahen Osten ausgewogener gestaltet wird.

Moskaus Politik ist schon ausgewogen genug. Die Frage ist, was kommt, wenn sowohl Moskau als auch Washington in ihrer Nahost-Politik auf einen gleichen Nenner kommen. Würde das der Region ein greifbares Ergebnis bringen - oder bleibt nur der Applaus nach den Reden der Präsidenten?

Die Meinung der Verfasserin muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 25. Juni 2009; http://de.rian.ru


Die Liga der arabischer Staaten wird mit Israel nur Vereinbarungen auf der Basis ihrer eigenen Friedensinitiative abschließen **

Die arabische Welt hält an der Erzielung eines gerechten und umfassenden Friedens im Nahen Osten auf der Basis ihrer eigenen Friedensinitiative fest. Das ist der Wesensinhalt der von den Außenministern der Liga der arabischen Staaten in der ägyptischen Hauptstadt Kairo verabschiedeten Erklärung. Dieses Dokument widerspiegelt ihre gemeinsame Position zur Regelung der Lage in der Region im Zusammenhang mit der jüngsten Erklärung des Präsidenten der USA Barack Obama und des Premierministers Israels Benjamin Netanjahu.

Die Normalisierung der Situation im Nahen Osten ist erst dann möglich, wenn Israel den Siedlungsbau in den besetzten Territorien einstellt, wenn es den besonderen Status von Ost-Jerusalem anerkennt und aus den 1967 besetzten Territorien abzieht, so wie das die bekannten Resolutionen des UN-Sicherheitsrates vorsehen. Erst dann wird man von einer Anerkennung des Staates Israel durch die arabische Welt sprechen können. Mit ihrer Erklärung reagierte die Liga der arabischen Staaten auf die jüngste programmatische Rede von Benjamin Netanjahu in der Universität Bar-Ilan. Diese Reaktion war vorauszusagen. Schon deshalb, weil hinter seiner – den Amerikanern zuliebe gemachten — genötigten Anerkennung des Prinzips „zwei Staaten für zwei Völker“ als Regelung der palästinensischen Problematik eine ganze Reihe von Bedingungen steht, die für die Araber völlig unakzeptabel sind. Eine Bedingung ist die Forderung, den jüdischen Charakter Israels anzuerkennen, womit jedoch den palästinensischen Flüchtlingen das Recht genommen wird, in ihre historische Heimat zurückzukehren.

Übrigens trifft morgen im italienischen Triest in Vorbereitung des G-8-Gipfels das Nahost-Vermittler-Quartett, bestehend aus Russland, den USA, der UNO und der EU – zusammen. An diesem Treffen nimmt auch der Vertreter der Liga der arabischen Staaten Amr Mussa teil. Er will dem „Quartett“ die Hauptpunkte der arabischen Friedensinitiative darlegen. Umso mehr, wo die Weltgemeinschaft in jüngster Zeit immer mehr dazu neigt, dass deren Prinzipien in vollem Maße berücksichtigt werden müssen. Darauf machte auch der amtliche Sprecher des russischen Außenministeriums Andrej Nesterenko aufmerksam.

„Unter den Fragen, die in Triest erörtert werden sollen, wird selbstverständlich auch die arabische Friedensinitiative sein, die bekanntlich beim gesamtarabischen Gipfeltreffen in Beirut im Jahr 2002 verabschiedet wurde und von einer Normalisierung der arabisch-israelischen Beziehungen spricht, wenn Israel aus den 1967 besetzten arabischen Territorien abzieht. Wir meinen, dass dieser Initiative, die praktisch die ganze arabisch-muslimische Welt teilt und die auch von Russland aktiv unterstützt wird, ein bedeutendes Potential innewohnt, das unter den heutigen Gegebenheiten sehr gefragt sein könnte. An diese Meinung halten sich ebenso unsere Partner im ‚Quartett‘.“

In diesem Sinne gibt auch die Position der USA, die Barack Obama am 4. Juni in Kairo darlegte, den Arabern eine gewisse Hoffnung. Seine Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen eigenen Staat und sein Appell an Israel, die Bedingungen des ‚Fahrplanes‘ zur Einstellung des Siedlungsbaus zu erfüllen, wurden von den Mitgliedern der Liga der arabischen Staaten als eine Basis für das Zusammenwirken hervorgehoben. Es ist bezeichnend, dass Netanjahu in Paris sein Treffen mit Barack Obamas Nahost-Sonderbeauftragten George Mitchell absagte. Offenbar hatte er ihm nichts zu sagen. Starrsinn ist aber nicht gerade die beste Methode in der Politik.

25.06.2009

** Aus: Stimme Russlands; www.ruvr.ru




Zurück zur Russland-Seite

Zur Aegypten-Seite

Zur Nahost-Seite

Zurück zur Homepage