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Moskau verstärkt Mittelmeerflotte

Zwei weitere russische Kriegsschiffe entsandt. Unterstützung aus Zypern für Seepräsenz

Von Rainer Rupp *

Zwei weitere russische Kriegsschiffe sind im Mittelmeer eingetroffen. Sie sind von der Schwarzmeerflotte entsandt worden und verstärken eine neu geschaffene Mittelmeerkampfgruppe der russischen Kriegsmarine im Seegebiet zwischen Syrien und Zypern. Vor Pfingsten hatte zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine aus fünf Einheiten bestehende Gruppe der russischen Pazifikflotte den Suez-Kanal durchquert und im Mittelmeer Stellung bezogen.

Laut dem US-Finanzblatt Wall Street Journal handelt es sich bei der Zusammenführung von russischen Einheiten der Schwarzmeer-, Pazifik-, Baltik- und Nordmeerflotte im Mittelmeer um »Rußlands größten, nachhaltigen Marineeinsatz seit dem Ende des Kalten Kriegs«. Dabei stelle die Präsenz der Kriegsschiffe im Krisengebiet vor Syrien »eine potentielle Gefahrenquelle für Fehleinschätzungen in einer zunehmend explosiven Region« dar. In der Tat hat Moskau dadurch einige große Stolpersteine in den Weg der amerikanischen Pläne geworfen, den avisierten Regimewechsel in Damaskus eventuell mit einer Seeblockade oder einer Militärintervention in Syrien zu forcieren.

Verharmlosend zitiert das Blatt der US-Hochfinanz einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter des US-Verteidigungsministers, der das ganze als russische »Machtdemonstration, als Muskelspiel« abtut. Den Russen ginge es lediglich »darum, ihre Bereitschaft zur Verteidigung ihrer Interessen zu demonstrieren«. Das sei »Moskaus Art, bei Gesprächen über die Zukunft Syriens seine Position zu stärken und seinen Einfluß im Nahen Osten« zu festigen, fügte das Journal hinzu, wobei es geflissentlich die jahrzehntelange massive Präsenz US-amerikanischer Luft- und Seestreitkräfte im Mittelmeerraum ausblendet, die seit langem die gesamte Region destabilisieren.

Zu der neuen russischen Mittelmeergruppe gehören inzwischen mehr als zehn Schiffe, die über die Ausrüstung für Angriffsoperationen, für die U-Bootbekämpfung und die Minenräumung verfügen. Es handelt sich dabei u.a. um die schweren Raketenzerstörer Admiral Pantelejew und Seweromorsk, die Fregatte Jaroslaw Mudrej und für die amphibische Kriegsführung die Pereswet und die Admiral Newelskoi, sowie eine Reihe von Minensuchbooten, Bergungs- und Reparaturschiffen und drei Tanker. Außerdem soll die Gruppe – so der Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungsausschusses der Duma, Admiral Wladimir Komojedow, kürzlich gegenüber RIA Nowosti – je nach Lage mit nuklear bestückten U-Booten verstärkt werden.

Der Aufbau einer neuen ständigen Kriegsflotte im Mittelmeer »zur Verteidigung der Interessen Rußlands in der Region« war bereits im März vom russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu angekündigt worden. Als bisher einziger Stützpunkt steht der Flotte der syrische Hafen von Tartus zur Verfügung. Die Tatsache, daß derzeit drei russische Kriegsschiffe im zyprischen Hafen von Limassol freundliche Aufnahme gefunden haben, nährt erneut Spekulationen, daß das von der EU enttäuschte und finanziell und wirtschaftlich am Boden liegende Zypern im Gegenzug für großzügige Hilfe aus Moskau der russischen Kriegsmarine ihre erste Basis in einem Land der Europäischen Union zur Verfügung stellen könnte. Damit würde z.B. ein Angriff – egal von welcher Seite – auf russische Marineeinheiten im Hafen von Limassol einen Angriff auf die EU darstellen und unvorstellbare Verwicklungen zur Folge haben.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 23. Mai 2013


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