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Weitere Haftjahre für Chodorkowski

Strafe gegen früheren Yukos-Chef verkündet *

Der ehemalige russische Ölunternehmer Michail Chodorkowski muss weitere fünfeinhalb Jahre im Gefängnis bleiben. Der 47-Jährige wurde am Donnerstag (30. Dez.) in Moskau zu dreizehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Strafe von acht Jahren aus einem ersten Verfahren werde aber darauf angerechnet, erklärte der Richter Viktor Danilkin. Damit käme Chodorkowski erst im Frühjahr des Jahres 2017 wieder auf freien Fuß.

Chodorkowskis Ex-Geschäftspartner Platon Lebedew erhielt dasselbe Strafmaß. Das Verfahren wegen Unterschlagung von Öl und Geldwäsche wird von Beobachtern als politisch motiviert gewertet. Richter Danilkin hatte die beiden früheren Ölmanager bereits am Montag schuldig gesprochen und dann tagelang die mehrere Hundert Seiten umfassende Urteilsbegründung verlesen.

Der frühere Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos, der noch bis 2011 eine achtjährige Haftstrafe wegen Geldwäsche absitzt, hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Er wolle notfalls das Urteil vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anfechten, hatte er angekündigt.

Ministerpräsident Wladimir Putin hatte im Staatsfernsehen eine Verurteilung Chodorkowskis gefordert. Deutschland, die USA sowie die EU hatten die Verurteilung des einstigen Magnaten scharf kritisiert

* Aus: Neues Deutschland, 31. Dezember 2010


Schonungslos

Von Detlef D. Pries **

Der Schuldspruch war schon am Montag (27. Dez.) gefallen. Offen waren das Strafmaß und der Zeitpunkt der Verkündung. Angesichts des 800-Seiten-Urteils, das Richter Danilkin zu verlesen sich anschickte, fürchteten einige Prozessbeteiligte und -beobachter schon um ihre Silvesterfeier. Denen gewährte Danilkin »Haftverschonung«, den Angeklagten nicht. Der einstige Ölmilliardär Michail Chodorkowski und sein Kompagnon Platon Lebedew müssen über die acht Jahre hinaus, die ihnen 2003 aufgebrummt wurden, weitere fünfeinhalb Jahre Haft verbüßen. Die Strafe fällt nur wenig milder aus als die vom Staatsanwalt beantragte.

Wie schon nach dem ersten Prozess bleibt festzuhalten: Unschuldig ist Chodorkowski gewiss nicht. Hatte er doch selbst in der Oligarchenrunde mit Wladimir Putin zugegeben, dass seinesgleichen – von Abramowitsch bis Usmanow – auf betrügerische Weise zu unvorstellbarem Reichtum gelangt war. Wer nach gelungenem Raubzug fordert, irgendwann müsse die Räuberei (der anderen) aber doch ein Ende haben, ist einfach zynisch und kann nicht auf die Solidarität der Beraubten hoffen. Ungerecht ist es dennoch, dass nur Chodorkowski und Lebedew die private Aneignung russischen Volksvermögens büßen sollen – weil der Yukos-Chef den Pakt Putins mit den Oligarchen brach und selbst Politik machen wollte.

* Aus: Neues Deutschland, 31. Dezember 2010 (Kommentar)


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