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Gold vor Demokratie

Rumänien: Zehntausende protestieren gegen Bergbaukonzern

Von Claudia Ciobanu, Bukarest (IPS) *

In Rumänien baut sich massiver Protest gegen ein gigantisches Goldbergbauprojekt in der Region Siebenbürgen auf. Gut 20000 Menschen versammelten sich am vergangenen Sonntag in der Hauptstadt Bukarest, um das Vorhaben zu verhindern. Auch in anderen Städten des Landes gingen Tausende auf die Straße. Die Bevölkerung wehrt sich gegen einen von der Regierung Ende August vorgestellten Gesetzentwurf, der der Rosia Montana Gold Corporation, deren Mehrheitseigner die kanadische Gruppe Gabriel Resources ist, Sondervollmachten geben soll. Demnach kann das Unternehmen die Umsiedlung von Anwohnern veranlassen, die bisher im Gebiet der Mine leben. Außerdem sollen die Behörden der Firma alle notwendigen Genehmigungen ausstellen, auch wenn sie gegen geltende Gesetze, Gerichtsurteile oder die Mitspracherechte der Öffentlichkeit verstoßen.

Die Gold Corporation will im Gebiet von Rosia Montana Europas größte Goldmine eröffnen, um über einen Zeitraum von 17 Jahren 300 Tonnen Gold und 1600 Tonnen Silber zu fördern. Dafür müßten drei Dörfer weichen und vier Berge zerstört werden. Bei den Arbeiten würden jährlich 12000 Tonnen Zyanid verwendet und 13 Millionen Tonnen Abfälle produziert werden, wie aus einer dem Umweltministerium vorgelegten Projektvorstellung hervorgeht.

Nachdem die Betreiber innerhalb von 14 Jahren nicht alle erforderlichen Genehmigungen erhalten haben, soll das Gesetz nun endgültig für grünes Licht sorgen. Bereits 2004 hatte die einflußreiche Rumänische Akademie der Wissenschaften gefordert, das Vorhaben aufgrund der hohen sozialen und ökologischen Kosten abzusagen. Die Mine bedroht demnach auch das kulturelle Erbe der Ortschaft Rosia Montana, wo bereits seit der Römer-Zeit Bergbau betrieben wird. In dem Karpaten-Dorf mit etwa 3000 Einwohnern machen bereits seit Jahren Hunderte Menschen gegen das vorgesehene Projekt Front. Aus der Öffentlichkeit kommt nicht zuletzt deshalb soviel Rückhalt für die Protestbewegung, weil die Gold Corporation offenbar enge Verbindungen zu Politikern aller Couleur und den großen Medien unterhält.

Selbst Erzfeinde wie Staatspräsident Traian Basescu aus dem Mitte-Rechts-Lager und der sozialdemokratische Regierungschef Victor Ponta sind sich in ihrer Unterstützung für das Minenprojekt einig. Die meisten großen Medien haben Werbeanzeigen der Gold Corporation veröffentlicht und eine kritische Berichterstattung über die Schürfpläne unterlassen. Als Hauptargument zugunsten der Riesenmine werden neue Arbeitsplätze und horrende Staatseinnahmen genannt. Laut der jüngsten Einigung zwischen der rumänischen Regierung und dem Unternehmen, die dem Gesetzentwurf angefügt wurde, ist die Einstellung von 2300 Beschäftigten in der zweijährigen Bauphase vorgesehen. Während des 17jährigen Förderbetriebs sollen 900 Menschen in der Mine Arbeit finden. Von dem Projekt verspricht sich die Regierung Einnahmen in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro.

Die Protestierenden nehmen nun das Parlament ins Visier. Das Votum der Abgeordneten wird letztlich über die Zukunft von Rosia Montana entscheiden. Sollte das Gesetz gebilligt werden, könnten die Arbeiten an der Mine sofort beginnen, selbst wenn der Fall vor das Verfassungsgericht gebracht würde. »Wir können nicht sagen, was aus dem Projekt wird, aber wir werden auf jeden Fall weiterkämpfen«, sagt Eugen David, der das Protestbündnis Alburnus Maior aus Rosia Montana leitet. »Am Ende wird es uns gelingen, uns von der Belagerung Rosia Montanas zu befreien.«

* Aus: junge Welt, Samstag, 21. September 2013

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