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Polnischer Soldat verklagt den Staat

Die Folgen von "Friedensmissionen" fern der Heimat

Von Julian Bartosz, Wroclaw *

In Warschau begann ein Zivilprozess, der zum Präzedenzfall werden könnte: Erstmals klagt ein in Afghanistan schwer verwundeter polnischer Soldat gegen das Verteidigungsministerium.

Der Obergefreite Mariusz Saczek wurde im Sommer 2010 als Besatzungsmitglied eines leichten Kampfwagens »Rosomak« während einer Patrouillenfahrt in Afghanistan durch eine Minenexplosion schwer verletzt. Bis heute gelähmt, fordert er vom Staat 3 Millionen Zloty (750 000 Euro) Entschädigung.

Einer von Saczeks Rechtsvertreter, Piotr Slawek, sagte zum Prozessbeginn, sein Mandant und andere durch die Explosion verwundete Soldaten seien in einem Fahrzeug auf die Streife befohlen worden, das den Einsatzbedingungen nicht genügte: Die Bodenpanzerung des »Rosomak« sei zu schwach gewesen.

Vizeminister Czeslaw Mroczek hielt dagegen, der Obergefreite habe bereits die beachtliche Summe von 325 000 Zloty (80 000 Euro) erhalten und beziehe eine Rente von 4500 Zloty (brutto). Saczek und seine Anwälte erklärten jedoch, das Geld habe er in den vergangenen drei Jahren bereits privat für seine Heilung und die Rehabilitation ausgeben müssen, weil die finanzielle Hilfe des Staates dafür nicht ausgereicht habe. Es sei unwahr, dass er Medikamente kostenfrei bekomme.

In einer Pressekonferenz bestätigte Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak das Recht Saczeks auf eine Zivilklage, verwies aber auf Vorschriften, die eine höhere Entschädigung nicht gestatteten. Die sei unakzeptabel, argumentierte dagegen Saczeks Anwalt, denn an den Folgen der Verletzungen werde sein Mandant lebenslang leiden. Es sei unerträglich, dass das Verteidigungsministerium einem Dialog über diese Problematik aus dem Wege gehe.

Laut Medienberichten stehen weitere derartige Zivilprozesse bevor. Bekannt wurde, dass bei den Missionen in Irak und Afghanistan insgesamt 800 polnische Soldaten geschädigt, etwa 400 davon schwer verletzt worden sind.

Tomasz Kloc, Vorsitzender des Vereins der Verletzten und Geschädigten bei Auslandsmissionen, kommentierte im Fernsehsender TVP, der Staat stehe bei seinen verletzten Soldaten in der Schuld. Ob diese Schuld mit einem »Kreuz für Wunden und Schädigungen« abgegolten ist, das 2012 vom Sejm per »Veteranengesetz« gestiftet wurde, ist moralisch mehr als zweifelhaft. Die eigentliche Frage lautet: Was haben polnische Soldaten überhaupt weit entfernt von der Heimat zu suchen?

* Aus: neues deutschland, Montag, 20. Januar 2014


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