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Näher zusammengerückt

Gemeinsame Reaktion Pekings und Moskaus auf provokatorische US-Manöver im Pazifik

Von Gerhard Feldbauer *

Die Gewässer im Süd-, Ostchinesischen und Gelben Meer gehören zu den strategisch neuralgischsten Gebieten des Pazifik. Hier liegen die Spratley- und Paracel­inseln, auf die China und Vietnam, aber auch Taiwan, Malaysia, Brunei und die Philippinen Ansprüche erheben.

Es geht um reiche Fischfanggebiete, vor allem aber um vermutete riesige Vorkommen an Erz, Erdöl und Erdgas. Durch das Gebiet führen etwa ein Viertel der Schiffahrtswege vom Nahen Osten nach Hongkong, Shanghai aber auch Japan. Die USA haben die Pazifik-Region zum zentralen Schauplatz der Durchsetzung ihrer Weltherrschaftspläne erklärt. Der Vietnam Kurier zitierte in Nr. 2/2010 den Kommandanten des Flugzeugträgers »George Washington«: »Diese Gewässer gehören niemandem«, die USA und jeder Staat der Welt hätten das Recht »hier zu operieren«. US-Außenministerin Hillary Clinton verkündete zu Jahresbeginn das »pazifische Jahrhundert der Vereinigten Staaten«. China ist der offen avisierte Hauptfeind. Die Volksrepublik steht an der Schwelle, die USA von Platz eins als Wirtschafts- und Finanzmacht zu verdrängen, und damit deren Führungsrolle generell in Frage zu stellen. Da Washington kaum noch über ökonomische Potenzen verfügt, setzt es auf die noch vorhandene militärische Überlegenheit und bezieht regionale Verbündete ein. 2011 wurde eine Flugzeugträgergruppe mit der »USS Carl Vinson« vor den Küsten Chinas stationiert.

Mitte April begann die US-Navy ein Manöver mit den Philippinen, an dem sich Japan, Australien und Südkorea beteiligten. Vorher hatte ein chinesisches Kriegsschiff in der Nähe des sogenannten Scarborough-Atoll philippinische Küstenwachboote gehindert, chinesische Fischer festzunehmen. Im anschließenden Manöver »Balikatan« (Schulter an Schulter) übten auf der Insel Palawan 6000 US-Marines und Verbündete u.a. eine Anlandung. Von dort aus werden acht von den Philippinen besetzte Spratleyinseln verwaltet. Peking warnte in scharfer Form, das Seemanöver trage massiv zu einer Verschärfung der Lage in der Region bei und werde »unvermeidlich Einfluß auf den Frieden und die Stabilität in der Region haben« (jW berichtete am 23. 04.). Das Forschungsinstitut International Crisis Group warnte, wie NZZ online zitierte, daß sich der Konflikt weiter zuspitzen könnte. Spiegel online sprach vom »Kalten Krieg zwischen Korallen«.

Eine Woche später begannen China und Rußland im Gelben Meer das Marinemanöver »Zusammenarbeit auf See«, an dem der Raketenkreuzer »Warjag« und fünf Kriegsschiffe der russischen Pazifikflotte teilnahmen, von chinesischer Seite 16 Schiffe und zwei U-Boote. Das vereinte Geschwader wirkte mit Flugzeug- und Hubschrauberstaffeln sowie Fallschirmjäger-Einheiten zusammen. Sowohl das russisch-chinesische als auch das von der US-Navy geführte Manöver wurden als »Kampf gegen Terror und Piraterie« bezeichnet. Xinhua hob jedoch deutlich die Luftabwehr und U-Bootbekämpfung sowie die Vernichtung von See- und Luftzielen und die Sicherstellung des Nachschubs auf hoher See hervor. Es wurde deutlich, daß Moskau und Peking gegen Wash­ingtons aggressiven Kurs näher zusammenrücken und militärische Präsenz zeigen. Obwohl als schon lange geplant bekanntgegeben, war es eine deutliche Reaktion auf die Provokation Washingtons, mit der auch rasches Handeln demonstriert wurde.

Mit Vietnam, dem einstigen Kriegsgegner, hielten die USA ein fünftägiges Marinemanöver ab, das am Sonnabend zu Ende ging. Drei amerikanische Kriegsschiffe mit dem Zerstörer »USS Chafee« an der Spitze liefen in den Hafen von Da Nang ein, der während des Krieges die stärkste Luftwaffen- und Marinebasis der USA war. 1400 US-Soldaten trainierten mit den Vietnamesen laut offiziellen Angaben Rettungs- und Noteinsätze. Es wurde betont, daß es sich um kein Militärmanöver handelt. Bereits im August 2010 waren der Flugzeugträger »George Washington« und der Lenkwaffenzerstörer »John S. McCain« in Da Nang zu gemeinsamen Übungen angelaufen. Insider sehen die Haltung Vietnams vor dem Hintergrund des anhaltenden Konflikts mit China, der im Frühjahr 1979 im Einfall Pekings in Nordvietnam gipfelte, und meinen, daß Hanoi geschickt die Machtbalance zu seinen Gunsten nutze.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 3. Mai 2012


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