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Blut für die Nachbarn

Palästinensische Linke solidarisiert sich mit Syrien und fürchtet, in den Krieg gezogen zu werden

Von Gerrit Hoekman *

Ein Redner der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) ruft den Demonstranten zu: »Hier in Gaza ist Syrien! Hier ist Damaskus! Ein Blut, ein Schicksal, ein Sache!« Zu der Kundgebung am vergangenen Dienstag im Gazastreifen hatten zahlreiche Organisationen der palästinensischen Linken gemeinsam aufgerufen, unter ihnen die Demokratische Volksfront (DFLP) und die kommunistische Volkspartei (PPP).

Im Nervenkrieg zwischen Damaskus und Washington hat sich die palästinensische Seite klar auf die Seite der Syrer gestellt. »Wir lehnen eine kriegerische Aggression gegen Syrien ab«, unterstrich Ibrahim Abu Hamid, Mitglied des Zentralkomitees der DFLP, einer arabischen Quelle zufolge am Rande der Veranstaltung. »Nur Israel profitiert von einem Angriff von außen – egal, auf welches arabische Land.« Der Konflikt in Syrien könne nur durch Verhandlungen beigelegt werden. Die Volkspartei ihrerseits verurteilte am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung mit den Kommunisten Tunesiens, Ägyptens, Bahrains, des Libanon, Jordaniens und Syriens den drohenden Angriff der USA und rief alle Araber zum Widerstand auf. Die PFLP wird auf ihrer Homepage noch deutlicher: »Ein Angriff auf Syrien ist ein Angriff auf Palästina.« Man vermutet hinter den Drohungen gegen Syrien auch einen Versuch Washingtons, das Palästina-Problem durch das Ausschalten der letzten Verbündeten Syrien, Iran und der libanesischen Hisbollah ein für allemal im Sinne Israels zu lösen.

Zur Unterstützung des bedrohten Nachbarn sammelt die PFLP in Gaza Blutspenden für die verletzten Syrer. In dieser Woche startete wieder eine solche Aktion im Flüchtlingslager Khan Yunis. Was aber passiert, falls Syrien einen Angriff seinerzeit mit Raketen auf Israel beantwortet, kann niemand vorhersagen. Die Angst davor greift auch auf die Palästinenser in der Westbank über. Die Autonomieverwaltung forderte die israelischen Behörden am Mittwoch auf, die Bewohner der besetzten Gebiete ebenfalls gegen einen möglichen Giftgasangriff zu schützen. Die Erinnerung an die beiden Irak-Kriege ist noch lebendig: damals erhielten nur Israelis Gasmasken.

Bereits seit geraumer Zeit sind die Palästinenser in den syrischen Konflikt hineingezogen worden, schon weil nach UN-Angaben knapp eine halbe Million von ihnen in Syrien leben. Einige von ihnen haben sich offen auf die Seite der Regierungstruppen gestellt, so die kleine PFLP-GC. Das von Ahmed Dschibril geführte »Generalkommando« hatte sich 1968 von der PFLP abgespalten und verfügt heute über einige hundert Kämpfer. Diese unterstützen die syrische Armee im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmuk in Damaskus gegen die islamistischen Aufständischen. Die hatte in den vergangenen zwei Jahren mehrfach versucht, das Viertel unter ihre Kontrolle zu bringen. Die heftigen Gefechte haben im Lager erhebliche Schäden angerichtet und viele zivile Opfer gefordert.

Die weit größere PFLP, die die Angriffe auf das Lager als »Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention« verurteilt hat, spielt die Waffenbrüderschaft der PFLP-GC mit Assad herunter. »Jeder kennt die wirkliche Größe des ›Generalkommandos‹. Sie sind nicht repräsentativ für die Palästinenser«, so Mariam Abu Bakkar vom Politbüro der Volksfront in Gaza gegenüber dem Internetportal Al-Monitor. »Ahmed Dschibril gehört nicht einmal zur palästinensischen Linken. Er steht den extremistischen Gruppen vom rechten Flügel viel näher«, findet Rabah Mhanna, der ebenfalls dem Politbüro der PFLP angehört.

Auffällig ist, daß sich die Solidaritätsadressen der Linken an die Syrer richten, nicht an die syrische Regierung. DFLP und PFLP erwähnen in ihren Statements den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad mit keinem Wort. Der Konflikt in Syrien sei »eine komplett syrische Angelegenheit, die nur von Syrern gelöst werden kann«, stellte die PFLP schon vor geraumer Zeit fest.

* Aus: junge welt, Freitag, 6. September 2013


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