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Ausbildungsmission für die Bundeswehr

Christine Buchholz (LINKE): Die deutschen Soldaten werden in Mali auch auf künftige Kampfeinsätze vorbereitet *


Christine Buchholz ist verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Sie war Mitglied der Delegation von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die in dieser Woche Senegal und Mali besuchte. Nach deren Rückkehr am Freitag sprach »nd«-Redakteur Martin Ling mit ihr.


Sie haben Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf ihrer Afrika-Reise nach Senegal und Mali begleitet. Ist von der Leyen eher Verteidigungs- oder eher Kriegsministerin?

Sie hat auf der Reise zumindest nicht den Eindruck erweckt, dass es in Mali um die Verteidigung Deutschlands geht. Stattdessen folgte sie klar der Linie, die von ihr, Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf der Münchner Sicherheitskonferenz formuliert wurde: mehr internationales Engagement Deutschlands – inklusive mehr militärischem. Der Trip nach Mali soll der in der deutschen Bevölkerung weit verbreiteten Skepsis gegenüber Auslandseinsätzen entgegenwirken. Das übergeordnete Reiseziel: Bilder schaffen, um die Beteiligung an zukünftigen Kriegen zu erleichtern.

Die stärkere Beteiligung Deutschlands wird von Malis neuer Regierung begrüßt. Außenminister Cheick Oumar Diarrah sagte gegenüber der »jungen Welt«, abhängig sei das Land derzeit ohnehin und Stabilisierung ohne ausländische Hilfe sei nicht vorstellbar, auch wenn er nicht ausschließen könne, dass Deutschland und Frankreich noch andere Interessen haben könnten … Für welche deutsche Politik in Mali plädieren Sie?

Vorab: Die zunehmende Einsatzorientierung der Bundeswehr führt dazu, dass die Bundesregierung sich ihre Krisen sucht. So aktuell eben in Mali. Die Ausbildungsmission der Bundeswehr in Mali ist nur ein Teilaspekt des militärischen Eingreifens in Mali. Die UN-Stabilisierungsoperation MINUSMA und der Kampfeinsatz von Frankreichs Armee im Norden Malis sind zwar formell getrennt von der Ausbildungsmission, werden aber untereinander koordiniert. Die ausgebildeten malischen Soldaten werden ja im Norden eingesetzt. Mein Eindruck während der Reise war, dass es nicht zuletzt darum geht, die Bundeswehr für zukünftige Einsätze, einschließlich Kampfeinsätze, in Afrika, zu befähigen.

Woran machen Sie das fest?

Zwei Beispiele: Im Rahmen der afrikanischen Mission in Mali AFISMA, die 2013 der MINUSMA vorausging, um den französischen Kampfeinsatz zu unterstützen, wurden erstmalig von der Bundeswehr Kampfflugzeuge in der Luft betankt, also in einem konkreten Einsatz. Oder der Aufbau von Feldlagern, mit großen Sanitätseinrichtungen unter tropischen Bedingungen: Das sind alles praktische Erfahrungen, die Deutschland in Mali für zukünftige Einsätze sammelt. Der Einsatz in Mali ist somit auch eine Ausbildungsmission für die Bundeswehr.

Dieser Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen. Was aber ist mit der malischen Regierung, die militärische Hilfe begrüßt?

Man darf nicht übersehen, dass wir es in Mali mit einer herrschenden Klasse zu tun haben, die nicht im Interesse der großen Mehrheit der Malier handelt. Das heißt nicht, dass man nichts tun solle. Nehmen wir die Situation der Flüchtlinge, noch immer befinden sich 160 000 Menschen in den Nachbarländern, die sich nicht in den Norden Malis zurückzukehren trauen. In den Flüchtlingslagern kann man helfen. Oder die akute Nahrungsmittelkrise: In Mali benötigen derzeit 800 000 Menschen Nahrungsmittelhilfe, und die Zahl könnte laut Hilfsorganisationen bald auf 3 Millionen ansteigen.

Was Malis politisches System angeht: Wie kann man die Teilhabe der Mehrheit der Malier an dem großen Ressourcenreichtum des Landes sicherstellen? In einem uran- und goldreichen Land wie Mali ist die Vergabe von Bergbaukonzessionen eine heiß umkämpfte Angelegenheit – lukrativ für die Konzerne und die heimische Elite. Als Linke sind unsere Partner die Menschen, die in Mali für andere Verhältnisse kämpfen.

Der Ausbau des deutschen Einsatzes in Mali wird von der Bundesregierung unter anderem mit der Notwendigkeit einer Entlastung Frankreichs begründet, das auch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) militärisch engagiert ist. ZAR-Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza fordert mehr ausländische Soldaten, um die Lage zu stabilisieren. Die Meldungen von Massakern an der Zivilbevölkerung reißen nicht ab. Der UN-Beauftragte für humanitäre Einsätze, John Ging, warnt vor einem Völkermord. Was antworten Sie ihnen?

Fakt ist: Die französische Operation Sangaris läuft seit zwei Monaten, ohne dass es zu einem Rückgang der Gewalt gekommen wäre. Die Operation hatte zum Ziel, die muslimischen Séléka-Rebellen zu entwaffnen. Das ist offenkundig nicht gelungen. Allerdings ist es zu einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse gekommen, zugunsten der christlichen Anti-Balaka-Milizen, die nun Jagd auf Muslime machen. Auch in der ZAR zeigt sich das grundsätzliche Problem eines militärischen Ansatzes. Wir haben als Linke keine schnelle Gesamtlösung, aber eine klare Richtschnur: Frieden mit zivilen Mitteln anzustreben. In der ZAR spielen dabei die Religionsgemeinschaften eine große Rolle. Ihr Potenzial zur Konfliktlösung und zur Versöhnung muss genutzt werden.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 8. Februar 2014


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