Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ein Platz an der Sonne

Regierung will mehr als 300 Soldaten nach Westafrika schicken. Abgeordnete sollen noch in dieser Woche über weiteren Kriegseinsatz entscheiden

Von Simon Loidl *

Bis zu 330 deutsche Soldaten sollen sich schon bald an Frankreichs Krieg in Mali beteiligen. Am Dienstag faßte das Kabinett in Berlin einen Beschluß über zwei Mandate, die nun dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden. 180 Soldaten sollen sich an der am Montag von den EU-Außenministern beschlossenen »Ausbildungsmission« für die malische Armee beteiligen. 150 weitere Bundeswehrangehörige sind für die logistische Unterstützung afrikanischer und französischer Truppen vorgesehen. Dabei geht es um die Luftbetankung französischer Kampfflugzeuge und um die bislang ohne Zustimmung des Bundestages laufenden Transportflüge mit drei Transall-Flugzeugen für Truppen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). Noch in dieser Woche sollen beide Mandate von den Abgeordneten abgesegnet werden.

»Wir Europäer haben ein ureigenes Interesse daran, daß in unserer Nachbarschaft kein sicherer Hafen für den Terrorismus der Welt entsteht», erklärte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) laut Nachrichtenagentur dapd zur Situation in dem 4000 Kilometer von der BRD entfernten westafrikanischen Land. Seine Parteifreundin Elke Hoff, verteidigungspolitische Sprecherin der Liberalen, äußerte hingegen Bedenken. Weder durch die Ausbildungsmission noch durch das Eingreifen westafrikanischer Soldaten würden die »Grundübel der Region« beseitigt, sagte Hoff der Rheinischen Post vom Dienstag. Sie bezeichnete fehlende Grenzkontrollen, die Waffenüberflutung nach dem Krieg in Libyen und den Drogenhandel als Grundprobleme der Region.

Wolfgang Gehrcke, Mitglied im Vorstand der Fraktion Die Linke, sagte, Mali brauche keine militärische Intervention, sondern eine politische Lösung. Auch die »sogenannte Ausbildungsmission« gehöre »zu diesem Krieg, ebenso wie die Entsendung der Transall-Flugzeuge zum Transport von Militärpersonal und Kriegsgerät und erst recht die Betankung französischer Kampfflugzeuge in der Luft«, so Gehrcke. Durch den jetzt erfolgten Antrag für die Mandatierung des Transall-Einsatzes würde die Bundesregierung zudem indirekt die Rechtsauffassung der Linken bestätigen, daß der Einsatz der Transportflugzeuge ohne das Mandat des Bundestages rechtswidrig gewesen sei.

Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, sagte hingegen, ihre Fraktion werde die beiden Mandate »wohlwollend kritisch betrachten«.

Der Bundesausschuß Friedensratschlag forderte die Abgeordneten auf, gegen die Anträge der Regierung zu stimmen. Neben der »Ausbildungshilfe« sehe die EU-Mission auch die Ausstattung der malischen Armee mit Waffen und Ausrüstung vor. »Die Rüstungskonzerne werden sich die Hände reiben – und der afrikanische Waffenmarkt wird weiter anwachsen«, so die Organisation.

Nach Angaben aus Paris sind bereits jetzt mehr als 9000 ausländische Soldaten in Mali im Einsatz; etwa 4000 davon kommen aus Frankreich, 5250 aus anderen afrikanischen Ländern. Zwischen Donnerstag vergangener Woche und Montag flogen französische Kampfflugzeuge 85 Einsätze, wie die dpa unter Berufung auf offizielle Stellen in Paris berichtete.

Die aktuelle Situation in Mali ist derzeit nur schwer nachzuvollziehen. Nach den militärischen Erfolgsnachrichten nach Beginn des Krieges Mitte Januar kommen derzeit nur wenige Meldungen aus dem Norden des Landes. Je schwieriger die Lage wurde, desto spärlicher informierte die französische Armee die Öffentlichkeit über ihren Einsatz. Mit der »Befreiung« der zuvor von islamistischen Gruppen kontrollierten Städte wie Timbuktu oder Gao begannen aufständische Kämpfer einen Guerrillakrieg mit Selbstmordattentaten und immer wieder aufflammenden Kämpfen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. Februar 2013


Rohstoffsicherung

Kabinett beschließt Mali-Einsatz

Von Werner Pirker **


Berlin will Paris die Waffenbrüderschaft nicht versagen. Das Bundeskabinett hat deshalb die Entsendung von 330 deutschen Soldaten nach Mali beschlossen. Für die geplante EU-Ausbildungsmission sollen 180 Bundeswehrsoldaten bereitgestellt werden, weitere 150 sind für den Einsatz von Transport- und Tankflugzeugen vorgesehen. Deutsche Kampftruppen sollen hingegen vorerst nicht in Marsch gesetzt werden.

Die Bundesregierung leidet immer noch unter dem Trauma einer richtigen Entscheidung. Sie hatte sich 2011 gegen eine Teilnahme an der Aggression gegen Libyen entschieden und war dafür von SPD, Grünen und der geballten veröffentlichten Meinung des Verrats an der westlichen Wertegemeinschaft bezichtigt worden. Das sollte ihr nicht wieder passieren. Ihre damalige Positionierung ergab sich aus einer gewissen Rücksichtnahme auf die pazifistische Stimmung in der Bevölkerung, aber auch aus dem Unwillen, sich von den Franzosen in die Militärpflicht nehmen zu lassen. Von solch vornehmer Zurückhaltung inzwischen weit entfernt, zeigt sich die Bundesrepublik fest entschlossen, bei der politischen Neuordnung Nordafrikas ein gewichtiges Wort mitzureden.

Der islamistische Terror gegen die Zivilbevölkerung im Norden Malis lieferte den Westmächten mit Frankreich als Speerspitze angeblich die menschenrechtliche Legitimation zum militärischen Eingreifen. Worum es aber tatsächlich geht, machte eben erst die vor einem halben Jahr von Industriekonzernen gegründete »Allianz für Rohstoffsicherung« deutlich. Deren Geschäftsführer Dierk Paskert forderte in einem Interview mit dem Handelsblatt »eine strategisch ausgerichtete Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik«, um die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen zu gewährleisten. Im Klartext bedeutet das die militärische Erzwingung einer sicheren Rohstoffversorgung. Ein Argument für militärische Interventionen, dem sich die Bundestagsabgeordneten bei ihrer Abstimmung über einen Mali-Einsatz der Bundeswehr nicht verschließen werden. Deutschlands Rohstoffsicherheit wird in der malischen Wüste verteidigt.

Am Hindukusch hat sich die neue deutsche Verteidigungsdoktrin ja nicht sonderlich bewährt, weshalb sich die Bereitschaft in Grenzen hält, sich in einen weiteren Konflikt mit unabsehbaren Folgen zu verstricken. Die Frage ist nur, ob bei einer Eskalation des Konfliktes die Entscheidung über den Grad ihres Engagements noch bei den Deutschen liegt? Immerhin hat Frankreich angekündigt, sich früher oder später aus dem Norden Malis zurückzuziehen. Wie stellt sich dann das militärische Kräfteverhältnis dar? Als Ausbilder der malischen Regierungstruppen würde die Bundeswehr mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem der Zielobjekte terroristischer Anschläge werden. Und mit Mali wird das nicht sein Bewenden haben. Die Allianz für Rohstoffsicherung stellt noch weitere militärische Großaufträge in Aussicht.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 20. Februar 2013


Zurück zur Mali-Seite

Zur Bundeswehr-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage