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De Maizière: "Wir stehen dort erst am Anfang eines langen Weges" / Gehrcke (Linke): "Die alte Kolonialmacht Frankreich ist für diese Zustände mitverantwortlich. Sie ist daher nicht geeignet, diese zu beheben"

Der Bundestag debattiert in erster Lesung über den Einsatz der Bundeswehr in Mali (Reden im Wortlaut)


Am 20. Februar 2013 beriet der Deutsche Bundestag in erster Lesung über zwei Anträge der Bundesregierung bezüglich der Entsendung deutscher Soldaten nach Mali. Die Anträge können hier heruntergeladen werden:
  • Antrag der Bundesregierung Ausbildungsmission Mali (Drucksache 17/12367): Drucksache 17/12367
  • Antrag der Bundesregierung Unterstützungsmission Mali (Drucksache 17/12368): Drucksache 17/12368
Wir dokumentieren im Folgenden die Debatte.
Die folgenden Abgeordneten ergriffen in der Debatte das Wort in dieser Reihenfolge:

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ich rufe auf die Zusatzpunkte 2 a und b:
a) Beratung des Antrags der Bundesregierung
Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
– Drucksache 17/12367 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b)Beratung des Antrags der Bundesregierung
Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – Drucksache 17/12368 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Hierzu ist verabredet, eine Stunde lang zu debattieren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so beschlossen. Als Erstem gebe ich das Wort dem Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung:



Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute das weitere Vorgehen in Mali, und das – wenn ich mir den Hinweis erlauben darf – auch zu einer guten Tageszeit. Zunächst: Es war richtig und wichtig, dass Frankreich zügig gegen den Vormarsch der islamistischen Kämpfer in den Süden Malis vorgegangen ist. Für die schnelle Entschlusskraft Frankreichs habe ich persönlich großen Respekt. Frankreich hat zwei Soldaten verloren, erst gestern den zweiten. Unser Beileid gilt den Angehörigen und Frankreich. Es war auch richtig, dass wir, wir Deutschen, schnell auf der Ebene unterhalb der Einsatzschwelle mit Transportkapazität denjenigen geholfen haben, die überhaupt keine Transportkapazität hatten, nämlich den afrikanischen Staaten.

Aber auf dem Weg zur nachhaltigen Beilegung des Konflikts in Mali war die militärische Intervention erst der Beginn eines Weges, eines militärischen, eines politischen, eines ökonomischen, vielleicht auch eines religiösen Weges. Mein Kollege Westerwelle wird zu den politischen Aspekten natürlich gleich noch vortragen. Mali selbst muss seinen Bürgerinnen und Bürgern Frieden und Stabilität gewährleisten können. Aber bis malische Streitkräfte und Sicherheitskräfte diese Stabilisierungsaufgabe allein erfüllen können, brauchen sie Ausbildung und Hilfe.

Mit der europäischen Ausbildungsmission wollen wir unsere afrikanischen Partner so stärken, dass es künftig nicht mehr zu einem Machtvakuum kommen kann und sie selbst in der Lage sind, solche Krisen möglichst eigenständig zu meistern. Dabei gilt es, den malischen Streitkräften – ehrlich gesagt – ziemlich grundlegende Fähigkeiten zu vermitteln und zunächst einmal vier malische Gefechtsverbände auszubilden und ihnen das beizubringen, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte können müssen.

Die europäische Ausbildungsmission wird ihre Arbeit zunächst in Bamako und am Ausbildungsort Koulikoro aufnehmen. Neben insbesondere der Pionierausbildung stellen wir die sanitätsdienstliche Versorgung sicher und unterstützen auch im Bereich der Sanitätsausbildung. Es werden auch einige Offiziere im Hauptquartier sein. Es kommt ein Unterstützungselement hinzu, dessen Größenordnung wir noch nicht genau kennen, weil es erst nach Abschluss der näheren Erkundungen festgelegt werden kann. Insgesamt bitten wir um die Zustimmung zu einer Höchstgrenze von bis zu 180 deutschen Soldatinnen und Soldaten bei EUTM.

Die Dauer des Einsatzes wird zunächst auf ein Jahr befristet sein. Ich sage ausdrücklich „zunächst“, denn die Erfahrung zeigt, der Aufbau von nachhaltig friedenserhaltenden Strukturen, gerade auch der Aufbau von Sicherheitsstrukturen ist hochkomplex und dauert meist länger, als man sich das vorher in seinen Planungen überlegt und zurechtgelegt hat. Wir brauchen wohl Geduld und Ausdauer.

Meine Damen und Herren, der Sicherheitsrat hat mit der Resolution 2085 die internationale Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung, AFISMA, mandatiert. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, das zu unterstützen. Ziel von AFISMA ist es, die malische Übergangsregierung bei der Wiederherstellung ihrer Autorität sowie beim Schutz der Bevölkerung zu unterstützen. Wir wollen mit dem zweiten Mandat, das wir Ihnen heute vorlegen, die deutschen Unterstützungsleistungen zusammenfassen. Alle deutschen Unterstützungsleistungen für AFISMA und damit auch für Frankreich erfolgen auf der Grundlage der Resolution 2085 des Sicherheitsrates. Bestehende Einsatzbeschränkungen werden aufgehoben.

Die Bundeswehr leistet logistische Unterstützung durch Lufttransport und Luftbetankung. Die bisher unterhalb der Einsatzschwelle eingesetzten Lufttransportfähigkeiten werden in das Mandat einbezogen. Transportunterstützung erfolgt durch die ECOWAS- und Anrainerstaaten nach Mali und innerhalb Malis. Die Personalobergrenze für diese Mission liegt bei 150 Soldatinnen und Soldaten. Damit kommen wir auch der Bitte Frankreichs nach, Luftbetankung für französische Flugzeuge bereitzustellen, die AFISMA unterstützen. So können die französischen Flugzeuge bei ihren Unterstützungsflügen für AFISMA in der Luft betankt werden. Die Zertifizierung ist seit einigen Tagen abgeschlossen.

Die Entscheidung der Bundesregierung, um deren Zustimmung wir Sie in den Beratungen auch in der nächsten Woche bitten, ist gut überlegt. Sie ist eindeutig. Sie ist international abgestimmt, und sie ist verantwortbar. Ich füge hinzu: Wenn wir Soldaten in einen Einsatz schicken, dann ist das eine ernste Angelegenheit. EUTM ist ein Ausbildungseinsatz. AFISMA ist ein logistischer Unterstützungseinsatz, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jeder Einsatz kann für unsere Soldaten vor Ort gefährlich werden. Asymmetrischen Bedrohungen müssen wir begegnen und uns gegen sie wappnen. Ich will darüber keinerlei Illusionen verbreiten.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung:

Ich erlaube Ihnen gerne, Herr Ströbele, eine Zwischenfrage zu stellen. Das vermeidet eine Kurzintervention.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Ströbele, bitte schön.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Minister, dass Sie Ihren Redefluss etwas unterbrochen haben. – Sie sagen, dieser Einsatz ist gut überlegt. Nun hat Deutschland bis vor ungefähr einem Jahr dieselbe Armee in Mali ausgebildet. Diese Ausbildung wurde dann beendet, weil diese Armee die Regierung weggeputscht hat. Nun sagen Sie ein Jahr später, dass wir diese Armee, die geputscht hat und die wir nicht mehr ausbilden wollten, weil sie geputscht hat, unterstützen wollen, obwohl damals nicht nur die Ausbildung zurückgeführt wurde, sondern auch die sonstige Unterstützung der Regierung in Mali beendet bzw. reduziert wurde. Können Sie mir erklären, warum eine Armee, deren Angehörige zwischenzeitlich zu Tausenden zu den Islamisten übergelaufen sind und sich noch vor ein paar Tagen in einem Armeestützpunkt nahe Bamako gegenseitig beschossen haben, ausgebildet und ihr beigebracht werden soll, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte – so habe ich mir Ihre Aussage notiert – leisten können? Warum ist dieser Armee nicht zuvor beigebracht worden, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte leisten können? Wieso gehen Sie nun davon aus, dass diese Truppe durch die Ausbildung der Bundeswehr besser wird? Das will mir nicht in den Kopf. Verlassen Sie sich allein darauf, dass die dortigen Streitkräfte sagen: „Wir wollen jetzt immer lieb sein“?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung:

Nein, Herr Abgeordneter Ströbele, Sie haben die Erklärung eigentlich selbst gegeben: Die malischen Streitkräfte sind in keinem guten Zustand. Wir waren mit vier, fünf, sechs Soldaten dabei und haben Pioniere ausgebildet. Ehrlich bzw. etwas arrogant gesagt: Die, die wir ausgebildet haben – wir haben zu ihnen noch ein bisschen Kontakt –, gehören sicherlich zu den Besseren der malischen Streitkräfte,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche sind die Besseren? – Gegenruf des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Die von uns ausgebildet worden sind! – Weiterer Gegenruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU]: Hören Sie einmal zu!)

aber es waren eben nur wenige.

Herr Ströbele, ob es überhaupt die Armee ist, die ausgebildet wird, oder ob es malische Staatsbürger sind, die wir erst zu Soldaten machen und zu einer Streitkraft zusammenführen, das wird man vor Ort sehen. Der Zustand ist so, dass dieses Land endlich demokratisch und rechtsstaatlich geführte Streitkräfte braucht. Solche hat es bisher nicht, und diese kann das Land nicht aus eigener Kraft schaffen – aus den Gründen, die Sie geschildert haben: Die Soldaten haben sich untereinander beschossen. Der Hauptmann Sanogo weiß nicht, wem seine Loyalität gehört. Die Regierung ist zu schwach, um die Streitkräfte zu führen.

Deswegen ist es richtig, dass die Europäische Union mit rund 200 Ausbildern konsequent, konsolidiert und rechtsstaatlich die malischen Streitkräfte nun einer Entwicklung zuführt, die das verhindert, was zu dem geführt hat, was es jetzt gibt. Das ist genau der Auftrag.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, zu einer offenen und ehrlichen Debatte um Mali gehört auch die Erkenntnis, dass wir dort – ich sagte es zu Beginn – sicher erst am Anfang eines langen Weges stehen. Streitkräfte können und müssen jetzt einen unverzichtbaren Beitrag leisten, aber es bleibt nur ein Beitrag. Und ich ergänze: Auf die längerfristige Entwicklung in Mali werden wir Europäer wohl eher nur einen begrenzten Einfluss haben. Den Einfluss, den wir haben, sollten wir aber nutzen, um die Menschen in Mali nach besten Kräften beim Wiederaufbau ihres eigenen Staates zu unterstützen.

Unsere Soldaten brauchen unsere Unterstützung. Unsere guten Wünsche begleiten sie auf ihrem Weg. Ich bitte Sie alle um breite Zustimmung zu den beiden Mandaten – so wie es sich ja abzeichnet – auf dem Weg zu einem besseren Mali.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Rainer Arnold hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Rainer Arnold (SPD):



Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist in der Tat ein gemeinsames europäisches Interesse, dass im nördlichen Afrika die Stabilität nicht weiter zerbricht. Staatszerfall mit Rückzugsräumen für internationale Terroristen, für Gotteskrieger, die dort Ausbildung betreiben, betrifft uns im Augenblick mittelbar – mit Flüchtlingsströmen, mit schwerster Kriminalität, mit Entführungen in dieser Region –, würde uns aber sehr bald auch sehr direkt betreffen, weil die Agenda der sogenannten Gotteskrieger im Sahel eine globale ist. Sie bekämpfen unsere offenen demokratischen Gesellschaften, unsere Art, zu leben. Dies ist kein Problem für Frankreich alleine; es ist in der Tat ein gemeinsames europäisches Problem.

Richtig ist aber schon: Die französischen Partner haben aufgrund ihrer Geschichte, ihrer manchmal auch besonderen Interessenlage in dieser Region besondere Verantwortung. Sie haben aber auch besondere Expertise und Erfahrung sowie besondere militärische Fähigkeiten. Deshalb war es richtig und gut – das muss man hier ausdrücklich sagen –, dass die französischen Partner entschlossen reagiert und eben nicht zugewartet haben, bis das ganze Land Mali in die Hände derer fällt, die mit ihren Waffen die Menschen am brutalsten unterdrücken.

Richtig ist auch: Würde Europa, würde Deutschland Frankreich allzu sehr alleinlassen, würde damit auch eine wichtige Idee, nämlich die Idee einer vertieften europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die dringend notwendig ist, massiv beschädigt.

(Zurufe von der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

An dieser Stelle, wo es um die Entwicklung hin zu einer vertieften europäischen Sicherheitspolitik geht, würde ich mir durchaus ein bisschen größere Ambitionen der Bundesregierung wünschen. Ich sage: Für uns Sozialdemokraten ist dieses Argument auch ein Argument dafür, dass wir am Ende diese Mandate mit möglichst breiter Mehrheit verabschieden.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen bei der Debatte nicht nur zurückschauen. Ich habe auch nicht diesen Oppositionsreflex, dass man immer dagegen sein muss, wenn die Regierung etwas vorschlägt. In der Sicherheitspolitik sehen wir eine gemeinsame Verantwortung. Aber wir müssen schon an etwas erinnern, vor allen Dingen den Herrn Außenminister: Der Start dieser Debatte war bei der Bundesregierung äußerst – äußerst! – holprig. Was Sie ursprünglich mit den beiden Fliegern geplant hatten, war in keiner Weise ausreichend. Wir haben Ihnen vorausgesagt, dass die zwei Transall nicht reichen werden, weil es den deutschen Interessen und der deutschen Verantwortung nicht gerecht wird.

Die Bundesrepublik hat bei den Vereinten Nationen beiden Resolutionen zugestimmt, und nun muss man auch konsequent sein.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Die SPD war doch gar nicht dabei!)

Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland Frankreich ein bisschen unterstützt, aber es im Grunde genommen den Franzosen überlässt, ambitioniert dafür sorgen, dass es am Ende gelingt und erfolgreich wird. Ich wünsche mir schon, dass sichtbar wird: Wir haben ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Aufgabe, dass Mali wieder zurück auf den stabilen Weg geführt wird, auf dem das Land übrigens in den letzten 15 Jahren vor dem Hintergrund der Fragilität in dieser Region durchaus war.

Der Minister der Verteidigung hat dieses Mandat heute vorgestellt; dazu brauche ich gar nicht mehr viel zu sagen. Ich bin durchaus der Auffassung, dass der Umfang und auch die Definition des Auftrages, dass die Ausweitung, auch Sanitätssoldaten dorthin zu schicken, richtig sind und dass es auch notwendig ist, die bisherigen Kapazitäten im Lufttransport endlich in ein korrektes Mandat, das vom Deutschen Bundestag abgesegnet wird, zu bringen. Das haben wir Ihnen zu Beginn auch gesagt. Wenn Sie es jetzt nachgelagert heilen, ist dies sicherlich richtig.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, wir brauchen dann nicht zu klagen!)

Für die Debatte um Mali gilt für uns alle aber auch, ganz bewusst die Lehren aus Afghanistan zu ziehen.

Die erste ist, nicht zuzuwarten, bis ein Land in die Hände von fundamentalistischen Islamisten fällt, die uns dann bedrohen, indem sie Rückzugsräume für Terroristen zur Verfügung stellen.

Die zweite Lehre ist, nicht zu glauben, dass man einfach von außen mit 130 000 Soldaten kommen und ein Land stabilisieren kann. Es ist ganz klar: Es war in Afghanistan und es ist jetzt von vornherein in Mali der richtige Weg, örtliche Sicherheitskräfte zu qualifizieren und sie, wo es sein muss, auch auszustatten sowie regionale Sicherheitsarchitekturen in jeder Hinsicht zu stärken.

Die dritte Lehre ist: Wir haben in Afghanistan deutlich gemerkt, dass Militär zwar Zeitfenster offenhalten kann, damit andere Akteure – Diplomaten, Zivilgesellschaft, Teilhaber an wirtschaftlichen Beziehungen – die Prozesse voranbringen können; aber Militär kann letztlich die Probleme nicht lösen. Deshalb sind die politischen Prozesse vom ersten Tag an entscheidend.

Der deutsche Außenminister hat zu Beginn der Mali-Debatte im Grunde genommen dreimal am Tag gesagt: Es bedarf politischer Prozesse. – Das ist nicht falsch. Sie haben ja nachher Gelegenheit zu reden, Herr Minister. Wir wünschten uns schon, dass Sie dann auch einmal ein bisschen liefern und erklären, was die Deutschen tun, um diese politischen Prozesse in Mali voranzubringen. Was ist mit der Roadmap, die beschlossen worden ist? Ist es richtig, bereits im Juni Wahlen abzuhalten, oder muss man sich nicht die Zeit nehmen, damit die Registrierung zur Wahl möglich wird und die Seriosität und die demokratischen Prinzipien der Wahl von den Menschen eingesehen und akzeptiert werden können? Wie gehen wir mit der komplizierten Situation um, dass die MNLA, die Tuareg-Aufständischen jetzt wieder in die Prozesse eingebunden werden, wir aber doch gleichzeitig hören, dass sie im Land in der Breite eben keine Akzeptanz in der Gesellschaft haben? Ich weiß, es gibt keine einfachen Antworten. Aber dazu müssten Sie sich schon einmal äußern.

Wir würden auch gern einmal hören, was die deutsche Entwicklungszusammenarbeit tut bzw. wie sie sich verstärkt engagiert, um den Malis und den Nachbarstaaten zu helfen, mit den unglaublichen Flüchtlingsströmen umzugehen. Natürlich erwarten wir auch, dass Sie sich zu der UN-Mission – es wäre ja richtig, wenn sie im März beschlossen würde – entsprechend äußern.

Viele haben gesagt – die Linken tun es auch heute wieder –: Verhandeln ist das Maß der Dinge. – Natürlich ist Verhandeln immer besser, als Militär einzusetzen.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)

– Das ist eine Binsenweisheit, Herr Kollege. – Aber ich frage mich schon: Wann merken die Linken – vielleicht irgendwann doch –, dass Verhandeln zwar besser ist, dass man aber Partner auf der anderen Seite braucht, mit denen man noch verhandeln kann, die überhaupt noch die Freiheit haben, zu verhandeln? Hätte Frankreich, wie Sie forderten, in Mali zugeschaut und nicht verhindert, dass das ganze Land unter die Fittiche von fundamentalistischen Gotteskriegern gerät, dann hätten Sie auch niemanden zum Verhandeln gehabt.

(Zuruf von der LINKEN)

Es ist doch klar: Mit manchen Tuareg-Gruppen und über deren durchaus akzeptable Interessen kann und muss man in Mali reden. Aber glauben Sie wirklich, dass Sie mit islamistischen Fundamentalisten, die nichts anderes vorhaben, als die Region zu destabilisieren und unsere Art zu leben zu bekämpfen,

(Zuruf von der LINKEN: Aber auch in Syrien!)

über irgendetwas verhandeln können? Will Gregor Gysi jetzt auch einmal nach Mali fahren, um diese Probleme zu lösen?

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Nein, ich wünsche mir, dass die Linken der Wirklichkeit ein bisschen mehr ins Auge schauen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege!

Rainer Arnold (SPD):

Wir in den anderen Fraktionen sehen die gemeinsame Verantwortung. Meine Fraktion wird nächste Woche darüber beraten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es am Ende eine breite Akzeptanz für die Wahrnehmung dieser Aufgabe geben wird.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege!

Rainer Arnold (SPD):

Ich komme zum Ende. – Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir die Bundesregierung kritisch, aber konstruktiv ermuntern, den politischen Prozess in Mali aktiver zu gestalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle hat das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Frau Präsidentin! Herr Kollege Arnold, zunächst eine Bemerkung vorab: Dass Sie angekündigt haben, dass Sie die Mandate, die die Bundesregierung in Person des Verteidigungsministers eben hier eingebracht hat, mutmaßlich unterstützen werden, begrüße ich natürlich. Ich verstehe auch, dass Sie das eine oder andere Wort nach innen an Ihre eigene Partei richten müssen und Fragen aufwerfen, die keine deutsche Bundesregierung beantworten kann. Wären wir als Bundesregierung in der Lage, Ihnen ein Patentrezept mit entsprechenden Fahrplänen vorzulegen,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wenigstens ein Rezept!)

wie die Stabilität und der Frieden in der gesamten Sahelregion wiederhergestellt werden könnten, würden wir keinen Augenblick zögern. Wir wollen auch nicht so tun, als sei dies eine Angelegenheit, die allein von Europa aus beeinflusst oder gestaltet werden könnte. Letzten Endes geht es auch bei diesem Mandat darum, dass wir Europäer erkennen müssen, dass das hier, wie es auch die Vereinten Nationen beschlossen haben, zuallererst in afrikanischer Verantwortung liegt. Wir sind betroffen; aber es ist in afrikanischer Verantwortung. Deswegen trainieren und bilden wir die Afrikaner so aus, dass sie ihren eigenen Beitrag zur Stabilisierung im Norden Malis wahrnehmen können. Aber wir können nicht alles leisten, und wir dürfen gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern auch nicht die Illusion erwecken, als sei der Deutsche Bundestag in der Lage, allein die Mali-Krise zu lösen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das sind wir nicht. Wir leisten einen Beitrag, und alles andere ist für das eigene heimische Parteipublikum, aber dieser Debatte nicht angemessen.

Drei Ursachen haben uns in diese Lage gebracht. Wenn ich „uns“ sage, dann unterstütze ich ausdrücklich auch das, was Sie, Herr Kollege Arnold, und auch der Verteidigungsminister Thomas de Maizière gesagt haben.

Erstens. Wir als Europäer sind betroffen, weil der Norden Malis eine Staatsgrenze vom Mittelmeer entfernt ist. Wir können nicht zusehen, wie im Norden Malis ein sicherer Hafen für den Terrorismus gebaut wird, der dann wiederum auch für uns eine Bedrohung in unserem eigenen Land in Mitteleuropa bedeutete. Dies ist der eigentliche Grund für das Mandat, und das müssen wir auch unseren Bürgerinnen und Bürgern sagen. Wir helfen also nicht nur altruistisch Menschen vor Ort – das tun wir auch –, sondern in einer zusammenwachsenden Welt geht es auch darum – vor allen Dingen das müssen wir unseren eigenen Bürgerinnen und Bürgern sagen –, unsere Freiheit, unsere offene Gesellschaft und die Art, wie wir in Europa leben, zu verteidigen.

(Zuruf von der LINKEN: Am Hindukusch!)

Dies beschreibt die Aufgabe, die jetzt im Norden Malis wahrgenommen wird.

Die Schwierigkeiten sind kurzfristig durch den Putsch im März letzten Jahres entstanden. Dies hat dazu geführt, dass eine massive Auseinandersetzung stattgefunden hat, in der die ohnehin sehr schwachen staatsorganisatorischen Kräfte noch einmal geschwächt worden sind.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt unterstützen wir wen?)

Es hat – darauf haben Sie, Herr Kollege Ströbele, auch keine Antwort – innerhalb der malischen Armee also erhebliche Kämpfe und Auseinandersetzungen gegeben.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wen bilden wir jetzt aus? Welche Seite?)

– Ich komme darauf. – Dies einfach zu sagen und dann nichts zu tun, ist die falsche Schlussfolgerung.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht besser!)

– Herr Kollege Ströbele, wirklich! Nur weil man einen Panorama-Bericht gesehen hat, hat man sich mit diesem Thema noch nicht richtig befasst. Das muss ich Ihnen wirklich einmal sagen. Das, was Sie hier einbringen, ist sehr oberflächlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zweitens. Das, was in Libyen stattgefunden hat, hat enormes Potenzial an Kraft und Gewalt und leider auch an Waffen und an Geld in Umlauf gesetzt.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kamen die Waffen her?)

Dies hat zusammen mit dem Putsch, der im März stattfand, den Konflikt natürlich noch einmal zugespitzt.

Jetzt kommen wir zu dem, worüber ich hier eigentlich sprechen möchte, nachdem der Verteidigungsminister das Mandat, wie ich finde, richtigerweise umfassend begründet und eingebracht hat: Die eigentliche Ursache, die Hauptursache, auf die wir uns im politischen Prozess konzentrieren müssen, liegt darin, dass die Benachteiligung des Nordens als eine gesamtstaatliche Aufgabe angegangen werden muss. Das heißt, die Situation Malis nördlich des Nigerbogens zeigt nicht erst neuerdings, sondern mindestens seit dem Tuareg-Aufstand in den 90er-Jahren, dass die Bevölkerung dort berechtigterweise das Gefühl hat, dass sie unterprivilegiert ist, dass sie vom Kernland Mali nicht ausreichend berücksichtigt wird und dass sie an der besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Kernland Malis nicht teilhat. Das hängt auch sehr stark mit den Grenzen, die gezogen worden sind, zusammen. Wir wissen natürlich alle, was dies mit der europäischen Geschichte zu tun hat. Das wollen wir nicht verschweigen. Die Menschen, die dort leben, haben nicht die soziale und die wirtschaftliche Teilhabe.

Ich war dort und habe Gespräche geführt. Ich habe auch mit den Repräsentanten der Tuareg gesprochen. Sie sagten: Verwechseln Sie nicht diejenigen, die jetzt kämpfen, mit uns und unseren berechtigten Interessen. Wir haben mit diesen Terroristen nichts zu tun. Es sind in weiten Teilen Terroristen aus dem Ausland, die in das Land hineingebracht worden sind

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

und die uns jetzt quälen und unterdrücken. – Das ist die eigentliche Ursache. Darauf konzentriert sich auch der politische Prozess. Herr Kollege Arnold, natürlich ist die Frage bezüglich der Roadmap, die Sie aufwerfen, berechtigt. Die Roadmap ist übrigens mit europäischer und deutscher Unterstützung verabschiedet worden. Wir haben über die Roadmap gesprochen. Wir haben mit den Betroffenen verhandelt. Diese Roadmap sieht vor, dass man zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehrt.

Das beantwortet übrigens auch Ihre Frage, Herr Kollege Ströbele. Nur die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung wird auch staatliche Ordnungskraft wiederherstellen und dafür sorgen, dass ein Primat der Politik in der Lage sein wird, zum Beispiel Streitkräfte einzusetzen und nach innen wie nach außen zu kontrollieren. So ist es.

Es ist richtig, die Frage zu stellen: Sind Wahlen im Sommer möglich? Nach den Gesprächen, die ich mit François Hollande und vor allem mit dem Außenminister Laurent Fabius am Montag geführt habe, ist mein Eindruck, dass die Franzosen und die afrikanischen Partner die Herausforderung, ob ein solcher Wahlprozess zum avisierten Zeitpunkt möglich ist, sehr genau sehen. Was ist aber die Alternative? Die Wahlen abzusagen und in eine Jahreszeit zu verschieben, in der man über Monate nicht mehr wählen kann? Das funktioniert nicht. Deswegen wäre es falsch, wenn wir die Roadmap, die gerade in Mali beschlossen worden ist, von Europa aus infrage stellen würden, weil wir Zweifel haben. Das Wichtigste ist, dass der politische Prozess in Gang gekommen ist. Dazu zählt die Roadmap. Die Bundesregierung unterstützt diesen politischen Prozess und auch diese Roadmap und stellt sie nicht infrage. Es ist nämlich wirklich der Hoffnungsschimmer in einer ohnehin sehr schweren Lage, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir werden natürlich bei der Umsetzung der Roadmap helfen. Das haben wir angeboten. Das ist nichts Neues. Das haben auch die Regierungen vor uns getan. In den 90er-Jahren hat Deutschland eine wichtige Rolle gespielt, zum Beispiel beim politischen Vermittlungsprozess. Diese werden wir wieder einnehmen. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit hat den Kontakt mit Mali wieder aufgenommen. Das heißt, dort, wo die Roadmap sichtbar ist, also der politische Prozess begonnen hat, den wir bei früheren Debatten im Deutschen Bundestag zu diesem Thema verlangt haben, sind wir umgekehrt bereit, die Entwicklungszusammenarbeit wieder aufzunehmen und zu forcieren. Das ist auch für die Menschen wichtig, weil im Norden oftmals schon wenig eine ganze Menge ist, um soziale, politische und wirtschaftliche Partizipation voranzubringen.

Auf die beiden Mandate muss ich nicht mehr eingehen, weil sie umfassend begründet worden sind. Im Zusammenhang mit dem politischen Prozess muss man sich schon mit etwas Hintergrund und Tiefgang mit diesen Themen befassen. Ich möchte Ihnen nur mitteilen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass derzeit in New York bei den Vereinten Nationen diskutiert und erörtert wird, ob das zweite Mandat, also nicht das europäische Ausbildungsmandat, das von europäischer Ebene auf 15 Monate angelegt worden ist – wir legen es auf 12 Monate an, weil das die Regelung zwischen Bundestag und Bundesregierung ist –, sondern das unmittelbare logistische Unterstützungsmandat – so nenne ich es einmal –, in eine Blauhelmmission überführt werden kann. Ich kündige das hier nicht an – das habe ich den Obleuten in unserem Gespräch am Dienstag auch gesagt –, will Sie aber nicht im Unklaren darüber lassen. Herr Gehrcke, Sie wissen das: Ich habe da nie etwas im Unklaren gelassen.

Wir beraten derzeit darüber, ob es ein solches Blauhelmmandat der Vereinten Nationen geben wird. Das wäre aber frühestens ab Mai möglich, und bis dahin können wir weder die Afrikaner noch die Franzosen im Stich lassen.

Deswegen ist es richtig, dass wir so handeln, wie vorgesehen, und die Afrikaner befähigen. Ich glaube, es ist auch für die Franzosen die beste Form der Unterstützung, jetzt die Afrikaner zu befähigen, ihrer eigenen Verantwortung in Mali nachzukommen. Das tun wir im Rahmen eines sehr gut überlegten politischen Prozesses. Hier stellen sich viele Fragen, die weder die deutsche Regierung noch, wie ich glaube, irgendeine Regierung der Welt derzeit beantworten kann. Dennoch ist es richtig, dass wir so handeln. Es versteht sich von selbst, dass wir jederzeit bereit sind, mit dem Bundestag zu reden – vielleicht auch über ein neues Mandat –, wenn sich Dinge, zum Beispiel in New York, verändern. Sie sehen: Es handelt sich eben nicht um eine Politik, die sich ausschließlich auf das Mandat konzentriert. Vielmehr ist und bleibt der politische Prozess im Vordergrund unserer Bemühungen. Er birgt die einzige Möglichkeit, langfristig für einen Ausgleich und für eine Stabilisierung in Mali zu sorgen.

Damit wir uns hier nicht missverstehen, sage ich Ihnen nur eines: Es verhält sich genau so, wie es der Bundesverteidigungsminister gesagt hat. Das Mandat ist ernst. Auch die Lage in Mali ist ernst. Ich fürchte, wir werden in den nächsten Monaten und Jahren über islamistischen Terror und über den Aufbau neuer Terrorzellen, und zwar an Stellen, die wir heute gar nicht auf dem Radarschirm haben, reden müssen. Dennoch ist es richtig und auch geboten, dass wir jetzt so handeln, damit wir unseren Beitrag dazu leisten, dass vor unserer Haustür keine Bedrohung für uns, unsere eigene Sicherheit und unsere offene Gesellschaft entsteht. Diese Menschen werden nicht von uns angegriffen, sondern sie wollen unsere offene Art zu leben bekämpfen. Da müssen wir eine wehrhafte Demokratie sein, nach innen wie nach außen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Wolfgang Gehrcke hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):



Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann vieles von dem teilen, was hier von der Analyse her gesagt worden ist – darauf werde ich zurückkom-men –, aber komme zu anderen Schlussfolgerungen. Die Linke wird den beiden Anträgen, die bedeuten, dass bis zu 330 Bundeswehrsoldaten – das ist die Obergrenze – in den Einsatz in Mali geschickt werden, nicht zustimmen; wir werden sie ablehnen. Für uns bleibt es dabei: Es werden in der Politik falsche Schwerpunkte gesetzt. Dazu möchte ich ein bisschen argumentieren.

Erstens. Der Außenminister war hier gefordert, zur Politik zu reden. Es ist eine interessante Arbeitsteilung, Herr Westerwelle, die Sie hier akzeptieren: Der Verteidigungsminister ist für das Militär zuständig; dazu äußern Sie sich nicht. Und während der Verteidigungsminister wenig zur Politik sagt, äußern Sie sich dazu. Ich hätte mehr erwartet. Meine Fraktion möchte, dass die Bundesregierung andere Schwerpunkte setzt. Ich möchte, dass die Bundesregierung hier deutlicher macht, welche diplomatischen Initiativen tatsächlich unternommen werden. Ich möchte, dass es mehr gibt als nur eine Reise des Außenministers. Dazu, wie es zu einer Aussöhnung und zu einer Verbesserung der Situation in Mali kommen soll, haben Sie überhaupt nichts gesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer sich etwas mit der Situation in Mali beschäftigt hat und mehr als eine Panorama-Sendung gesehen hat – Sie haben sie offensichtlich auch gesehen –, konnte seit langem mitbekommen, dass sich in Mali etwas zusammenbraut; und es gab keine politische Reaktion darauf. Ich stelle mir angesichts dessen selbst die Frage und möchte sie auch Ihnen stellen: Brauchen wir nicht eine ganz andere Friedens- und Konfliktforschung, um solch einer Entwicklung längerfristig vorzubeugen oder sie zu bekämpfen? Ist das nicht eine Frage, die hier erörtert werden muss? Brauchen wir nicht eine andere Entwicklungsarbeit, die zu einer gerechteren Verteilung des Reichtums auch in solchen Ländern beitragen kann? Das muss zumindest thematisiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch nachdem ich hier die Reden der beiden Minister gehört habe, habe ich den Eindruck, dass leider auch für die Bundesregierung gilt: Soldaten vor Diplomaten. Für uns gilt umgekehrt: Diplomaten vor Soldaten. Das erachten wir für politisch notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine zweite Überlegung. Ich möchte ja, dass in Mali geholfen wird. Ich habe von der Bundesregierung erwartet, dass sie etwas mehr zu dem sagt, was sie den Vereinten Nationen vorschlägt. Ich will nur einige Fakten nennen: Mali leidet darunter, dass es wie die ganze Sahara-Region über einen großen Reichtum an Ressourcen, über Naturreichtümer verfügt. Da wird der Reichtum – Uran, Gold, Phosphate, Bauxit – zum Fluch. Man muss sich dann vor Augen führen, dass in Mali 500 000 Hektar Land an internationale Konzerne zum Anbau von Erdnüssen und nachwachsenden Rohstoffen verkauft worden sind. Der Verkauf weiterer 400 000 Hektar steht jetzt an. Auch diese ökonomischen Probleme führen dazu, dass es zu solchen politischen Auseinandersetzungen kommt. Die alte Kolonialmacht Frankreich – das sage ich ganz offen – ist für diese Zustände mitverantwortlich. Sie ist daher nicht geeignet, diese zu beheben.

(Beifall bei der LINKEN)

In dieser Situation müssen die Vereinten Nationen eine Rolle einnehmen; und das muss auch von der Bundesregierung gefordert werden. Drittens gibt es natürlich auch eine innenpolitische Auseinandersetzung; das verhehle ich überhaupt nicht. Ich bin dagegen, dass immer mehr Soldaten in Auslandseinsätze geschickt werden. Herr Westerwelle, ich stehe wieder vor dem Problem, dass ich Sie verteidigen muss. Das tut mir furchtbar leid, das wird auch Ihnen unangenehm sein. Ich habe im Spiegel gelesen, dass der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, im Gespräch mit einem US-Vertreter bei der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt hat:

„Der pazifistische Westerwelle“, der sich bei internationalen Konflikten gern heraushalte …

Das hat Cem Özdemir gesagt, das ist nicht dementiert worden. Wenn Sie Pazifist wären, dann würde ich gerne sagen: Willkommen im Klub!

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Da könnten wir uns gut treffen.

(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Aber Herr Gehrcke, Sie sind doch kein Pazifist! Seit wann sind Sie denn Pazifist?)

Aber ich glaube es ja nicht. Ich fand es nur ganz interessant, dass Özdemir dazu gesagt hat: Ein grüner Außenminister hätte sich bei der militärischen Hilfe nicht so bescheiden gegeben.

Ich glaube, es gibt hier eine gewisse Umkehrung. Es war richtig, dass sich die Bundesregierung in der Libyen-Frage enthalten hat. Das werde ich immer wieder verteidigen, auch wenn ich gerne ein Nein gehört hätte. Ich möchte nicht, dass die Situation in Mali unter außerordentlich lautem Geschrei dazu missbraucht wird, noch mehr Militär zu schicken. Das ist die innenpolitische Auseinandersetzung. Wenn Sie also zum Pazifismus überlaufen: Herzlich willkommen! Dann können wir uns freundlich verständigen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie müssen aber noch eine weitere Frage beantworten. In den Mali-Mandaten ist der Einsatz von Transall-Maschinen vorgesehen. Sie haben jetzt beantragt, den Einsatz der Transall zu mandatieren. Sie hatten mich hier früher einmal aufgefordert: Wenn ich der Auffassung sei, dass der Einsatz der Transall rechtswidrig gewesen sei, dann sollte ich klagen. Wäre es nicht anständig gewesen, wenn Sie jetzt gesagt hätten: „Sie haben recht gehabt, es war rechtswidrig, wir haben das jetzt korrigiert!“?

(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Ach! – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein!)

Ich habe mit Vergnügen gesehen, dass Sie es korrigiert haben und jetzt ein Mandat beantragen; denn das Verfassungsgericht und andere sagen: Der Parlamentsvorbehalt soll pro Parlament und nicht kontra Parlament ausgelegt werden.

Ich will Ihnen ein letztes Problem vortragen. In der Schilderung fängt alles so harmlos an. Ich habe überall gelesen, dass Sie sagen: Es handelt sich nicht um einen Kampfeinsatz. Ich sage Ihnen: Wer Soldaten einer gespaltenen Armee für einen Einsatz ausbildet, ist Teil des Kampfes. Erzählen Sie der Bevölkerung doch keinen Unsinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer Flugzeuge zur Verfügung stellt, um militärische Güter und Soldaten zu transportieren, ist Teil des Kampfes in Mali. Das ist ein Kampfeinsatz, und das sollten Sie der Bevölkerung ehrlichkeitshalber auch sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich nehme sehr ernst, was Sie zum Terrorismus und zu den islamistischen Banditen gesagt haben. Sie müssen mir aber die Frage beantworten, warum Sie in Syrien genau jene islamistischen Banditen mitfinanzieren und unterstützen, die in Mali bekämpft werden. Das ist wieder diese Doppelbödigkeit. Dahinter ist keine Botschaft zu erkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen mir auch beantworten, wieso man mit Saudi-Arabien, mit Katar und anderen Staaten weiterhin so gut zusammenarbeitet, wo doch jeder weiß, dass Gelder aus Saudi-Arabien, Katar und anderen Staaten in diese Gruppen fließen. Wenn man hier keinen Strich zieht und sagt: „Terrorismus muss politisch bekämpft werden“, dann werden wir diese Probleme immer wieder haben.

Ich möchte gern, dass der Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf gegen den Hunger ist. Das wäre ein sinnvoller Kampf.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte gerne, dass der Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf für soziale Gerechtigkeit ist. Ich möchte gerne, dass man, wenn man gegen Terrorismus kämpft, zugleich für kulturelle Vielfalt kämpft. Auch das hat eine erhebliche Bedeutung.

Der Kampf gegen den Terrorismus kann gewonnen werden. Den Krieg gegen den Terrorismus, den Sie seit Jahren führen – vieles erinnert mich an Afghanistan –, werden Sie nicht gewinnen. Deswegen ist die politische Richtung, die Sie eingeschlagen haben, falsch. Das wollte ich Ihnen vortragen. Das hat meine Fraktion überzeugt. Deswegen werden wir dagegen stimmen. Ich glaube nicht, dass ich Sie überzeugt habe, aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Omid Nouripour hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):



Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über zwei Mandate für Einsätze der Bundeswehr in Mali: Zum einen geht es um eine Ausbildungsmission und zum anderen um die Unterstützung von ECOWAS und der französischen Streitkräfte in Mali.

Beide Mandate, beide Einsätze haben im Grunde ein und denselben Hintergrund: die Schwäche des malischen Staates. Es gab den sogenannten Operettenputsch der Hauptmänner, der es ermöglicht hat, dass die Rebellen im Norden des Landes die Unabhängigkeit ausrufen konnten. Es herrscht eine explosive Gemengelage in dem Land, die wir wirklich lange ignoriert haben. Wir haben sehr lange – viel zu lange – erklärt, Mali sei eine lupenreine Demokratie. Wir haben dabei die Versorgungsprobleme, die Drogenrouten, die Probleme im Bereich der Staatlichkeit und die Folgen des Libyen-Krieges ignoriert. Das war ein riesengroßer Fehler, für den wir jetzt einen militärischen Preis zahlen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christoph Strässer [SPD])

Wir wissen alle, wie viele Waffen aus Libyen in den Norden Malis gekommen sind.

Es gibt noch etwas. Herr Außenminister, ehrlich gesagt, platzt mir fast der Kragen, wenn Sie sagen, dass immer wieder neue islamistische Zellen entstehen würden, über die man sich unterhalten müsse. Ich bin absolut einverstanden, wenn Sie sagen, dass es sehr viele Dschihadisten gibt, mit denen man keine Gespräche führen kann, weil sie keine Verhandlungen wollen. Wenn wir heute aber darüber diskutieren, Bundeswehrangehörige in eine Gefahrenzone zu schicken – sie können dort tatsächlich in eine Gefechtssituation, in eine Gefahrensituation geraten und von Dschihadisten beschossen werden; ich selbst habe in Bamako mit Augenzeugen gesprochen, die mir berichtet haben, wie die Versorgung dieser Dschihadisten von Katar aus funktioniert –, dann müssen Sie nebenbei auch erklären, warum Sie Katar 400 Panzer geben. Das geht auf keine Kuhhaut. Das hat mit Sicherheitspolitik überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auf die militärische Frage kann es eigentlich nur eine zivile Antwort geben. Was die Franzosen gemacht haben, war eine Notoperation, die ein Zeitfenster eröffnet hat. Die Chance, die dieses Zeitfenster bietet, muss aber mit zivilen und politischen Mitteln genutzt werden.

Ja, Mali braucht eine funktionierende Armee, eine, die die territoriale Integrität des Landes herstellen kann. Wir reden aber über eine Armee, die gespalten ist, die zerrüttet ist, die verunsichert ist. Deshalb sind die Fragen berechtigt: Welche Soldaten wollen wir ausbilden? Was wollen wir ihnen vermitteln? Was sind wir bereit dafür einzusetzen? Wie soll das vorangehen, und wann verlassen wir das Land wieder? Das sind völlig berechtigte Fragen. In diesem Zusammenhang reicht der Hinweis, dass es dazu eine Panorama-Sendung gegeben hat, einfach nicht aus, Herr Außenminister.

(Beifall der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon vorher gewusst!)

Die Armee kann nur funktionieren, wenn sie demokratisch und rechtsstaatlich verankert ist und es einen funktionierenden Staat gibt. Ja, die Armee muss die territoriale Einheit gewährleisten können; aber es muss auch eine Armee sein, vor der die Bürger Malis, egal welche Hautfarbe sie haben, keine Angst haben müssen.

Derzeit gibt es Berichte über beängstigende Tendenzen. Deshalb ist es wichtig, dass jetzt Beobachter ins Land kommen, die valide Berichte darüber abgeben. Wir erleben, dass es im Süden des Landes eine Radikalisierung gegenüber den Tuaregs gibt. Immer wieder kam es zu Situationen, in denen Selbstjustiz geübt wurde. Das kann nicht sein. Davor müssen wir gefeit sein.

Das gilt natürlich auch für den Einsatz im Norden. Diesen Einsatz hat Herr Brüderle, wenn ich das richtig gelesen habe, mit ironischem Unterton „weltbewegend“ genannt. Es ist gut und richtig, dass wir jetzt darüber diskutieren, dass der Einsatz von ECOWAS und die Operation Serval in eine Mission der UN-Blauhelme überführt werden. Das ist alles andere als falsch.

Im Übrigen: Lieber Wolfgang Gehrcke, ich habe dich gerade so verstanden, dass deine Fraktion zustimmen würde, wenn das kommt. Ich bin sehr gespannt.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das wirst du nicht erleben! – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Was ist das für eine Kumpanei zwischen Linksextremen und Grünen?)

Noch einmal: Die politischen Instrumente sind von zentraler Bedeutung. Wir spielen eine militärische Nebenrolle. Aber die Bundesrepublik hat einen hervorragenden Ruf in Mali. Deshalb sind wir nahezu verpflichtet, im Zivilen eine Hauptrolle zu spielen.

Es gibt so vieles, was man tun kann. In der Übergangsregierung gibt es Minister, die früher mit der GIZ zusammengearbeitet haben. Dabei ist es relativ offensichtlich: Gerade die Bundesrepublik Deutschland, die bei der Geberkonferenz den Vorsitz hatte, muss darauf drängen, dass die Zahlungsfähigkeit des Landes wieder hergestellt wird. Gerade die Bundesrepublik Deutschland mit langer Erfahrung bei der Dezentralisierung muss mit dem Projekt Mali-Nord, das von dieser Bundesregierung eingestellt worden ist, dafür sorgen, dass die Entwicklungszusammenarbeit wieder anläuft.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gerade die Bundesrepublik muss jetzt die Netzwerke nutzen, damit es zu einer Aussöhnung kommen kann. Es wird nicht gelingen, ein Gelände – so groß wie Frankreich und Spanien mit seiner besonderen Topografie – militärisch zu erobern und zu halten. Das ist komplett illusionistisch. Deshalb muss man alles für eine Aussöhnung tun. Dazu kann die Bundesrepublik einiges beitragen.

Wir müssen natürlich ferner helfen, dass das Land mit der Situation der Flüchtlinge klarkommt. Das ist eine zentrale Stabilisierungsmaßnahme – abgesehen davon, dass es selbstverständlich notwendig ist, dort jetzt humanitär zu helfen.

Die Regierung in Mali hat ein Legitimitätsproblem. Das ist nicht schönzureden. Wir haben es zwar nicht mit einer Putschistenarmee zu tun; aber es ist gut, dass es eine Roadmap für Wahlen gibt. Ob die Zeiträume realistisch sind und eingehalten werden können, ist fragwürdig. Ich finde, dass es besser und wichtiger ist, eine Wahl gut zu organisieren, als eine Scheinwahl durchzuführen, damit es den Europäern gefällt. Auch dabei stellt sich natürlich die Frage, wie man helfen kann.

Alles, was noch erreicht werden kann, ist nur dann nachhaltig, wenn wir eine politische Stabilität im Land erreichen. Dafür können wir sehr viel tun. Aber all das kann nicht militärisch erreicht werden; das funktioniert nur mit politischen und zivilen Mitteln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Stimmen Sie dem zu oder nicht?)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jetzt hat Philipp Mißfelder das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Philipp Mißfelder (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Aus den Bemerkungen meines Vorredners bin ich nicht ganz schlau geworden. Herr Nouripour, ich frage mich, ob Sie für Ihre Fraktion eine Zustimmung zum Mandat signalisiert haben oder nicht.

(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Gute Frage!)

Gerade nach den letzten Worten, die Sie gesagt haben, würde ich Ihnen empfehlen, zuzustimmen. Denn das haben uns auch beide Minister deutlich gemacht. Insofern weise ich das, was Herr Gehrcke gesagt hat, zurück. Ich wiederhole mich: Auch im Vergleich zu dem, was in der Aktuellen Stunde von unserer Fraktion und der Koalition geschlossen vertreten worden ist, stelle ich fest, dass von uns niemand jemals gesagt hat, dass wir der Meinung seien, man könne den Konflikt in Mali oder irgendeinen anderen Konflikt auf der Welt mit militärischen Maßnahmen lösen. Das hat nie jemand gesagt.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielmehr verfolgen wir bei allem, was wir tun, einen ganzheitlichen und umfangreichen Ansatz der vernetzten Sicherheit. Das wird gerade an diesem Mandat sehr deutlich. Es gab auch Stimmen aus der Fraktion der Grünen, die anfangs viel schneller einen Militäreinsatz erwogen haben, als es die Koalition getan hat, die von Anfang an Zurückhaltung geübt hat.

Vor dem Hintergrund möchte ich deutlich machen, dass wir neben den militärischen Maßnahmen alles tun, was diplomatisch und entwicklungspolitisch notwendig ist, um Mali zu stabilisieren und den Menschen vor Ort zu helfen.

Bei den radikalpazifistischen Bemerkungen von Herrn Gehrcke fehlt mir der traditionelle Anknüpfungspunkt der Linkspartei. Denn Ihre Haltung in den Debatten um die Mandate steht im Gegensatz zu dem, was die Linkspartei jahrzehntelang vertreten hat, als sie noch anders hieß. Zu dem, was Sie gesagt haben, möchte ich Folgendes klarstellen: Eine solche Mandatierung fällt uns in keinem Fall leicht. Der Bundesminister der Verteidigung hat es ja zu Beginn dieser Sitzungswoche sehr deutlich gesagt: Kein Mandat ist einfach, kein Mandat ist ungefährlich. Auch wenn es sich hier um eine Ausbildungsmission handelt, auch wenn es sich um logistische Unterstützung, auch wenn es sich um Sanitäter handelt: Die Soldaten sind immer Gefahren ausgesetzt.

Deshalb fällt es uns ja auch nicht leicht, diese Mandatierung vorzunehmen. Aber, Herr Gehrcke, wir erhoffen uns davon – gerade auch vom französischen Eingreifen –, dass man Zeit gewinnt, um in Mali überhaupt wieder politikfähig zu werden. Deshalb schließen wir militärische Maßnahmen nicht aus.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist der Unterschied!)

Das ist der Unterschied. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie nicht dieselben Ziele haben wie wir, nämlich den Menschen in Mali zu helfen – alles andere wäre grotesk –; aber ich finde, dass Sie mit Ihrer Radikalablehnung jeglicher Auslandseinsätze der Bundeswehr falsch liegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie unterstellen uns ja allzu häufig – Stichwort „Verschwörungstheorien“ –, dass irgendwelche anderen Beweggründe dahinterstecken. Es ist in diesem Falle wirklich so, dass wir sehr genau abwägen und uns fragen, was dieses militärische Eingreifen letztendlich bewirken soll.

Deshalb hat hier auch niemand Hurra gerufen, als es um ein weiteres Mandat ging. Wir haben vielmehr gesagt: Wir beteiligen uns an keinem Abenteuer; wir unterstützen aber natürlich diejenigen innerhalb unseres Bündnisses, die bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Das sind die Staaten von ECOWAS und natürlich auch unsere französischen Freunde, die allesamt ein hohes Risiko eingehen. Ich glaube, sie sind sich dessen auch bewusst.

Die zentrale Aufgabe, die wir haben, geht weit über dieses Mandat hinaus. Daran beteiligen sich auch das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Unsere Soldaten sind auch dafür bekannt, dass sie in diese Richtung denken und mit ihrer Präsenz überall auf der Welt in diese Richtung wirken. Wenn wir irgendwo militärisch tätig werden, sei es in einem geringeren Umfang oder in einem größeren Umfang, verfolgen wir immer eine politische Zielrichtung. Die politische Zielrichtung geht weit über das Mandat hinaus. Sie geht auch weit über eine kurzfristige Befriedung der Situation hinaus.

Wir befürchten, dass aus Befreiern irgendwann Besatzer werden, wenn wir uns politisch nicht mindestens genauso sehr bemühen, wie sich jetzt die Franzosen militärisch bemühen. Das nehmen wir sehr ernst. Vor diesem Hintergrund tun wir alles, was in unserer Kraft steht, um dieses Mandat politisch auszugestalten. Ich glaube, dass Deutschland an vorderster Stelle gefordert ist, in Europa dafür zu werben, dies auch nach der Zeit, in der der Militäreinsatz im Fokus der Öffentlichkeit steht, konsequent zu verfolgen.

Wie oft haben wir hier in Debatten, in denen es um Afrika ging, bemängelt, dass sich die Öffentlichkeit sehr wenig dafür interessiert? Das darf uns bei Mali nicht passieren. In der Tagesschau und in den Regionalzeitungen, überall wird jetzt unseren Bürgern erklärt, wo Mali überhaupt liegt und welches Konfliktpotenzial es dort gibt. Aber wenn der Militäreinsatz vorläufig erfolgreich beendet sein wird, wird Mali aus den Schlagzeilen wieder verschwinden. Dann geht unsere politische Arbeit unvermindert weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb möchte ich an dieser Stelle für die Koalition noch einmal deutlich machen: Wir verfolgen bei diesem Mandat einen politischen Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit, und wir wollen unseren Beitrag für eine politisch stabile Zukunft Malis leisten. Das ist weit mehr als der militärische Beitrag bzw. die militärische Komponente.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jetzt hat Christoph Strässer das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Christoph Strässer (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist ja anscheinend eine Stunde, in der Bekenntnisse abgegeben werden. Ich sage zu Beginn: Ich bin – der Kollege Gehrcke weiß das, weil wir uns schon seit 30, 40 Jahren kennen – kein Pazifist.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Warst du nie!)

Ich bitte in der Diskussion um Respekt und darum, dass diejenigen, die den Pazifismus als Überzeugung vor sich hertragen, den anderen nicht vorwerfen, sie seien Kriegstreiber.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, es gehört in der Diskussion dazu, dass all diejenigen, die sich zu einer anderen Äußerung bekennen, sich auch darüber Gedanken machen, was richtig und was falsch ist. Aus dieser Überzeugung heraus sind einige Überlegungen sehr richtig.

Ich habe heute in der Neuen Zürcher Zeitung, die ich ab und zu lese, eine interessante Überschrift gefunden. In dem Artikel geht es um die Mandate, über die wir heute reden. Die Überschrift lautet: „Kooperatives Abseitsstehen“. Ich finde, das ist eine sehr charmante Bezeichnung für das, über das wir hier im Zusammenhang mit den Mandaten zu diskutieren und zu entscheiden haben. Aber ich glaube, das betrifft nicht nur die Mandate. Ich stimme dem Kollegen Mißfelder an dieser Stelle ausdrücklich zu. Das kooperative Abseitsstehen sollte sich auch auf unser politisches Verhältnis zu dem afrikanischen Nachbarkontinent beziehen. Ich habe mir, als ich mich auf meine Rede vorbereitet habe, das „wunderbare“ Afrika-Konzept der Bundesregierung angeschaut, in dem viel Gutes steht und in dem viele schöne und bunte Bilder zu sehen sind. Ich erkenne aber nicht, dass es dazu geführt hat, dass Afrika einen politisch-konzeptionellen Schwerpunkt der Politik der Bundesregierung – ich füge selbstkritisch hinzu: und des Deutschen Bundestages – darstellt. Darüber müssen wir nachdenken, und darüber müssen wir reden. Ich denke, das muss die Konsequenz einer solchen Diskussion, wie wir sie heute führen, sein.

Man muss sich die Frage stellen, welche Alternativen es gibt. Was Sie gesagt haben, ist überwiegend richtig – auch Kollege Nouripour hat darauf hingewiesen –: Viele, viele Jahre haben wir nur zugeschaut. Es war die „Chronik einer angekündigten Auseinandersetzung“, schon seit den 90er-Jahren, gerade in Nordmali. Die Tuareg waren ja ein Nomadenvolk und kein kriegerisches Volk. Allerdings sind sie marginalisiert worden und haben nach Lebensperspektiven gesucht. Das haben wir offensichtlich nicht ernst genug genommen. Nun sind die Islamisten auf dem Vormarsch. Die Islamisten würde ich übrigens nicht mit den Tuareg gleichsetzen. Auch da muss man, finde ich, sehr vorsichtig sein und sehr genau hinschauen, was sich im Norden Malis tut. Nachdem wir zehn Jahre lang nicht genau genug hingesehen haben, nun den Schluss zu ziehen, auch heute zu schweigen und nichts zu tun, halte ich für falsch und ein Stück weit zynisch. Wir müssen die Entwicklungen in Mali stoppen.

Ich glaube nicht – ich sage das jetzt etwas überspitzt –, dass man Gruppen wie Ansar Dine und Mujao in der jetzigen Situation mit einer weißen Fahne und einer Mediation stoppen könnte. Deshalb finde ich es richtig, dass sich die Bundesrepublik, die internationale Gemeinschaft und die EU entschlossen haben, diesem Konflikt mit den Mitteln zu begegnen, die aus meiner Sicht im Moment als einzige helfen. Das sollte die Grundlage der Diskussion über diese Mandate sein. Ich finde es richtig, den Mandaten zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Niemand weiß – auch das ist ein Teil der Wahrheit –, wie die militärische Auseinandersetzung ausgeht. Die Erfolge der Franzosen sind offenbar nur von kurzer Dauer und nicht so stabil, dass man sagen könnte: Die militärische Auseinandersetzung ist beendet. – Die derzeitige Situation gibt uns die Chance, diese Diskussion auf andere Beine zu stellen. Dabei geht es um Fragen der humanitären Entwicklung, der Entwicklungszusammenarbeit und des Aufbaus von Strukturen. Herr Kollege Ströbele, meiner Meinung nach gibt es keinen anderen Akteur als die Malier selbst, der in der Lage wäre, langfristig für geeignete Strukturen, die Sicherheit gewährleisten, zu sorgen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht diese Armee!)

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir sagen könnten, wer außer der malischen Armee in diesem Land für Stabilität sorgen soll.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können doch selber ausbilden!)

Ich bin sehr gespannt, auch zu erfahren, ob wir dann wieder über eine Intervention mit anderen Mitteln als denen, die jetzt zur Diskussion stehen, reden würden.

Ich finde es richtig – ich sage das ganz deutlich –, zu sagen: Am Ende einer solchen Entwicklung muss eine malische Ownership stehen. Alles andere wäre fatal. Es darf und wird mit unserer Unterstützung keine dauerhafte Besatzung dieses Landes geben. Wir müssen allerdings dafür sorgen – das ist nicht nur eine Aufgabe des Militärs und der Polizei; es müssen auch rechtsstaatliche Strukturen geschaffen werden, die im Norden des Landes komplett fehlen –, dass Unterstützung geleistet und beim Aufbau geholfen wird, sodass sich eine Intervention mit militärischen Mitteln auf mittlere Sicht erübrigt.

Meine persönliche Überzeugung ist: Ohne das, was jetzt beschlossen worden ist – der Beitrag der Bundesregierung ist ja gering genug –, wäre eine auch nur ansatzweise humane Entwicklung im Norden Malis nicht mehr möglich gewesen. Deshalb finde ich es völlig richtig, dass wir uns dort engagieren und das tun, was in den Mandaten steht. Zumindest in der Begründung heißt es ja – das macht mich ein bisschen hoffnungsfroh –, dass es in der Sahelregion einen politischen Prozess geben muss und wir dafür sorgen müssen bzw. einen Beitrag dazu leisten können und müssen, dass sich die humanitäre Situation verbessert.

Wir haben heute noch gar nicht oder nur ansatzweise über das Thema Flüchtlinge gesprochen. Über eine Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit möchte ich an dieser Stelle gar nicht sprechen. Aber wir wissen – diese Botschaft richtet sich an die Bundesregierung –, dass es Flüchtlingsbewegungen gibt. Das World Food Programme geht davon aus, dass die Hungersnot in der Region zunehmen wird. Der UNHCR rechnet im Moment mit 400 000 Flüchtlingen. Die finanziellen Mittel, die erforderlich sind, um die größte Not zu lindern, sind noch nicht einmal zur Hälfte vorhanden.

Ich denke, wir müssten viel mehr darüber nachdenken, wie wir zivile Strukturen aufbauen können. Wir haben heute im AwZ über die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes diskutiert. Die Mittel für den Zivilen Friedensdienst konnten seit Jahren keinen Aufwuchs mehr verzeichnen. Ich finde, an diesen Stellen müssen wir einfach besser werden. Wir brauchen diese zivilen Organisationen, und wir brauchen den Dialog mit der malischen Zivilgesellschaft. Da gibt es Strukturen, da gibt es Ansprechpartner. Da dürfen wir in den nächsten Jahren nicht wegschauen, wenn wir nicht wieder in eine solche Situation kommen wollen wie heute. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Florian Hahn hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Florian Hahn (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns noch einmal ganz kurz zurückblicken: 2012 haben islamistische Gruppen den nördlichen Teil Malis – 50 Prozent des gesamten Landes – unter ihre Kontrolle gebracht, eine Region zweimal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Sie haben die Scharia eingeführt, sie haben Angst und Schrecken verbreitet. Die Menschen haben sich nicht mehr getraut, ihre Häuser zu verlassen. Felder wurden nicht mehr bestellt. 350 000 Menschen sind geflüchtet. Ausbildungslager für militante Islamisten sind entstanden – eine Gefahr für die gesamte Sahelzone, eine Gefahr vor den Toren Europas.

Darüber waren wir im Parlament alle gut informiert. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dem BND danken, der offensichtlich eine neue, transparentere Kultur der Informationspolitik gegenüber dem Parlament lebt und pflegt. Das kann so weitergehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ereignisse hat Bundeskanzlerin Merkel sehr früh, im Oktober 2012, signalisiert, dass Deutschland bereit ist, bei einer koordinierten europäischen Mission zur Stabilisierung Malis Unterstützung zu leisten.

Anfang dieses Jahres starteten die Dschihadisten einen Vormarsch Richtung Süden. Malische Streitkräfte – soweit überhaupt existent – waren nicht in der Lage, sich dem entgegenzustellen. Damit stand die Tür nach Bamako – einer Stadt, in der unter anderem 6 000 Franzosen leben – sperrangelweit offen. Das war für Frankreich der Moment, zu intervenieren. Deutschland hat bereits wenige Tage später begonnen, logistisch und finanziell Hilfe zu leisten. Man kann mit Fug und Recht sagen: Ohne Frankreich gäbe es Mali heute nicht mehr. Inzwischen konnte Frankreich zusammen mit malischen und anderen afrikanischen Kräften die Städte im Norden befreien und die Islamisten verdrängen.

Jetzt gilt es, das Land langfristig zu stabilisieren und zu verhindern, dass vor den Toren Europas ein Rückzugsort für den internationalen Terrorismus entsteht, der die Stabilität einer ganzen Region Afrikas gefährdet.

Hierzu wollen wir heute zwei Mandate verabschieden und auf den Weg bringen. Zum einen wollen wir die logistische Unterstützung in Form von Transportleistungen und Luftbetankungen deutlich verstärken. Damit lassen sich zurückgewonnene Sicherheit und Stabilität in Nordmali halten und ausbauen. Zum anderen wollen wir einen sehr großen Beitrag bei der Ausbildung der malischen Streitkräfte leisten, damit diese in Zukunft die Verantwortung für die Sicherheit in Mali voll übernehmen können. Inklusive der bereits stationierten Einheiten werden maximal 330 deutsche Soldaten entsendet werden. Damit gehört Deutschland nach dem Haupttruppensteller Frankreich zu den größten Truppenstellern.

Dauerhafter innerer Frieden wird nur mit Geduld und Nachhaltigkeit hergestellt werden können. Klar ist, dass die beste Phase des militärischen Einsatzes vorbei ist. Erste Selbstmordanschläge wie in Gao vor wenigen Tagen zeigen uns, dass die Aufständischen auf asymmetrische Strategie umstellen. Deswegen müssen wir nachhaltige und menschenwürdige Strukturen aufbauen. Die Roadmap, die als ein Ziel freie Wahlen beinhaltet, muss weiter verfolgt werden. Ethnische Rahmenbedingungen müssen viel stärker als bisher berücksichtigt werden. Der Norden kann nicht zentral, vom Süden her, gesteuert werden – hier sind föderale Ansätze vonnöten.

Es ist gut, dass dieser Einsatz von Anfang an kein rein europäischer war, sondern in enger Absprache und unter Beteiligung und Führung der Afrikaner stattfindet. Allerdings müssen wir auch feststellen und erkennen, dass es ohne uns nicht geht. Dazu müssen wir uns beispielsweise nur Finanzierung, Ausrüstung, Vertragstreue und Führungsfähigkeit der ECOWAS genauer ansehen.

Lassen Sie mich noch kurz auf die deutsche Luftwaffe zu sprechen kommen, die diesen Einsatz in der Hauptsache stemmen wird. Beim Thema Luftbetankung konnten anfängliche Zertifizierungsprobleme schnell gelöst werden. Hier zeigt sich, wie wichtig die Luftbetankungsfähigkeit für Europa ist. Die Luftwaffe konnte schnell und unproblematisch Lufttransportkapazitäten bereitstellen. Damit unterstreicht sie Flexibilität und Handlungsfähigkeit. Die Ressourcen der Luftwaffe sind aber endlich. Uns muss klar sein, dass wir nun zehn Transall-Maschinen in Afghanistan und Mali im Einsatz haben – übrigens ist die Transall vor 50 Jahren zum ersten Testflug aufgebrochen –, und wir wissen, dass wir nicht mehr Maschinen mit entsprechender Einsatzausrüstung zur Verfügung haben.

Die Bundeswehr ist weiterhin am Horn von Afrika, in Afghanistan und im Kosovo mit vielen Soldaten und Soldatinnen im Einsatz. In der Türkei sind zwei Patriot-Systeme zum Schutz unseres Bündnispartners installiert worden. Damit zeigt Deutschland deutlich, dass es seiner Verantwortung als Bündnispartner und als wohlhabende Nation gerecht wird.

Abschließend wünsche ich unseren Soldatinnen und Soldaten hier und in den Einsätzen alles Gute und Gottes Segen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Jetzt hat noch Hartwig Fischer das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ernstes Thema; aber es gibt eben auch Politikerinnen und Politiker, die sich mit diesem Thema nicht ausreichend befassen, es jedoch zur Selbstdarstellung nutzen. Twitter heute, am 20. Februar, um 17.37 Uhr: Christian Ströbele – der für die Grünen hier schon nicht mehr reden darf –: Minister will Armee in Mali beibringen, was rechtsstaatlich geführte Kräfte leisten. Das klappt doch nicht. –

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt!)

Herr Ströbele, das haben Sie richtig getwittert, natürlich; aber dann muss die Öffentlichkeit auch wissen, dass zum Beispiel bei unseren Bundeswehrsoldaten, die im Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre unterrichten, das Thema Humanitäres Völkerrecht – früher Kriegsvölkerrecht – zu den Lehrplänen gehört und die Soldaten in den Beratergruppen in Afrika über diese Grundfragen diskutieren. Dort wird über innere Führung gesprochen. Es wird nicht nur militärisch ausgebildet, sondern es wird so diskutiert, wie bei uns in einer demokratischen Armee und in einem demokratischen Parlament über legitimierte Einsätze gesprochen wird. Wenn Sie eine solche Twitter-Meldung absetzen oder sagen, dass Soldaten Mörder sind und Ähnliches, dann haben Sie eine Diskussion zu verantworten, die wir in diesem Fall nicht gebrauchen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünschte mir, es würden viel mehr Kollegen in Delegationen nach Afrika fahren und sich informieren. Ich bin mehrfach in Mali gewesen. Das letzte Mal war ich im Oktober 2012 mit einer Gruppe des AwZ in Mali, darunter auch der Kollege Binding und der Kollege Movassat. Damals konnte man die Entwicklungen schon absehen. Die ethnischen Konflikte im Norden Malis gibt es seit Jahrzehnten; aber sie sind dann durch ausländische Gruppen oder Tuareg und andere, die nach Libyen gegangen sind, mit Waffen wieder ins Land hineingetragen worden.

Wenn man hier von einem Putsch spricht – den jeder von uns verurteilt –, dann muss man auch einmal über die Ursachen dieses Putsches sprechen. Die Armee war, verheerend ausgebildet, in den Norden geschickt worden, mit einem einzigen Bataillon, und dieses ist von den einströmenden Kräften aus Libyen abgeschlachtet worden. Das war der Hauptgrund, warum es dann plötzlich einen Putsch gab, nämlich weil man gesagt hat: Unsere Soldatinnen und Soldaten sind vernachlässigt worden. – Auch das gehört zu der Geschichte, ohne dass man den Putsch in irgendeiner Form heroisieren würde.

(Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Nein, Herr Ströbele, Sie müssen erst einmal Redezeit von Ihrer Fraktion bekommen. Sie können ja nachher eine Kurzintervention machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage heute ganz bewusst nichts mehr zu den Militäreinsätzen; dazu ist alles gesagt worden. Ich spreche über die Situation in Mali, weil diese Debatte übertragen wird und die Menschen draußen mehr darüber erfahren sollen.

Ich nenne nur einmal die Region Timbuktu. Sie hat 408 000 Quadratkilometer. Damit ist sie weit größer als die Bundesrepublik Deutschland. In dieser Region muss Sicherheit hergestellt werden. Das haben die Franzosen in einem Teilbereich geschafft. Ein Teil der terroristischen Kräfte ist ausgewandert, hat sich vertreiben lassen und beginnt nun, sein Unwesen in Niger und Burkina Faso zu treiben. Deshalb sollten wir in der Phase danach auch mit diesen Staaten in ständigem Gespräch und Dialog bleiben, um zu erfahren, wie wir sie unterstützen können. Das Ganze ist im Augenblick nicht nur ein Problem des Nordens Malis.

Wir müssen gemeinsam das tun, was der Verteidigungsminister und der Außenminister deutlich gemacht haben, nämlich vor allen Dingen in den Kommunen des Nordens in den nächsten Monaten für Stabilität sorgen. Daneben müssen wir gemeinsam mit unserem Entwicklungsminister überzeugende Konzepte anbieten, der – das ist vorhin nicht deutlich geworden – die Entwicklungshilfe nicht komplett eingestellt hat, sondern der den verschiedenen Organisationen gemeinsam mit dem Außenministerium zunächst für den Bereich der humanitären Hilfe Mittel zur Verfügung gestellt hat. Man kann immer sagen: Das ist nicht ausreichend. – Ich glaube auch, dass das nicht ausreichend ist; das ist bei keinem Konflikt ausreichend. Aber wir haben sehr viel getan, und das wird auch von den Organisationen gewürdigt, die uns aus Gao, Kidal, Mopti und anderen Regionen berichten, wo ja auch Minenfelder beseitigt werden müssen.

Das heißt, hier beginnen wir nicht nur mit der humanitären Hilfe, sondern wir arbeiten auch an der Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben dort in der Vergangenheit intelligente Bewässerungssysteme und Ähnliches bereitgestellt. Das müssen wir auch in Zukunft tun. Ich will noch einmal zur Ausbildung des Militärs kommen. Eigentlich haben in der Vergangenheit alle Bundesregierungen gesagt: Es ist nicht in erster Linie unsere Aufgabe, dass wir unser Militär in die afrikanischen Länder schicken, sondern unsere Daueraufgabe ist die Ertüchtigung der Armeen in den betroffenen Ländern auch nach unseren Grundsätzen. Das tun wir in Teilbereichen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Marodierende Armee!)

– Herr Ströbele, ich warte darauf, dass Sie im Verteidigungsausschuss einen Antrag stellen, die Mittel dafür zu erhöhen, damit wir in Afrika stärker in die Ausbildung einsteigen können.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Gott sei Dank ist er da nicht drin!)

Ich hatte bisher den Eindruck, dass Sie in diesen Bereichen eher kürzen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir brauchen in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr Diplomatie und Dialog. Deshalb finde ich es gut, dass man die Supportgruppe gemeinsam gegründet hat.

Herr Außenminister, ich habe eine große Bitte an Sie, der Sie ja federführend die Gespräche für die nachfolgenden Schritte führen – auch international. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass es eine große Hoffnung ist, dass Traoré auf der Konferenz in Addis Abeba eine Roadmap vorgelegt und dort auch angekündigt hat, im Juli Wahlen durchzuführen. Ich sage uns allen aber: Diese Wahlen müssen dann auch im Norden Malis sauber durchgeführt werden können. Ich habe die Sorge, dass das nicht sichergestellt wird. Wenn das sichergestellt wird, dann ist das, glaube ich, eine Riesenchance. Wenn es uns aber gemeinsam nicht gelingt, dass die Registrierung und alles Weitere umgesetzt wird, dann schaffen wir ein neues Konfliktfeld, weil sich der Norden Malis schon immer vernachlässigt fühlt.

Sechs Minuten Redezeit sind immer viel zu wenig, vor allen Dingen, da ich am Anfang noch auf Herrn Ströbele eingehen musste. Ich könnte noch viel dazu sagen.

Ich wünsche mir auch, dass es uns in einem langfristigen Aufbauprozess gelingt, Mali als Land insgesamt wieder zu einen. Wir in unserer Delegation haben mit vielen Tuareg gesprochen, auch mit solchen, die im Parlament waren. Sie sind gemäßigt, und es sind einzig die Fundamentalisten, die die Situation ausgenutzt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/12367 und 17/12368 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden. Damit sind Sie einverstanden? – Dann ist das so beschlossen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013; S. 27455-27468 (Plenarprotokoll 17/221)


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