Kriegsgewinnler feiern sich
Cameron und Sarkozy gaben sich bei Libyens Nationalem Übergangsrat die Ehre
Von Roland Etzel *
Der französische Präsident Sarkozy und der britische Premierminister Cameron haben sich gestern zu einem nicht angekündigten Besuch im »befreiten Libyen« gezeigt. Auch um Gastgeschenke für die neuen Herren in Tripolis waren sie nicht verlegen.
Insbesondere in Paris hätte man es gern gesehen, wenn der gestürzte Revolutionsführer zur ersten Siegesfeier schon in Ketten hätte vorgeführt werden können. Aber den Gefallen hat Muammar al-Gaddafi den Franzosen bisher nicht getan. Länger wollten sie nun wohl nicht warten. Und so gaben sich die Sieger im halbjährigen Bombenkrieg gegen die Gaddafi-Herrschaft am Donnerstag in Libyen die Ehre. Noch sind einige Städte umkämpft, in denen sich Gaddafi-Anhänger verteidigen. Doch der britische Premier David Cameron will sich offensichtlich ebensowenig wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Huldigungen des Nationalen Übergangsrates von irgendjemandem streitig machen lassen. Zur Feier des Tages erklärte Cameron großzügig die Freigabe gesperrter Gelder zugunsten der neuen libyschen Führung, die ihm ohnehin nicht gehören. Dabei handelt es sich um 600 Millionen Pfund libyscher Guthaben, die im Februar im Zuge der UN-Sanktionen eingefroren worden waren.
Cameron und Sarkozy, die von ihren Außenministern William Hague und Alain Juppé begleitet werden, sind die ersten Regierungs- bzw. Staatschefs auf libyschem Boden, seit Gaddafi als entmachtet gilt. Gaddafi müsse festgenommen werden, forderten beide. Der NATO-Einsatz werde solange weitergehen, bis keine Zivilisten mehr in Gefahr seien »und die Aufgabe beendet ist«, sagte Cameron. Damit meinte er nicht die zahllosen Schwarzafrikaner, die es derzeit aus Furcht vor der Rache der neuen Herren nicht wagen, ihre Elendsquartiere zu verlassen. »Wir werden euch helfen, Gaddafi zu finden und ihn vor Gericht zu stellen«, versprach Cameron.
Dabei beließen es die Gäste jedoch nicht. Nachbarländer, die Familienmitgliedern oder Anhängern Gaddafis Asyl gewährt haben, werden offen unter Druck gesetzt. Die per Haftbefehl gesuchten Mitglieder von Gaddafis Führungsriege müssten sich vor internationalen Gerichten verantworten, forderte Sarkozy. Alle Länder, auf deren Staatsgebiet sich Gaddafi-Vertraute aufhielten, sollten »mit der internationalen Justiz« zusammenarbeiten. Der Gaddafi-Sohn Saadi hatte sich am Wochenende ins Nachbarland Niger abgesetzt. Sarkozy sagte, er habe »keinen Zweifel« daran, dass die nigrische Regierung ihre Verpflichtungen gegenüber der internationalen Justiz einhalten werde.
Im Gegensatz zu Algerien, dem der Franzose wenig anhaben kann – dort befindet sich Gaddafis Frau –, zählt Niger zu den ärmsten Ländern der Welt und wird Sarkozys Wink mit dem Zaunpfahl nur schwer ignorieren können.
* Aus: Neues Deutschland, 16. September 2011
Die Öl-Claims abgesteckt
Von Roland Etzel *
Sarkozy und in seinem Schlepptau Cameron wollen, nachdem sie sich in Libyen Konturen einer neuen Staatsordnung zurechtgebombt haben, jetzt nichts anbrennen lassen. Der Übergangsrat in Bengasi erscheint ebenso uneinig wie unberechenbar und schafft es ohne fremde Hilfe nicht einmal, die wenigen verbliebenen Widerstandsorte von Gaddafi-Getreuen einzunehmen; Sarkozy interpretiert das als Signal zu handeln, die Pole-Position einer kriegsbestimmenden Macht zu nutzen und jetzt die Öl-Claims abzustecken, ehe die Konkurrenz den Rückstand wettmacht.
Vor allem Italien und die USA haben beim Kampf um die Neuaufteilung der libyschen Ölquellen Positionen zu verlieren. Aber auch Deutschlands Exportindustrie war im stets liquiden Gaddafi-Staat gut im Geschäft und fürchtet um dieses. Deshalb die vor keiner Lächerlichkeit haltmachenden medialen Lobhudeleien der »libyschen Revolutionäre« hierzulande. Und deshalb der am lautesten von SPD und Grünen erhobene absurde Vorwurf an Westerwelle, als Außenminister habe er sich zu schämen und zu entschuldigen, weil Deutschland sich bei der Kriegsabstimmung vor einem halben Jahr in der UNO der Stimme enthalten habe.
Dass der geschmähte und mittlerweile tief gefallene FDP-Grande diesem Druck einigermaßen widerstand und nicht den Gang ins rot-grüne Canossa angetreten hat, ist vielleicht eine seiner respektabelsten Leistungen im Außenamt.
** Aus: Neues Deutschland, 16. September 2011 (Kommentar)
Beutemacher in Tripolis
Von Arnold Schölzel ***
Großbritanniens Premierminister David Cameron und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy feierten am Donnerstag in Tripolis mit der auf ihre Veranlassung ins Amt gebombten neuen Führung des Landes den Sieg über den langjährigen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi. Die beiden Politiker trafen am Donnerstag in der libyschen Hauptstadt Vertreter des sogenannten Übergangsrates und wollten dann nach Bengasi weiterfliegen. Der Rat sicherte zu, bei künftigen Geschäften die westlichen Verbündeten zu bevorzugen. Sein Vorsitzender, Mustafa Abdel Dschalil, erklärte im Gespräch mit Cameron und Sarkozy, die Geschäfte sollten aber transparent sein. Es habe keine vorherigen Absprachen gegeben.
Am Donnerstag (15. Sept.) schrieb die Nachrichtenagentur AFP dazu: »Für die Ausbeutung der reichsten Ölreserven Afrikas, die im libyschen Boden ruhen, sitzen drei Konzerne in den Startlöchern: das spanische Unternehmen Repsol, die italienische Eni und der französische Ölriese Total. Die neue Führung habe Frankreich 35 Prozent seines Erdöls als Dank für die Unterstützung gegen Ghaddafi versprochen, berichtete die Zeitung Libération vor zwei Wochen. Die libysche und die französische Führung dementierten schnell, auch Total-Chef Christophe de Margerie versicherte, er wisse von nichts. Doch in Frankreich ist man sich einig: Das Land hat für seinen Militäreinsatz ein großes Stück vom libyschen Kuchen verdient.« Der Bericht von Libération bezog sich auf einen vom 3. April datierten Brief, den auch die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte und zitierte.
Vor Sarkozy und Cameron war am Mittwoch ein Vertreter der US-Regierung in Libyen. Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte es eilig und reiste am Donnerstag nach Bengasi. Die Truppen der neuen Führung machen unterdessen weiter Jagd auf Ghaddafi, dessen Aufenthaltsort seit Juni unbekannt ist. Zudem dauern die Kämpfe um einige Städte an, die weiter von Regierungstruppen gehalten werden.
Großbritannien bemüht sich nach Angaben aus Diplomatenkreisen darum, daß der UN-Sicherheitsrat noch in dieser Woche über eine Lockerung der Sanktionen gegen den Ölkonzern NOC und die libysche Zentralbank abstimmt.
In der UNO gibt es aber Widerstand. So sind die Staaten des lateinamerikanischen Wirtschaftsbündnisses ALBA nach Aussage des venezolanischen UN-Botschafters dagegen, daß der Übergangsrat künftig Libyen bei den Vereinten Nationen vertritt. Die ALBA-Gruppe sei sich einig, daß der libysche UN-Sitz nicht von einer »illegitimen, vorübergehenden Instanz« besetzt werden dürfe, die durch eine ausländische Intervention an die Macht gelangt sei, schrieb Botschafter Jorge Valero an den Präsidenten der UN-Generalversammlung, Nassir Abdulasis Al Nasser. Auch die Afrikanische Union (AU) rief auf einer Tagung in Südafrikas Hauptstadt Pretoria erneut zur Bildung einer Einheitsregierung. Die AU wolle »mit dem Nationalen Übergangsrat und allen anderen Akteuren in Libyen« zusammenarbeiten, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung. Ziel müsse »die baldige Schaffung einer Regierung der nationalen Einheit« sein. Am Rande der UN-Vollversammlung in der kommenden Woche in New York wolle die AU über weitere Schritte sprechen, »um den Frieden, die Demokratie und die Entwicklung« in Libyen zu stärken.
*** Aus: junge Welt, 16. September 2011
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