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Plötzliches Abtauchen vor Libanon

Berlin will UNIFIL-Einsatz beenden – womöglich, um nicht Partei in einem Gas-Grenz-Streit zu werden

Von René Heilig *

Seit 2006 sind die Soldaten der UNIFIL-Mission vor der Küste Libanons beauftragt, Waffenschmuggel zu unterbinden und die libanesische Marine zu befähigen, die Seewege selbst zu kontrollieren. Nun jedoch spricht Verteidigungsminister Thomas de Maizière unerwartet von Rückzug.

Zur Zeit sind zwei deutsche Schnellboote und ein Tender im UNIFIL-Einsatz vor Libanon. Doch endlos, so sagte der Minister jüngst auf Zypern, solle die deutsche Operation nicht mehr laufen. Er wolle sie »in absehbarer Zeit« beenden.

Die an sich lobenswerte Selbstbeschränkung in punkto Auslandseinsätze kommt überraschend. Als der Bundestag im Juni die Missionsdauer verlängerte, war davon noch nicht die Rede. Doch dann war der Minister in Israel. Dort spottet man nur über die UNIFIL-Flotte. Nicht nur, weil die Hisbollah ihren Waffennachschub über den Landweg offenbar perfekt organisiert hat. Fünf Jahre nach dem Ende der israelischen Luftschläge gegen den Süden Libanons sei die Truppe stärker denn je, heißt es.

Die Ausbilder der Bundeswehr sind zuversichtlich, dass die libanesischen Streitkräfte demnächst, wenn Ende des Jahres die von Deutschland errichtete Radarkette steht, ihre Küste selbst sichern können. Lediglich bei starkem Seegang könnten die aus Deutschland gelieferten Wachboote nicht auslaufen. Ein Problem, das sich – vielleicht nach Angola-Art durch die Kanzlerin und deutsche Werften – lösen lassen würde.

Doch nun passiert etwas sehr Eigenartiges: Ausgerechnet die Hisbollah forderte die ungeliebte UNIFIL Maritime Task Force der Vereinten Nationen zum Bleiben auf, um – wie es heißt – das »libanesische Territorium vor israelischen Übergriffen zu schützen«.

Zwischen Zypern, den Küsten Libanons und Israels entdeckte man vor geraumer Zeit Gasvorkommen. Die drei Staaten haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer die Vorkommen wie ausbeuten darf. Es ist üblich, dass ein Küstenstaat Anspruch auf eine 200 Seemeilen ins Meer reichende Wirtschaftszone hat. Doch wie stellt man das an, wenn solche Größenordnungen von der Natur nicht angeboten werden und die Staaten zudem noch unterschiedliche Vorstellungen über die Grenzen ihrer Kontinentalsockel haben? Im vergangenen Dezember hatten sich Libanon und Zypern in einem bilateralen Abkommen über den Verlauf ihrer Wirtschaftszonen weitgehend geeinigt. Strittige Fragen legte man der UNO zur Entscheidung vor.

Israel, dass gleichfalls dringend auf Energiequellen angewiesen ist, hielt sich zunächst zurück. Doch als nun weitere ergiebige Energievorkommen entdeckt wurden und die libanesische Regierung eine norwegische Firma mit der seismischen Erkundung beauftragte, trat Israels Führung knallhart auf. Sie definierte eine maritime Grenze, die angeblich seit jeher dem legitimen Anspruch Israels entspreche, und betonte, die »Machenschaften« des Nachbarn nicht »stillschweigend zu dulden«. Diese Aussagen waren der Regierung sogar eine Sondersitzung wert, auf der gewarnt wurde, Israel sei bereit, zum Schutz »seiner« Gasfelder auch Gewalt anzuwenden. Angeblich haben sich die USA auf die Seite von Libanon geschlagen, doch davon lässt sich Israel bisher nicht beeindrucken.

Deutschlands Position in Libanon wie in Israel ist im Grunde geradezu dafür geschaffen, um mit der Kraft der EU im Rücken eine vermittelnde Rolle zu spielen. Dennoch sieht man in Berlin offenbar die Gefahr, in einen neuen Konflikt hineingezogen zu werden. Sollte der Gas-Grenz-Streit eskalieren, wäre es von Vorteil, zumindest nicht mehr mit Kriegsschiffen vor Ort und nicht mehr Ausbilder für Soldaten der womöglich »falschen« Seite zu sein.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Juli 2011


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