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Region droht "schwierige und dunkle Zeit"

Libanesische Hisbollah warnt vor dem Sturz der syrischen Assad-Regierung / Irak geht gegen Islamisten vor

Von Karin Leukefeld *

Der Krieg in Syrien zeigt Auswirkungen in den Nachbarländern. In Libanons Hauptstadt Beirut schlugen am Sonntagmorgen drei Raketen ein.

Nach Angaben aus Armeekreisen wurden die Raketen vermutlich vom Berg Libanon westlich der libanesischen Hauptstadt abgeschossen. Fünf Personen im südlichen Stadtteil Chiyah wurden verletzt, als zwei Raketen nahe der Mar-Mikhail-Kirche explodierten. Eine dritte explodierte nicht.

Westliche Medien interpretierten den Beschuss als Antwort auf eine Rede des Hisbollah-Vorsitzenden Hassan Nasrallah, in der dieser die Rolle seiner Organisation im Krieg in Syrien erklärt hatte. Nasrallah hatte zum 13. Jahrestag des Abzugs der israelischen Armee aus Südlibanon im Mai 2000 gesprochen. Dabei hatte er dem Westen vorgeworfen, mit Hilfe islamistischer Gruppen und Salafisten, »den Widerstand brechen« zu wollen. Der Westen und Israel wollten die Region beherrschen. Wenn sie den Sturz der Regierung von Präsident Baschar al-Assad erzwingen könnten, würden die Völker der Region »einer schwierigen und dunklen Zeit entgegensehen«, sagte Nasrallah.

Die Türkei hat derweil den Bau einer Grenzmauer unweit des Ortes Reyhanli angekündigt. Dort waren vor zwei Wochen mehr als 50 Menschen bei einem Doppelanschlag getötet worden. Der türkische Militärgeheimdienst geht davon aus, dass der Anschlag von der Nusra-Front verübt worden ist, die sich Al Qaida zurechnet und für einen islamischen Staat in Syrien kämpft. Das geht aus internen Papieren hervor, die die linke Hackergruppe »Red Hack« veröffentlichte. Ankara beschuldigt weiter die Regierung in Damaskus, den Anschlag verübt zu haben.

Irak hat am Wochenende eine Militäroperation im Westen des Landes gestartet, um das weitere Einsickern von islamistischen Kämpfern nach Syrien zu verhindern. Die irakische Führung hat sich wiederholt gegen den Einsatz bewaffneter Gruppen und eine ausländische Militärintervention in Syrien ausgesprochen und stattdessen ihre Vermittlung zwischen der Regierung in Damaskus und der syrischen Opposition angeboten. Seit Wochen wird Irak wieder mit massiven Anschlägen überzogen, für die Ministerpräsident Nuri al-Maliki islamistische Krieger und Al-Qaida-Gruppen verantwortlich macht. Offiziellen Angaben zufolge sollen im Mai bisher 200 Menschen bei Anschlägen getötet worden sein, Menschenrechtler nennen bis zu 700 Tote. Die Gruppe »Islamischer Staat in Irak« ist einer der führenden Kampfverbände der Islamisten in Irak und wird vermutlich von Saudi-Arabien finanziell unterstützt. Sie gilt in Geheimdienstkreisen als Al Qaida Irak.

Unbestätigten Berichten zufolge hat Bagdad nun bis zu 20 000 Soldaten an die Grenze in den Provinzen Anbar und Niniveh geschickt, um gegen die Islamisten dort vorzugehen. Die weitgehend unbewohnten Wüstengebiete bieten freie Bahn für den Schmuggel von Waffen und Kämpfern nach Syrien. Irakische Sunniten beschuldigen Bagdad, religiösen Zwist zu fördern, weil die Gruppen, gegen die vorgegangen wird, zumeist sunnitische Muslime sind. Sunnitische Stämme in Anbar gehen immer wieder Zweckbündnisse mit den Islamisten ein. Regierungschef Maliki begründet sein Vorgehen mit dem Kampf gegen Al Qaida. Die Bodentruppen werden nach Auskunft von General Ali Ghaidan Majeed von Luftwaffe und Luftaufklärung unterstützt.

Der syrische Außenminister Walid al-Mouallem ist am Sonntag überraschend zu einem Besuch in Bagdad eingetroffen. Bei einer Pressekonferenz dankte er der irakischen Regierung für das Vorgehen gegen die Islamisten.

* Aus: neues deutschland, Montag, 27. Mai 2013


Grüße aus Berlin

Raketenangriff auf Beirut

Von Werner Pirker **


Der Widerstand leistet Widerstand. Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hat in einer Rede erstmals öffentlich die Teilnahme von Kämpfern seiner Organisation an Kampfhandlungen der syrischen Armee kundgetan. Syrien sei das Rückgrat des Widerstandes, weshalb der Widerstand, gemeint ist die Hisbollah, nicht mit verschränkten Armen zusehen könne, wie Syrien von den USA, Israel und Extremisten das Rückgrat gebrochen werde, sagte er.

Die Reaktion der von Nasrallah angesprochenen Allianz erfolgte wenige Stunden später, nachdem Raketen in einem von der Hisbollah kontrollierten Vorort von Beirut eingeschlagen waren. Auch propagandistisch ist die Schiiten-Organisation unter massiven Beschuß geraten. Es wird so getan, als wäre die Hisbollah die erste ausländische Kraft gewesen, die auf den syrischen Konflikt Einfluß zu nehmen versuchte. In Wirklichkeit aber ist das Gemetzel in der Levante nie ein Bürgerkrieg gewesen, sondern eine vom Ausland gesteuerte und von zumeist ausländischen Söldnern durchgeführte Aggression gegen Syrien. Und auch der Vorwurf, daß die Hisbollah mit ihrer Parteinahme zugunsten der Regierungsarmee den Syrien-Konflikt in den Libanon getragen habe, geht an die falsche Adresse. Es waren sunnitische Extremisten und die proimperialistische Bewegung 14. März, die das Gebiet um die nordlibanesische Hafenstadt Tripoli, über das massenhaft Waffen für die Rebellentruppen transportiert werden, zum Kriegsschauplatz gemacht haben.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle empfindet die Situation als bedrohlich. Doch erst seitdem Hisbollah-Milizen im syrisch-libanesischen Grenzgebiet aktiv geworden sind. Nicht der Rede wert fand er den von den Islamisten entfesselten Terror gegen Syrer und Libanesen in und um Al-Kusair. Auch der Flächenbrand, den Westerwelle befürchtet, droht nicht erst seit dem Eintritt der Schiitenmiliz in den bewaffneten Konflikt. Diese Gefahr existiert, seit die Westmächte im Bündnis mit der arabischen Reaktion auf einen gewaltsamen Regimewechsel in Damaskus hinarbeiten und alle nichtmilitärischen Optionen einer Lösung des Konfliktes verwarfen. Erst als sich die Rebellen für einen Umsturz aus eigener Kraft als zu schwach erwiesen, wurde eine politische Lösung ins Auge gefaßt – und mit dem Festhalten an der Forderung nach einem Rücktritt Assads gleich wieder ad absurdum geführt.

Die deutsche Außenpolitik ist trotz aller Friedensbeteuerungen an der militärischen Verschwörung gegen Syrien beteiligt. Da kann sich Westerwelle noch so oft gegen ein direktes militärisches Eingreifen und Waffenlieferungen an die Regierungsgegner aussprechen. Nicht Schießwerkzeug, sondern schußsichere Westen und Arzneimaterial will Berlin an die islamistischen Todesschwadronen liefern, damit die auch weiter ihrem mörderischen Handwerk nachgehen können. Und damit der Krieg überlebt, auch wenn dadurch ein Flächenbrand ausgelöst wird.

** Aus: junge Welt, Montag, 27. Mai 2013 (Kommentar)


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