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Syriens Stellvertreterkrieg

Damaskus-treue Milizen in Libanon setzen auf bewaffneten Konflikt mit Israel

Von Markus Bickel, Beirut*

Nach den Gefechten an der israelisch-libanesischen Grenze war die israelische Armee zu Wochenbeginn in Alarmbereitschaft. Das Militär bereite sich auf weitere Angriffe der libanesischen Hisbollah-Miliz vor, hieß es. Nach einem Raketenangriff aus Südlibanon auf einen Armeestützpunkt in Israel hatte die israelische Luftwaffe am Sonntag Ziele im nördlichen Nachbarland angegriffen.

Für den Islamischen Dschihad begann der Konflikt schon am Freitag. »Außer dem Mossad hat niemand ein Interesse, ihn zu ermorden«, erklärte der Libanon-Chef der in Damaskus ansässigen Organisation, Abu Imad Rifai, nachdem im südlibanesischen Saida in den frühen Morgenstunden Mahmud Majzoub und sein Bruder Nidal bei einem Autobombenanschlag ums Leben gekommen waren. Beide Majzoub-Brüder gehörten der palästinensischen Islamisten-Gruppierung an, Mahmud stand ihr in Saida vor und war schon 1998 Ziel eines möglicherweise vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad ausgeführten Attentats.

Bereits am Sonntagmorgen folgten der Drohung Rifais, »die Brüder von innen« – Dschihad- Mitglieder in Westjordanland und Gaza-Streifen – würden auf den Anschlag reagieren, Taten. Jedoch direkt aus Libanon: Mehrere Katjuscha-Raketen schlugen nahe der nordisraelischen Stadt Safed ein, den ganzen Tag über lieferten sich Kämpfer der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah entlang der Grenze Gefechte mit israelischen Soldaten. Sowohl in der an Syrien grenzenden Bekaa- Ebene wie in dem nur wenige Kilometer südlich der Hauptstadt Beirut gelegenen Ort Nameh bombardierte die israelische Luftwaffe Hisbollah-Stützpunkte sowie Basen der Syrien-treuen Volksfront zur Befreiung Palästinas – Generalkommando (PFLP-GC). Zwei Menschen kamen dabei ums Leben.

Nur durch Vermittlung der seit 1978 in Libanon stationierten UNO-Schutztruppe UNIFIL konnte die härteste militärische Auseinandersetzung seit dem Abzug israelischer Truppen im Mai 2000 beendet werden. Um Einheiten der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aus Libanon zu vertreiben, hatte der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon 1982 den Angriff auf Libanon organisiert. Bis vor sechs Jahren dauerte die Besatzung an – erst vorige Woche hatte die sowohl in Parlament wie Regierung vertretene Hisbollah den Jahrestag des Endes der Okkupation mit Hunderttausenden Anhängern gefeiert.

In der Hafenstadt Tyros brüstete sich Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah damit, Israel so lange zu bekämpfen, bis auch die so genannten Sheeba-Farmen geräumt seien – das letzte, nur wenige Quadratkilometer große Gebiet, das seit dem Libanon-Krieg (1975-1990) von israelischen Truppen besetzt wird. Für die innenpolitische Auseinandersetzung, in der sich die Hisbollah mit der Forderung nach Abgabe ihrer Waffen konfrontiert sieht, kommt das israelische Bombardement vom Wochenende Nasrallah äußerst gelegen: Seiner Argumentation, nur die paramilitärischen Einheiten der »Partei Gottes«, nicht die libanesische Armee könnten die Südgrenzen des Vier-Millionen- Einwohner-Landes wirkungsvoll verteidigen, schloss sich vorige Woche Präsident Emile Lahoud an.

Einiges deutet darauf hin, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad den in Libanon stationierten palästinensischen Milizen die Erlaubnis für eine härtere Gangart im innerlibanesischen Machtkampf gegeben hat. Schließlich gewinnt die prosyrische Fraktion um Präsident Lahoud, Hisbollah-Chef Nasrallah und den Parlamentspräsidenten Nabih Berri immer mehr Boden gegenüber den Kräften um den Sohn des im Februar 2005 ermordeten Expremier Rafik Hariri, Saad Hariri. Dessen Verbündeter Walid Dschumblatt, Chef der Progressiven Sozialistischen Partei (PSP), warf »Agenten der Achse Teheran-Damaskus« vor, mit dem Raketenbeschuss »Libanon destabilisieren und den Konflikt innerhalb unserer Grenzen ausfechten« zu wollen.

Vor zwei Wochen erst war es in der Bekaa-Ebene zu Gefechten zwischen Einheiten der libanesischen Armee und Kämpfern der Fatah-Intifada, einer in Damaskus ansässigen Palästinenser- Fraktion, gekommen. Mehrere syrische Militärlastwagen statteten die Gruppierung während der Auseinandersetzungen mit Nachschub aus. Dabei hatte eine von Parlamentspräsident Berri ins Leben gerufenen, als »Nationaler Dialog« bezeichnete Initiative noch im April die Entwaffnung aller außerhalb der zwölf palästinensischen Flüchtlingslager befindlichen Organisationen gefordert.

* Aus: Neues Deutschland, 31. Mai 2006


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