Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Dramaturgie eines Tribunals

Am 13. Januar soll Prozeß gegen angebliche Mörder des libanesischen Expremiers Hariri beginnen

Von Jürgen Cain Külbel *

In einer »vorprozessualen Konferenz« diskutierte am Montag das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen installierte Sondertribunal für den Libanon (STL) Modalitäten des Prozesses, den es ab Januar 2014 gegen die mutmaßlichen Mörder des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri führen wird.

Hariri, ein sunnitischer Multimilliardär mit saudischer und libanesischer Staatsbürgerschaft, schwerreich geworden durch den Wiederaufbau des nach 15jährigem Bürgerkrieg zerstörten Libanon, war am 14. Februar 2005 in Beirut mittels einer Autobombe, die eine Sprengkraft von 1800 Kilogramm TNT besaß, exekutiert worden. Der Anschlag forderte 23 Menschenleben und 231 Verletzte. Rasch wurde der Verdacht auf den Wunschtäter der USA gelenkt: Syrien, damals Ordnungsmacht in Libanon. Die im Mai 2005 zur Aufklärung des Attentates vom UN-Sicherheitsrat eingesetzte Internationale Unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (UNIIIC), die die Damaszener Regierung als Drahtzieher festnageln sollte, mutierte unter Federführung des von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzten Berliner Oberstaatsanwaltes Detlev Mehlis in Windeseile zu einem impotenten Gebilde: die Ermittler stützten sich auf Zeugenaussagen, die nachweislich mit Millionenbeträgen erkauft wurden; Mehlis’ Stellvertreter, der Vizechef der UNIIIC und Erster Kriminalhauptkommissar beim Bundes­kriminalamt, Gerhard Lehmann, versuchte laut einem Memorandum des Rechtsanwalts Akram Azoury an den libanesischen Untersuchungsrichter Sakr Sakr vom 26. September 2007 zudem, einen libanesischen Geheimdienstchef zu korrumpieren. Danach forderte er am 31. Mai 2005 von diesem, den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad zu überzeugen, »eine unabhängige syrische Justizkommission zu bilden« sowie ein »substantielles syrisches Opfer« auszuwählen, das gestehen würde, das Attentat ohne Wissen der syrischen Regierung verübt zu haben. Das besagte »Opfer« würde sodann »durch einen Autounfall oder einen Suizid getötet aufgefunden« werden, und die »Akte damit geschlossen«.

Das in Leidschendam bei Den Haag stationierte STL wechselte jedoch nach dem von Israel vom Zaun gebrochenen Libanon-Krieg 2006 kurzerhand die Angriffsrichtung. Statt Syrien sollte nun die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah schuldig sein. Am 18. August 2011 erhob das STL Anklage gegen vier Mitglieder dieser Organisation: Mustafa Badreddine und Salim Ayyash wird Ausführung eines Terroraktes mit Sprengstoff, sprich: der Mord an ­Hariri vorgeworfen; Hussein Oneissi und Assad Sabra wurden wegen Beihilfe angeklagt. Im Oktober 2013 wurde die Anklage auf Hassan Merhi erweitert; der soll das Opfer beschattet und ein gefälschtes Bekennervideo präpariert haben. Die Anklage stützt sich indes nur auf Indizien: Die Auswertung registrierter Mobiltelefone habe den »koordinierten Einsatz der Mobiltelefone zum Durchführen des Mordanschlags« ergeben, so die Anklage. Fünf Netzwerke von Mobiltelefonen seien für verschiedene Aufgaben in Planung und Durchführung des Attentats verwendet worden; innerhalb eines Netzwerkes hätten die Täter nur untereinander telefoniert. Vier der Netzwerke seien Tage, beziehungsweise nur Minuten vor und nach dem Attentat verstummt und seither nicht mehr verwendet worden. Da einige Mittäter Handys für den Privatgebrauch mit sich trugen, hätten die Ermittler durch örtliche und zeitliche Übereinstimmung der privaten und geheimen Nummern vier der Beteiligten erkannt. Sonderbar, die deutschen Ermittler Mehlis und Lehmann kannten diese »geheimen Nummern« bereits 2005 und ordneten sie nachweisbar völlig anderen Personen zu, die deswegen auch in Haft gesessen hatten.

Staatsanwalt Norman Farrell, ein Kanadier, der sich seine Sporen an den Internationalen Strafgerichtshöfen für das ehemalige Jugoslawien sowie Ruanda verdiente, will seine Anklage nunmehr »in drei Kapiteln« präsentieren: zuvörderst die Geschehnisse am 14. Februar 2005 im Bereich des Tatortes, hernach die Vorbereitung des Bombenanschlages inklusive Erkenntnisse über das Kaufprozedere des Bombenfahrzeuges sowie die Präparation falscher Spuren zwecks Verschleierung der Täterschaft; im dritten Teil möchte er die »Beweise« präsentieren, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten untermauern. Ob Farell sein »Eröffnungplädoyer« jedoch am 13. Januar 2014 halten kann, steht in den Sternen. Das STL »ermittelte« am Montag, daß der seit nahezu einem Jahr gesetzte Termin auf einen libanesischen Feiertag fällt.

* Aus: junge welt, Mittwoch, 4. Dezember 2013


Zurück zur Libanon-Seite

Zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage