Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tribunal zu Hariri

UN-Sicherheitsratsinitiative zur Aufklärung des Mordes am Expremier Libanons birgt neues Konflikpotential

Von Karin Leukefeld *

Mit zehn Ja und ohne Gegenstimmen bei fünf Enthaltungen hat der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch (30. Mai) die Einrichtung eines Sondertribunals zur Aufklärung des Mordes an dem früheren libanesischen Regierungschef Rafik Hariri beschlossen. Hariri und 22 seiner Begleiter waren am 14. Februar 2005 in Beirut mittels einer Autobombe ermordet worden. Sofern die libanesische Regierung nicht zuvor durch eine Parlamentsentscheidung die Einrichtung eines solchen Tribunals erreicht, wird die UN-Sicherheitsratsentscheidung nach Kapitel 7 der UN-Charta aus Gründen der »Bedrohung der internationalen Sicherheit und des Friedens« am 10. Juni in Kraft treten.

Der libanesische Regierungschef Fuad Siniora hatte schriftlich den UN-Sicherheitsrat zu der Entscheidung aufgefordert, nachdem es ihm nicht gelungen war, eine Parlamentssitzung zur Abstimmung über das Tribunal zu erreichen. Seit Dezember 2006 lähmt ein Streit zwischen Opposition und Regierung politische Entscheidungen in Beirut, auch über das Mandat des Tribunals, dessen Notwendigkeit von der Opposition nicht bestritten wird.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, »bedauerlicherweise (seien) alle nationalen Optionen für die Einsetzung des Sondertribunals erschöpft« gewesen, obwohl es besser gewesen wäre, wenn »die libanesischen Parteien die Sache unter sich in einem nationalen Konsens hätten lösen können«. Rußland, China, Indonesien, Südafrika und Katar enthielten sich aus genau diesem Grund der Stimme. Scheich Hamad bin Jassim bin Jabr Al-Thani, der katarische UN-Botschafter, sagte, man könne einem solchen Tribunal nicht zustimmen, wenn eine Mehrheit der Libanesen die Resolution des UN-Sicherheitsrates ablehne. Der Streit über Rechte und Auftrag des Tribunals könnte zu neuen innerlibanesischen Konflikten führen.

Das Tribunal wird international besetzt sein und dem UN-Sicherheitsrat unterstehen. Es soll selbst entscheiden, ob weitere Morde, wie beispielsweise der an dem prominenten Journalisten Samir Kassir am 2. Juni 2005, ebenfalls untersucht werden. In Beirut und von Libanesen im Exil war die Entscheidung mit großer Spannung erwartet worden. Das Innenministerium hatte die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Es durften keine Feuerwerkskörper gezündet oder Schüsse abgegeben werden, auch Motorrad fahren war verboten. Im Beiruter Stadtteil Schiyya kam es dennoch unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung zu einer Explosion, die aber nach ersten Berichten keinen Schaden anrichtete. Von libanesischer Regierungsseite wird die Entscheidung begrüßt. Drusenführer Walid Dschumblat bezeichnete die Entscheidung als einen »historischen Tag für Libanon«. Ali Hassan Khalil, ein Abgeordneter der Opposition, erklärte hingegen, niemand solle erwarten, »daß wir dieses Tribunal anerkennen, weder direkt noch indirekt«.

Der UN-Sicherheitsrat hatte im April 2005 eine internationale Untersuchungskommission eingesetzt, um den Mord an Hariri aufzuklären. Sie war zunächst von dem deutschen Staatsanwalt Detlev Mehlis geleitet worden, der Syrien die Hauptschuld an dem Mord zugeschoben hatte. Sein Nachfolger, der Belgier Serge Brammertz, äußerte sich zurückhaltender und bescheinigte der syrischen Regierung eine weitgehend kooperative Haltung. Damaskus lehnt die jüngste Entscheidung des UN-Sicherheitsrates als »Einmischung in die Souveränität Libanons« rigoros ab.

* Aus: junge Welt, 1. Juni 2007


Zurück zur Libanon-Seite

Zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage