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Ein Dorf will keine Spaltung

Skepsis nach Israels Rückzug aus dem Grenzort Ghajar

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Der angekündigte Rückzug israelischer Truppen aus dem nördlichen Teil des Grenzortes Ghajar im libanesisch-syrisch-israelischen Ländereck wird im Libanon mit Skepsis registriert. Das israelische Sicherheitskabinett hatte am Mittwoch den Rückzug beschlossen, den es zuvor mit den UN-Friedenstruppen im Libanon, UNIFIL, ausgehandelt hatte. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich zufrieden. Wann der Rückzug beginnen soll, ist nicht bekannt. Der nördliche Teil Ghajars soll unter UN-Mandat gestellt und von UN-Soldaten kontrolliert werden. Das Dorf liegt am Hasbani-Fluß.

Ghajar hat in den letzten 80 Jahren viele Herren gesehen. 1932 entschieden sich die 2000 dort lebenden Alawiten – damals noch unter französischem Mandat –, zu Syrien gehören zu wollen. 1960 wurden sie bei einer syrischen Volkszählung als Einwohner des Golan registriert. 1967 wurde Ghajar mit dem syrischen Golan von Israel besetzt und 1981 völkerrechtswidrig annektiert. Die Einwohner akzeptierten israelische Pässe, haben aber ihre Zugehörigkeit zu Syrien nie geleugnet. Viele haben noch ihre Ausweispapiere aus der Zeit vor der Besatzung durch Israel behalten. Nachdem die israelische Armee sich im Jahr 2000 aus dem Südlibanon zurückzog, wurde die Grenze zwischen Israel und dem Libanon von den Vereinten Nationen vorgegeben. Ghajar hatte das Pech in einen nördlichen, libanesischen und einen südlichen, israelischen Teil gespalten zu werden. 2006 besetzten israelische Truppen (Nord-)Ghajar erneut, wobei sie keinen festen Stützpunkt installierten, sondern Patrouillen fuhren. Ein israelischer Kontrollpunkt markiert in der Mitte des Dorfes den Übergang in den von Israel annektierten Teil.

Die Bevölkerung von Ghajar fordert derweil weiter die Rückgabe ihres Dorfes und des gesamten Golan an Syrien und reagierte ablehnend auf die Entscheidung Israels. Netanjahu biedere sich an die internationale Gemeinschaft an, sagte ein Einwohner ausländischen Reportern am Rande einer Protestkundgebung. Israel wolle vom Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten ablenken. »Es will den Norden zurückgeben, aber es gibt hier nicht Nord und Süd, wir sind ein Dorf«, sagte ein Mann dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira International. Ghajar wolle keine »Berliner Mauer« in seiner Mitte, so ein anderer Mann, manche Familien fürchten, durch die neue Entwicklung voneinander getrennt zu werden. Fraglich ist auch, wie in Zukunft die 1 500 Leute im nun zum Libanon gehörenden Teil des Ortes betreut werden. Sie haben israelische Papiere, gehören aber nach israelischer Sicht fortan zum Libanon und dürften von Israel weder Strom noch Wasser oder medizinische Versorgung erwarten. Fraglich ist auch, wo die Kinder zur Schule gehen sollen und welche Schikanen die Bewohner hinnehmen müssen, wenn sie Arbeit suchen oder einkaufen wollen.

Der libanesische Parlamentssprecher Nabi Berri (Amal-Bewegung) erklärte, egal was in Ghajar passiere, der Widerstand Libanons gegen »die israelische Aggression« sei weiterhin eine »nationale Notwendigkeit« und gerechtfertigt. Vier Jahre habe Israel gebraucht, um die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 umzusetzen, und »noch immer wird sie Tausende Male zu Luft, Boden oder Wasser (von Israel) verletzt«. Libanon habe das Recht auf »jeden Zentimeter« seines Bodens, fügte Berri hinzu, womit er auf die ebenfalls von Israel besetzten Scheeba-Farmen anspielte. Abgeordnete aller Parteien äußerten sich skeptisch und sprachen von einem »israelischen Manöver«. »Israel beutet diesen Rückzug als neue Verhandlungsplattform aus«, kritisierte der Hisbollah-Abgeordnete Ali Fayyad.

* Aus: junge Welt, 20. November 2010


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