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Einsam auf Wacht

Deutsche Truppen in Afrika wurden von ihrem Minister moralisch aufgerüstet

Gerd Schumann *

Zum Abschluß seiner Drei-Stationen-Afrika-Reise stand am Dienstag gegen Abend eine Begegnung mit Joseph Kabila und Jean-Pierre Bemba auf dem Programm. Doch noch bevor Dr. Franz Josef Jung die beiden verfeindeten, hochgerüsteten Kontrahenten im Stichwahlkampf um die kongolesische Präsidentschaft traf, betätigte er sich als Hellseher. »Plangemäß« werde das Bundeswehrkontingent in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) seinen Einsatz nach vier Monaten beenden. Das wäre am 30. November.

Weihnacht in der Heimat also, versprochen vom deutschen Verteidigungsminister am Dienstag vormittag in Gabun. Dort und in der DRK hatte sich Jung einen »Eindruck von der Auftragserfüllung der deutschen Soldaten« (Presseerklärung Bundesverteidigungsministerium) gemacht – jenen insgesamt knapp 750 uniformierten Männern und Frauen, die im Rahmen der unter deutschem Kommando stehenden »Mission EUFOR« über den Wahlprozeß im drittgrößten Flächenstaat Afrikas wachen. 386 in der gabunischen Hauptstadt Libreville, 343 im kongolesischen Kinshasa, zwei von derzeit drei Bundeswehrstandorten auf dem afrikanischen Kontinent.

Demnächst könnten es nach Meinung des Ministers vier werden. »Ob weitere Aufgaben auf uns zukommen, ist jetzt nicht vorhersehbar«, sagte er in Gabun – »mit Blick auf Sudan«, so die Agentur AFP. Für das ölreiche Land am Roten Meer drängen insbesondere die USA auf eine schnelle Präsenz von NATO-geführten UN-Truppen. Als Stichtag hierfür deutet sich der 31. Dezember 2006 an. Dann endet die kürzlich verlängerte Stationierungsdauer für die Soldaten der Afrikanischen Union in der Westprovinz Darfur. Zwar stäubt sich derzeit der sudanesische Präsident Omar Hassan Ahmad Al Baschar immer noch massiv dagegen und kündigte für den Fall der Fälle sogar bewaffnete Gegenwehr an. Doch wird George W. Bush alle Hebel in Bewegung setzen, um den Energiedurst Washingtons zu stillen. Die Unterstützung Berlins hierfür bestätigte Jung nun indirekt.

Verwundern mag, daß dieses ausgerechnet an der Westküste Zentralafrikas geschah, dort, wo die ausländischen Mächte jüngst schon häufiger den Grad ihrer Unbeliebtheit hautnah erfahren konnten: nicht nur westliche Botschafter, die von ihren Soldaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses Ende August in Kinshasa aus Bembas Hauptquartier in Sicherheit gebracht werden mußten; auch die EUFOR-Patrouillen insbesondere in den Armenvierteln Kinshasas, die schon mal mit Steinwürfen empfangen werden. Und eines dürfte klar sein: Das gesellschaftliche Klima im Sudan wird für die Neokolonialisten nicht angenehmer werden.

Unangenehm kann es für die Deutschen derzeit sogar auf hoher See sein, besonders wenn die Unterstützung von zu Hause fehlt. »Vergessen am Horn von Afrika« (FAZ, 26.9.) seien sie, klagten zumindest einige der etwa 320 deutschen Marines im äußersten Nordosten des Kontinents »über mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit im Anti-Terror-Einsatz« in der Heimat. Helfen die in Dschibuti stationierten Bundeswehrsoldaten etwa nicht mit, »die Versorgung in Deutschland zu sichern«? Immerhin seien sie doch für den Weltmarkt und den Nachschub an Rohstoffen und Gütern »von vitaler Bedeutung«. Am Sonntag abend brachte Jung Linderung für die Seele der im Stich Gelassenen, tröstete sie und baute ihre Moral bei Gegrilltem und Freibier wieder auf.

Und ab sofort kommt laut Bundestagsbeschluß vom 20. September als weiterer Stationierungsort das Levantinische Becken vor Libanons Küste hinzu – ein »robuster«, und damit nach militärischer Lesart ein anspruchsvollerer Einsatz. Aber immerhin darf vor den Küsten am Golf von Aden auch die Fregatte »Schleswig-Holstein« anderen Schiffen schon mal einen Schuß vor den Bug geben. Jung indes reicht das nicht. Er forderte am Montag Druck auf die Anrainerstaaten Oman und Jemen, um zu Vereinbarungen zu kommen, damit die deutsche Marine zusätzlich auch in deren Territorialgewässern operieren kann. Sonst würde mancher verdächtige Kahn sich innerhalb deren Zwölf-Meilen-Zone verstecken. Was nicht die Deutschen nicht zulassen dürften. Schließlich liegt hier die »Hauptschlagader des Welthandels«, so Flotillenadmiral Heinrich Lange, der Befehlshaber am Horn von Afrika.

* Aus: junge Welt, 27. September 2006


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