Neue Spannungen im Fergana-Tal
Kampf ums Wasser aus den Bergen Kirgistans spitzt sich zu
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Die Nacht war mondlos und das war gut für das Vorhaben. Denn die Bewohner eines Dorfes in der
zu Tadshikistan gehörenden Provinz Sogd im zentralasiatischen
Fergana-Tal waren ausgezogen,
einen Damm auf der kirgisischen Seite einzureißen, um das Wasser das Grenzflusses auf ihre
trockenen Felder umzuleiten.
Kirgisische Grenzschützer stoppten die Bauern in letzter Minute. Blutvergießen und eine Eskalation
konnten nur verhindert werden, weile beide Regierungen sich inzwischen auf ein provisorisches
Abkommen verständigten, das die Öffnung des Damms für Bewässerung vorsieht. Gelöst ist der
Konflikt nicht. Die Außenministerien belegen einander mit markigen Erklärungen und suchen, wie
Experten befürchten, nach einem plausiblen Anlass, um ihre Gebietsforderungen durchzusetzen.
Der Klimawandel heizt auch die ethnischen Spannungen im Fergana-Tal erneut an. Durch die
fruchtbare, dicht besiedelte Oase verläuft die Grenze zwischen Usbekistan, Kirgistan und
Tadshikistan. In allen drei Staaten leben große Minderheiten der jeweils anderen Volksgruppen, vor
allem in Exklaven und in unmittelbarer Grenznähe. Streit um das knappe Ackerland und um Wasser
führte bereits in der Perestroika, als die heutigen Grenzen kaum mehr als eine gedachte Linie
waren, zu blutigen Kämpfen.
Traditionell auch Hochburg des Islam, machte das Fergana-Tal im Mai 2005 erneut Schlagzeilen.
Als usbekische Regierungstruppen einen Aufruhr in Andishan niederschlugen, kamen hunderte
Menschen ums Leben.
Jetzt spitzt sich der Konflikt der Volksgruppen erneut zu. Grund ist die ungleiche Verteilung der
Wasserressourcen. Die großen Flüsse der Region entspringen vor allem in den Bergen Kirgisstand,
wo sie im Sommer aufgestaut werden und im Winter die Turbinen der Toktogul-Kraftwerkskette
antreiben, mit deren Energie das rohstoffarme Land seinen Strombedarf deckt. Der stieg durch den
kalten Winter enorm. Zu Beginn der Aussaat im Frühjahr war daher der Wasserstand in den
Stauseen besonders niedrig. Entsprechend wenig Wasser kam in der Ebene an. Dort gibt es bisher
kaum Rückhaltebecken, in denen das Wasser, das die Kraftwerke im Winter ablassen, aufgefangen
und in der Trockenzeit auf die Felder geleitet werden kann.
Der Kampf um Wasser brachte die Staaten des Fergana-Tals bereits mehrfach hart an den Rand
eines Krieges. Besonders groß sind die Spannungen momentan im Grenzgebiet zwischen der zu
Tadschikistan gehörenden Provinz Sogd und dem kirgisischen Landkreis Batken. Dort sind bereits
tausende Familien von Hunger bedroht. Zum einen, weil sie ihre Felder nicht mehr bewässern
können, zum anderen, weil viele Flächen wegen der ungeklärten Grenzen brachliegen. Insgesamt
21 Quadratkilometer werden sowohl von Kirgistan als auch von Tadshikistan beansprucht. Ein
Treffen der Präsidenten – Kurmanbek Bakijew und Imomali Rachmonow – endete mit einem
unfreiwilligen Eingeständnis der Hilflosigkeit: Statt sich über effiziente Wasserverwaltung und
einvernehmliche Grenzziehung zu einigen, beschlossen sie ein Anbauverbaut für umstrittene
Flächen.
Konfliktmanager drängen auf Verbesserung der Kontakte zwischen den Bewohnern grenznaher
Regionen, können bei den klammen Regierungen aber kein Geld für ihre Projekte locker machen.
Auch die internationale Gemeinschaft, klagt ein Journalist im südkirgisischen Osch, stehle sich
zunehmend aus der Verantwortung: Das Interesse an Zentralasien sei »dramatisch« gesunken.
* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2008
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