Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schleier in Flammen

Frauen sind führend an den Protesten im Jemen beteiligt

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Aus Protest gegen die anhaltende Gewalt der jemenitischen Armee haben Hunderte Frauen am Mittwoch zu einer für das arabische Land drastischen Protestaktion gegriffen. In der Hauptstadt Sanaa warfen sie ihre Ganzkörperschleier, die Makrama, auf einen Haufen, schütteten Benzin darüber und entfachten ein großes Feuer. Damit wollten sie, »die freien Frauen des Jemen, die Welt auf die blutigen Massaker aufmerksam machen, die von dem Tyrannen verübt werden«, begründeten sie ihre Aktion. In der Nacht zuvor waren in Sanaa und Taiz bei Operationen der Armee mindestens 25 Personen getötet worden, als die Soldaten Wohnviertel angriffen.

Bei den Massenprotesten im Jemen, mit denen seit acht Monaten der Rücktritt des seit 1978 das Land beherrschenden Präsidenten Ali Abdullah Saleh gefordert wird, haben Frauen von Anfang an eine herausragende Rolle gespielt, wofür auch eine ihrer bekanntesten Vertreterinnen, Tawakul Karman, am 10. Dezember in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden wird.

Die Lage im Jemen eskaliert wieder, seit Saleh im September aus Saudi-Arabien zurückkehrte. Dort war er wegen Verbrennungen, die er bei einem Anschlag Anfang Juni erlitten hatte, medizinisch behandelt worden. Insgesamt sollen im Jemen seit Januar rund 1500 Menschen getötet worden sein. Loyal zu Präsident Saleh stehende Streitkräfte und Truppen des zur Opposition übergelaufenen Generals Ali Mohsin Al-Ahmar liefern sich seit Wochen blutige Auseinandersetzungen. Vor wenigen Tagen hatte die jemenitische Armee im Norden des Landes eine Offensive gegen das traditionelle Siedlungsgebiet des Al-Ahmar-Stammes gestartet. Dessen Anführer, Scheich Sadik Al-Ahmar, ist gemeinsam mit General Ali Mohsin einer der prominentesten Vertreter der Opposi­tionsbewegung.

Der jemenitische Präsident wird von den USA, Saudi-Arabien und dem Golfkooperationsrat seit Jahren als wichtiger Partner im »Kampf gegen den Terrorismus« unterstützt. Er gilt als korrupt, während die jemenitische Bevölkerung zu den ärmsten in der arabischen Welt gehörtlt. Obwohl seine westlichen und arabischen Bündnispartner ihm eine goldene Brücke zum Amtsverzicht gebaut haben, der ihm und seiner Familie Straffreiheit zusicherte, tritt Saleh trotz wiederholter Ankündigungen nicht zurück. Bei einem Gespräch mit US-Botschafter Gerald Feierstein am Dienstag erklärte Saleh erneut seine Bereitschaft zum Rückzug, dennoch geht die Gewalt weiter.

Beim Absturz einer russischen Antonow am Dienstag (25. Okt.) im Süden des Landes sind acht syrische und ein jemenitischer Ingenieur ums Leben gekommen. Sieben weitere Passagiere überlebten den Unfall, der sich offenbar beim Landeanflug der Maschine auf eine jemenitische Militärbasis in der Provinz Lahidsch ereignet hatte. Regierungstruppen führen in dem Gebiet seit Monaten eine blutige Operation gegen Stämme durch, die dem »Terrornetzwerk Al-Qaida« nahestehen sollen. Jemenitische Oppositionelle warfen Präsident Saleh jetzt vor, syrische Kampfpiloten zur Aufstandsbekämpfung eingeflogen zu haben. Aus jemenitischen Regierungskreisen wurde dieser Vorwurf zurückgewiesen. Die syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete, die acht Syrer hätten sich zu Ausbildungszwecken im Jemen aufgehalten. Wie auch mit anderen arabischen Staaten habe Syrien mit Jemen auf verschiedenen Gebieten Austauschprogramme zur technischen Ausbildung.

* Aus: junge Welt, 28. Oktober 2011


Zurück zur Jemen-Seite

Zurück zur Homepage