Agent von Polen ausgeliefert
Mossad-Mann hat wenig Probleme zu erwarten
Von René Heilig *
Einen Tag nach seiner Überstellung aus Polen ist ein mutmaßlicher Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad am Freitag (13. Aug.) in Köln gegen Kaution freigelassen worden. »Der Haftbefehl wegen Urkundenfälschung wurde im Einvernehmen zwischen Amtsgericht und Staatsanwaltschaft aufgehoben«, erklärte ein Kölner Oberstaatsanwalt. Damit kann sich der als Uri Brodsky auftretende Mann frei bewegen und auch Deutschland verlassen.
Angesichts des Mordfalles und seiner politischen Bedeutung ist das, was Uri Brodsky erwartet, eine Lappalie. Er wird in Deutschland nur wegen Falschbeurkundung und Fälschung angeklagt werden. Die Staatsanwaltschaft legt sich selbst Ketten an.
Ihr Vorwurf lautet, Brodsky soll im Frühjahr 2009 einem Mossad-Agenten geholfen haben, beim Einwohnermeldeamt Köln einen deutschen Reisepass zu beantragen. Mit dem auf den Namen Michael Bodenheimer ausgestellten Dokument war einer der mutmaßlichen Mörder in Dubai kurz vor dem Anschlag ein- und wieder ausgereist. Da läge es nahe, dass man Brodsky vor allem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zum Mord anklagt.
Doch das würde die guten Beziehungen zwischen deutschen und israelischen Diensten beschädigen. Die sind nämlich seit Jahrzehnten fast exzellent: BND und Mossad leisten sich gegenseitig Vermittlerdienste. An diesem Geben und Nehmen soll sich nichts ändern, und daher hat das Kanzleramt offenbar einen Regieplan gebilligt, wie mit den »geringen Verfehlungen« von Brodsky umzugehen ist.
Generell ist das Verhalten der deutschen Regierung im Falle Dubai-Mord sehr zurückhaltend. Während die Verbündeten in London und Paris keinen Zweifel an der Täterschaft des Mossad äußern und daher die jeweiligen israelischen Botschafter einbestellten, verfügt Berlin angeblich über keinerlei Erkenntnisse. Was das Kanzleramt nicht daran hindert, mit dem internationalen Haftbefehl gegen Brodsky ein Zeichen nach Israel zu senden: Zieht uns nicht in eure »nassen Sachen« rein!
Tatsächlich ist die Art der »Bodenheimer«-Passbeschaffung schon ein Affront gegen die Hilfsbereitschaft des BND. Während andere Partner des Mossad nur ausgefüllte Pässe zur Nutzung an die israelischen Kollegen weiter- gaben und damit die Kontrolle über sie behielten, reichte der BND jahrzehntelang deutsche Blankopässe übers Mittelmeer.
Doch damit wird bald Schluss sein, denn, so merkt Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom an: Die neuen Dokumente mit biometrischen Angaben haben ein Gutes – sie erschweren es auch Geheimagenten, sich unkontrolliert durch die Welt zu bewegen.
* Aus: Neues Deutschland, 14. August 2010
Die Spur der Täter erkaltet
Zum Mordfall in Dubai gab es zuletzt kaum neue Erkenntnisse
Von Karin Leukefeld **
Die Auslieferung eines in Polen festgenommenen israelischen Agenten am Donnerstag an
Deutschland hat den Fall wieder ins Gedächtnis gerufen. Allerdings: Fast sieben Monate nach dem
Mord an dem hochrangigen Hamasmitglied Mahmoud al-Mabhouh in einem Hotel in Dubai gibt es
wenig Neues bei den Ermittlungen.
Dank umfassender Aufnahmen aus Überwachungskameras hatte Dahi Khalfan Tamim, der
Polizeichef von Dubai, der Hauptstadt des gleichnamigen Scheichtums in den Vereinigten
Arabischen Emiraten, schon kurz nach Entdeckung des Mordes am 20. Januar den israelischen
Geheimdienst Mossad für die Tat verantwortlich gemacht. Sollte sich das bestätigen, müsse der
Mossadchef persönlich verhaftet werden, forderte der aufgebrachte Polizeichef damals. Bilder von
elf Verdächtigen, die mit gefälschten Papieren nach Dubai ein- und ausgereist waren, wurden
veröffentlicht und internationale Haftbefehle ausgestellt.
Wenige Wochen später wurden 15 weitere Verdächtige genannt, die zum gleichen Zeitpunkt mit
gefälschten Papieren in Dubai waren. Von den insgesamt 26 Personen hatten zwölf britische Pässe,
sechs irische Pässe, drei französische, drei australische und einer einen deutschen Pass. Die Daten
waren offenbar bei der Einreise dieser Personen nach Israel gestohlen worden. Botschaften dieser
Länder warnen jetzt davor, den Pass bei der Einreise in Israel aus den Augen zu lassen.
In Kleinarbeit wertete die Polizei von Dubai Bilder von Überwachungskameras aus und konnte den
Tathergang weitgehend rekonstruieren. Nachvollziehbar wird so, wie Mabhouh ausgespäht wurde,
wie viele Personen sich im gegenüberliegenden Zimmer einquartiert hatten und wie alle nach der
Tat in kurzen Abständen das Hotel verließen. Die Behörden fanden heraus, wie das elektronische
Schloss des Hotelzimmers von Mabhouh manipuliert worden war, danach müssten die Mörder dort
eingedrungen sein, kurz bevor er am Abend zurückkehrte.
Im März veröffentlichte die Polizei in Dubai weitere Ermittlungsergebnisse. Fast alle Mitglieder des
Mordkommandos hatten während ihres Aufenthaltes in Dubai mit so genannten pre-paid
(vorausbezahlten) Karten der US-amerikanischen MetaBank bezahlt, die einen Ableger in Tel Aviv
hat.
Auch wenn die Polizei von Dubai sich zu »99 Prozent« sicher ist, dass der Mossad verantwortlich ist,
fehlt bis auf den vermutlichen Mossad-Agenten »Brodsky«, der jetzt von Polen an Deutschland
ausgeliefert wurde, von dem Mordkommando jede Spur. Israel äußert sich nicht zu dem Vorwurf.
Irland, Großbritannien, Australien, Frankreich und Deutschland hatten sich zunächst empört gezeigt,
da die Agenten mit gefälschten Pässen dieser Staaten unterwegs waren. Australien, Großbritannien
und Irland wiesen israelisches Botschaftspersonal aus.
Inzwischen ist es in Europa merkwürdig still geworden um die Angelegenheit. Die EU verurteilte
zwar den Diebstahl von Daten für die Ausführung eines Mordes und zeigte sich »tief verstört« über
den Missbrauch von Rechten europäischer Bürger, vermied es aber, Israel direkt verantwortlich zu
machen.
** Aus: Neues Deutschland, 14. August 2010
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