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"Hamas versetzte Euch einen Schlag und ihr habt daraufhin der Fatah einen Schlag versetzt"

US-Botschafter Richard Jones im Interview mit der "Jerusalem Post" - Plädoyer für den "politischen Horizont" der israelischen Außenministerin Tzipi Livni

Den folgenden Text brachte die Israelische Botschaft in Berlin am 17. Januar in ihrem täglichen Newsletter in Umlauf. Es handelt sich um einen Artikel, der am 16. Januar 2007 in der Online-Ausgabe der Jerusalem Post auf Englisch erschien. Darin werden wesentliche Gedanken des US-Botschafters in Israel, Richard Jones, über die Lage im Nahen Osten und die Strategie Israels gegenüber dem Palästinenserlager geäußert. Interessant vor allem die leise Kritik an der "früheren" (früheren?) Politik der israelischen Regierung, die nach allen von Hamas verübten Anschlägen mit ganzer Härte gegen die damals von der Fatah gestellte Autonomiebehörde vorging, was direkt zur Schwächung von Fatah und indirekt zur Stärkung von Hamas beigetragen habe. Heute, da die israelische Regierung sich an den Waffenstillstand (im Gazastreifen) halte und nicht "zurückschlägt", hätten die radikalen Kräfte von Hamas keine "Legitimation" mehr zur Gewalt. Daher steigen die Spannungen zwischen Fatah und Hamas. Und all das sei gut für die Sicherheitslage Israels. Vor allem könnten die Palästinenser jetzt sehen, dass Hamas eben "auch Terror gegen ihre eigene Gesellschaft" ausübe. - Kein Wort darüber, dass die USA aber auch jeweils die harten militärischen Aktionen Israels mit dessen Recht zur "Selbstverteidigung" gerechtfertigt haben.
Auch die übrigen Passagen, die sich mit der Zweistaatlichkeit befassen, sind interessant, weil sie ausschließlich auf die Roadmap Bezug nehmen und hier ausschließlich auf die nicht erfüllten Bedingungen der Autonomiebehörde verweisen. Israelische Verpflichtungen scheint es danach überhaupt nicht zu geben. Im Grunde genommen wird damit der palästinensischen Gesellschaft keine wirkliche Chance gegeben zu einem eigenen Staat zu kommen.
Im Folgenden also - unkommentiert - der Text, wie er von der israelischen Botschaft verbreitet wird.



US Botschafter Jones äußert sich in einem Interview zur aktuellen Lage

Die gegenwärtige interne palästinensische Gewalt ist gut für Israel, weil sie den Palästinensern „zeigt, dass Terror nicht in ihrem Interesse ist, denn er wird gegen sie selbst gerichtet werden“, sagte US-Botschafter Richard Jones am Dienstag (16. Januar 2007) in einem Exklusivinterview mit The Jerusalem Post.**
Jones erwiderte in seinem ersten Interview mit der israelischen Presse seit seiner Amtsübernahme im September 2005 auf die Frage nach der israelischen Politik der Zurückhaltung im Gazastreifen, diese sei erfolgreich darin, die Palästinenser zu überzeugen, dass die Hamas die Schuld an ihren gegenwärtigen Nöten trage.


„Ihr (Israel) habt Gaza eine kleine Atempause gegeben“, sagte er. „Ihr operiert immer noch in der Westbank, Ihr bekämpft dort immer noch den Terror, weil Ihr die Feuerpause nicht auf dieses Gebiet ausgeweitet habt. Wenn man Gaza betrachtet, so sieht man, dass Israel dort nicht mehr gegen die Palästinenser vorgeht. Und doch geschehen den Palästinensern dort immer noch schlimme Dinge. Dies ist gut für Euch, weil es den Palästinensern zeigt, dass Terror nicht in ihrem Interesse ist, denn er wird gegen sie selbst gerichtet werden.“

Dieser Prozess, sagt er, führt zu einer Abnahme der Unterstützung der Hamas und zu einer Zunahme der Unterstützung der Fatah. Jones weist darauf hin, dass die Fatah die drei internationalen Prinzipien akzeptiert hat. „Dies ist gut für Eure Sicherheit.“

„Ich habe oft gedacht, dass es die Hamas in den zurückliegenden Jahren der zweiten Intifada sehr gut hatte. Sie versetzte Euch einen Schlag und Ihr habt daraufhin der Fatah einen Schlag versetzt“, sagte Jones. Das Ergebnis dieser Politik sei, sagte der US-Botschafter, dass die Hamas fähig war, sich in den Augen der palästinensischen Gesellschaft als Widerstandskämpfer hervorzutun, während Israel ihren internen Feind geschwächt hat.

„Ihr habt sie politisch stärker gemacht, und Ihr habt sie gegenüber ihren Rivalen innerhalb der palästinensischen Gesellschaft militärisch stärker gemacht“, sagte er.

Jetzt jedoch, da Israel nicht zurückschlage, sagte Jones, bekomme die Hamas plötzlich „keine Legitimation durch Eure Aktivitäten, deshalb scheint die Spannung zwischen ihr und der Fatah zu wachsen“.

Anstatt durch Israels Reaktionen eine Legitimation zu erhalten, sagte Jones, „töten sie (die Hamas) Palästinenser, und sie töten Fatah-Aktivisten… Natürlich schlägt die Fatah zurück, doch ich denke, dies ist gut, um der Hamas zu zeigen, was sie ist. Sie ist eine Terrororganisation. Und normalerweise übt sie Terror gegen Israel aus. Doch sie übt auch Terror gegen ihre eigene Gesellschaft aus.“

Die Wahrheit sei, sagte er, dass „die Einschränkung der israelisch-palästinensischen Gewalt das wahre Problem hier zeigt. Dieses ist der Terror, und ich denke, das ist gut für Euch. Ich denke, auf lange Sicht verbessert (die Politik der israelischen Zurückhaltung) Eure Sicherheit.“

Bezüglich des kürzlich stattgefundenen Besuches der US-amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice sagte Jones, Rice habe die Vorstellungen der israelischen Außenministerin Tzipi Livni hinsichtlich des Aufzeigens eines „politischen Horizontes“ „aufgenommen“. Jones sagte, es sei wichtig gewesen, beiden Seiten „eine Vorstellung von dem zu geben, über das wir reden und das uns interessiert“.

Rice wird innerhalb eines Monats für trilaterale Gespräche mit Premierminister Ehud Olmert und dem Vorsitzenden der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas zurück erwartet. Jones hob hervor, dass dies keine „Verhandlungen“ sondern eher „Diskussionen“ sein würden über alle Hauptthemen, die in den letzten Stufen der Umsetzung der Roadmap behandelt werden müssten.

Gemäß dem Plan, der kürzlich von Livni dargestellt worden war, würden Verhandlungen mit den Palästinensern über eine Eigenstaatlichkeit selbst dann stattfinden, wenn diese die erste Stufe der Roadmap – Beseitigung der terroristischen Infrastruktur - nicht umsetzten. Doch palästinensische Eigenstaatlichkeit würde nur dann verwirklicht werden, wenn die Palästinenser alle Bedingungen der Roadmap erfüllten.
Die Logik hinter dieser Annäherung besteht darin, den Palästinensern den Anreiz zu geben, entweder die Hamas abzuwählen oder die Organisation dazu zu bringen, ihre Einstellung zu ändern, so dass die Roadmap umgesetzt und Eigenstaatlichkeit erreicht werden könnte. (Jerusalem Post, 16.01.07)

* Englische Version: "Ambassador Jones talks to 'Post'" (Autor: Herb Keinon)
http://www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1167467747499&pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull

** Das Interview erscheint in vollem Wortlaut am 19. Januar 2007 in der "Jerusalem Post"





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