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Sanktionen gegen Iran verschärft

Teheran: Lassen uns nicht in die Knie zwingen / Russland nennt Maßnahmen inakzeptabel *

Nach dem jüngsten kritischen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde zum iranischen Atomprogramm will der Westen Teheran mit neuen Sanktionen unter Druck setzen. Die USA, Großbritannien und Kanada verhängten am Montag (21. Nov.) harte Strafmaßnahmen.

Im Atomstreit mit Iran erhöht der Westen den Druck auf Teheran. Nach einem alarmierenden Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über ein iranisches Atomwaffenprogramm verhängten die USA, Großbritannien und Kanada weitere Sanktionen. Erstmals zielen die USA dabei auf die petrochemische Industrie in Iran und werfen der Zentralbank des Landes Geldwäsche vor. »Iran hat den Weg der internationalen Isolation gewählt«, sagte US-Präsident Barack Obama.

Obama machte erneut klar, dass er es nicht zulassen werde, dass Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangt. »So lange wie Iran sich auf diesem gefährlichen Weg befindet, werden die USA weiterhin, sowohl gemeinsam mit ihren Partnern als auch durch eigene Aktionen, das iranische Regime isolieren«, erklärte Obama am Montagabend (21. Nov.).

Zuvor hatte Großbritannien in einem beispiellosen Schritt sämtliche Verbindungen zu iranischen Banken abgebrochen. Die Regierung in London rief am Montag alle Geldhäuser des Landes auf, vom Nachmittag an den Handel mit iranischen Finanzinstituten einzustellen.»Die heutige Ankündigung ist ein weiterer Schritt, um zu verhindern, dass das iranische Regime Atomwaffen an sich bringen kann«, sagte Schatzkanzler George Osborne.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte, das iranische Zentralbankvermögen einzufrieren und Öleinfuhren aus dem Land zu verbieten. Sarkozy machte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs konkrete Vorschläge für neue Sanktionen. Paris befürworte »Sanktionen beispiellosen Ausmaßes«.

Die neuen kanadischen Sanktionen treffen nahezu alle Finanzgeschäfte mit der iranischen Regierung, viele Einzelpersonen und Institutionen, sagte Außenminister John Baird in Ottawa.

Die USA verschärften ebenfalls Sanktionen gegen Energieunternehmen. Weitere Firmen und Personen, die Verbindung zum iranischen Atomprogramm haben sollen, wurden in bereits bestehende schwarzen Listen aufgenommen.

Mit dem Geldwäschevorwurf gegen die iranische Zentralbank und das gesamte Bankwesen des Landes will Washington ausländische Regierungen dazu anhalten, ihre Verbindungen zu den Banken ebenfalls zu lösen, da später schärfere Maßnahmen folgen könnten. Finanzminister Timothy Geithner sprach von einem »neuen und zerstörerischen Niveau der finanziellen und kommerziellen Isolationen«. Irans Zugang zum internationalen Finanzsystem werde dramatisch eingeschränkt.

Russland hat die Verschärfung der Sanktionen als inakzeptabel und als Verstoß gegen internationales Recht kritisiert. »Diese Praxis (...) erschwert den Weg zu einem konstruktiven Dialog mit Teheran ungemein«, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau am Dienstag (22. Nov.) der Agentur Interfax.

Auch Unternehmen aus Drittländern seien von den Zwangsmaßnahmen betroffen, vor allem im Öl- und Gassektor. Moskau ist ein enger Handelspartner Teherans und hat vor kurzem das erste iranische Atomkraftwerk fertiggestellt.

Die Regierung in Teheran hat die Sanktionen scharf kritisiert. Iran werde sich durch diese »vergeblichen Bemühungen« nicht in die Knie zwingen lassen, teilte Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast am Dienstag mit. »Wir verurteilen diese neuen Sanktionen, die nur die Feindschaft dieser Staaten gegenüber Iran aufzeigen«, sagte der Sprecher.

* Aus: neues deutschland, 23. November 2011


Neue Sanktionen

Westen treibt Isolierung des Iran voran. Rußland bezeichnet Strafmaßnahmen als illegal

Von Knut Mellenthin **


Die USA, Großbritannien und Kanada haben am Montag (21. Nov.) ihre Sanktionen gegen Iran verschärft. Die Europäische Union berät ebenfalls über zusätzliche Strafmaßnahmen. Frankreichs Ministerpräsident Nicolas Sarkozy hat sich mit der Forderung nach einem Verbot aller Erdölimporte aus dem Iran auf Platz eins unter den Scharfmachern gedrängt. Dagegen hat das russische Außenministerium die jüngsten Maßnahmen scharf kritisiert.

Die US-Regierung hat das gesamte iranische Finanzwesen unter den Generalverdacht der Geldwäsche gestellt. Damit vermeidet Washington zwar direkte Maßnahmen gegen die Zentralbank des Iran, wie sie von zahlreichen einflußreichen Kongreßmitgliedern gefordert werden, erreicht aber letztlich noch stärkere Effekte: Durch die Androhung möglicher Strafverfahren sollen nicht nur Geldinstitute und Wirtschaftsunternehmen der USA, sondern auch aller anderen Länder von jeglichem Geschäftsverkehr mit Teheran abgeschreckt werden.

Finanzminister Timothy Geithner beschrieb in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Chefin des State Department, Hillary Clinton, die erhofften Auswirkungen der neuen Maßnahme so: »Wenn Sie ein Finanzinstitut irgendwo auf der Welt sind und sich an irgendeiner Transaktion beteiligen, in die Irans Zentralbank oder irgend eine andere iranische Bank, die innerhalb oder außerhalb Irans arbeitet, verwickelt ist, dann riskieren Sie, Irans illegale Aktivitäten zu unterstützen: sein Streben nach Atomwaffen, seine Unterstützung des Terrorismus und seine Aktivitäten, mit denen verantwortungsbewußte Finanzinstitute getäuscht und die Sanktionen unterlaufen werden sollen.«

Daneben hat Barack Obama auch Sanktionen gegen alle Unternehmen angeordnet, die die erdölverarbeitende Industrie des Iran in irgendeiner Weise unterstützen. Da dies für US-amerikanische Firmen schon länger verboten ist, richten sich die angedrohten Strafmaßnahmen gegen ausländische Unternehmen. Außenministerin Clinton hat zugleich eine »weltweite diplomatische Kampagne« angekündigt, um noch widerstrebende Regierungen zu »ermutigen«, sich der Erpressung durch die USA zu fügen. Drohend setzte Clinton hinzu: »Die heutigen Schritte erschöpfen noch nicht unsere Möglichkeiten für Sanktionen gegen Iran. Wir werden weiter aktiv fortfahren, ein Spektrum zunehmend aggressiverer Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.«

Die britische Regierung hatte bereits am Montag verfügt, daß alle Kredit- und Finanzinstitutionen des Landes jede Art von Geldverkehr mit iranischen Banken, einschließlich der Zentralbank, sofort einstellen müssen. Auch die von Kanada beschlossenen zusätzlichen Sanktionen sehen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Verbot aller finanziellen Transaktionen mit iranischen Banken vor. Daneben wurde dort die Liste der Güter, die nicht in das Land exportiert werden dürfen, ausgeweitet. Sie enthält nun unter anderem alles, was irgendwie in der Erdöl und Erdgas fördernden oder verarbeitenden Industrie verwendet werden könnte.

Das russische Außenministerium hat die neuen Strafmaßnahmen als »inakzeptabel« bezeichnet und darauf hingewiesen, daß sie – so weit sie weltweite Gültigkeit beanspruchen – »dem internationalen Recht widersprechen«. »Für manche unserer Partner ist der Druck mit Sanktionen schon zu einem Selbstzweck geworden, und zwar zu einem, der nicht dazu führen kann, daß Irans Bereitschaft, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, zunimmt«, hieß es aus Moskau.

** Aus: junge Welt, 23. November 2011


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