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Die "Fuchs"-Chronik

Stationen auf dem "deutschen Weg" in den Irak-Krieg

Scheibchenweise rückt die Bundesregierung Informationen über ihre Verstrickung in die Kriegsvorbereitungen gegen den Irak heraus. Im Folgenden dokumentieren wir die Geschichte der Spürpanzer "Fuchs" in Kuwait von Februar bis Ende November 2002, wobei wir auf eine dpa-Chronologie sowie auf offizielle Regierungsdarstellungen zurückgreifen.

6. Februar: 250 ABC-Abwehrkräfte werden zu einer Katastrophenschutzübung unter Leitung der USA nach Kuwait entsandt. 52 Soldaten bleiben nach Abschluss der Übung vor allem zur Wartung der Spürpanzer dort. Der Rest hält sich in Deutschland für einen Einsatz bereit.

15. März: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stellt klar, dass Deutschland sich ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats auf keinen Fall an einem Militärschlag der USA gegen den Irak beteiligen werde. Im Kriegsfall sollten aber die Fuchs-Panzer in Kuwait bleiben, um bei einem Angriff mit ABC-Waffen Hilfe zu leisten.

3. August: Schröder und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) beziehen Position gegen einen Militärschlag gegen den Irak. Seine Regierung sei stets zu Solidarität bereit, stehe für Abenteuer aber nicht zur Verfügung, sagt der Kanzler in Hannover.

30. August: Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) kündigt den Abzug der Fuchs-Spürpanzer aus Kuwait an, sollte es zu einem Irak- Krieg kommen. Ein Regierungssprecher erläutert dazu, die Panzer seien auf Grundlage des Bundestagsbeschlusses nur für den Anti-Terror-Kampf dort stationiert. Sollten die USA den Irak angreifen, sei der Einsatz der ABC-Abwehrkräfte nicht mehr durch das Bundestagsmandat gedeckt. Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber ist derselben Meinung. Auf die Frage, ob die Panzer im Fall eines US-Angriffs gegen den Irak abgezogen werden müssten, sagt Stoiber: «Im Endergebnis ja.»

4. September: Der US-Botschafter in Deutschland, Daniel Coats, bezeichnet die Ankündigung der Bundesregierung als «wenig hilfreich». Ein Jahr nach den Terroranschlägen gegen die USA stößt die starre Position Deutschlands jenseits des Atlantiks auf Enttäuschung.

1. Oktober: Außenminister Fischer regt an, über die Verlängerung des Mandats der deutschen Soldaten im Anti-Terror-Kampf nachzudenken. Dazu gehören auch die sechs Spürpanzer.

11. Oktober: Struck bekräftigt, dass im Fall eines Irak-Krieges die Spürpanzer aus Kuwait abgezogen werden. Die Panzer seien zum Schutz amerikanischer Einrichtungen vor Terror in Kuwait stationiert, nicht aber für eine Beteiligung an einer Militäraktion gegen den Irak.

23. Oktober: Laut Medienberichten haben die USA Bedingungen an die Bundesregierung gestellt, um das wegen der Irak-Frage angespannte Verhältnis zu verbessern. Als «kleine Geste» sollten die deutschen Spürpanzer in Kuwait auch während eines bewaffneten Konflikts nicht abgezogen werden.

16. Oktober: Struck erklärt drei Wochen nach der Bundestagswahl, ein Abzug der Spürpanzer und Soldaten aus dem Nachbarland Iraks wäre «außenpolitisch fatal». Es bleibe aber dabei, dass ein Verbleib der deutschen Soldaten im Kriegsfall durch das Bundestagsmandat nicht gedeckt wäre.

11. November: Struck erklärt nach einem Besuch bei seinem US- Kollegen Donald Rumsfeld, dass militärische Auseinandersetzungen im Irak nicht automatisch zum Rückzug der Spürpanzer führen müssten.

15. November: Der Bundestag beschließt die Verlängerung des Mandats «Enduring Freedom». Die Opposition kritisiert die unterschiedlichen Äußerungen Strucks zum Umgang mit den Spürpanzern im Fall eines Irak-Kriegs.

16. November: Rumsfeld sagt laut «Spiegel» zum Thema Spürpanzer: Wenn die Deutschen Zweifel hätten, ob die «Füchse» im Krieg am Golf bleiben könnten, sollten sie sie lieber gleich heimholen - damit sie im Ernstfall «nicht im Weg stehen».



Am 22. November 2002 gab es folgende offizielle Erklärung aus dem Bundeskanzleramt zum Schluss des NATO-Gipfels in Prag:

Die 19 Staats- und Regierungschefs der NATO haben am 21. November die "Prager Erklärung zur Frage des Irak" verabschiedet. In ihr heißt es: "In Bezug auf Irak sichern wir unsere uneingeschränkte Unterstützung für die Implementierung der Resolution 1441 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu und appellieren an den Irak, diese und alle einschlägigen Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates vollständig und unverzüglich zu implementieren..."

Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte diese Erklärung. Es gehe darum, die Waffeninspekteure der UNO im Irak nach Waffenvernichtungswaffen suchen zu lassen. Zu wissen, ob der Irak seinen Verpflichtungen zur Abrüstung nachgekommen sei, sei im Interesse aller Menschen, so der Kanzler.

Zuvor war eine Anfrage der USA nach Unterstützung im Falle eines Militärschlages bei der Bundesregierung eingegangen. Schröder sagte, sie würde nun sorgfältig geprüft werden. Erst dann würden Entscheidungen getroffen werden. Die Bundesregierung werde selbstverständlich ihren Bündnisverpflichtungen nachkommen. Dabei bleibe es aber bei der deutschen Haltung, sich an einer möglichen Militäraktion gegen den Irak nicht zu beteiligen. Mit Blick auf die mit den Bündnispartnern geregelten Überflugrechte sagte Schröder, es sei selbstverständlich, dass die Bewegungsfreiheit unserer Freunde nicht eingeschränkt würde.

Die US-Regierung hatte ihre Botschafter in 50 Ländern angewiesen, bei ihren Gastregierungen um konkrete Zusage für einen möglichen Militärschlag nachzusuchen.



23. November: Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Hans Georg Wagner (SPD), erklärt, dass im Fall eines irakischen Angriffs auf das US-Lager in Kuwait, wo die Spürpanzer stationiert sind, «unsere Kräfte selbstverständlich zum Einsatz» kommen. Der SPD-Außenexperte Hans-Ulrich Klose schließt selbst einen Einsatz im irakischen Grenzgebiet nicht aus.



Am 25. November 2002 gab die Bundesregierung folgende offizielle Erklärung an die Presse heraus:

Keine deutsche Beteiligung an möglicher Irak-Intervention

Eine Anfrage der USA nach Unterstützung im Falle eines Militärschlags gegen den Irak wird zurzeit in den zuständigen Ressorts der Bundesregierung geprüft. Zu einzelnen Inhalten der Anfrage äußert sich die Bundesregierung nicht. Sie werde jedoch nach Abschluss der Prüfung selbstverständlich das Parlament über das Ergebnis unterrichten, teilte der stellvertretende Regierungssprecher Langguth mit.

Die Regierung der USA hat die Bundesregierung wie eine Reihe anderer befreundeter Staaten um Unterstützung für den Fall gebeten, dass sie zur Durchführung der Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrats militärische Maßnahmen gegen den Irak einleiten müsste. Diese Aufforderung wird zurzeit in den zuständigen Ressorts der Bundesregierung geprüft. Die Anfrage sei wenig spezifiziert und zum Teil noch konkretisierungsbedürftig, wie der stellvertretende Regierungssprecher Hans H. Langguth am 25. November 2002 in Berlin mitteilte.

Langguth stellte ferner klar, dass die Bundesregierung sich zu einzelnen Inhalten der Anfrage nicht äußere. Die in einigen Tageszeitungen aufgeführte Behauptung, die USA hätten in diesem Zusammenhang auch die Bereitstellung von Flugabwehrraketen des Typs "Patriot" erbeten, entspreche nicht den Tatsachen, sagte Langguth. Bundesverteidigungsminister Peter Struck habe bereits am 24. November im ZDF klargestellt, dass es keine Anforderung der Amerikaner für Patriot-Raketen gebe.

Die Entscheidung über die Anfrage werde nach abgeschlossener Prüfung zunächst den amerikanischen Partnern mitgeteilt werden. Selbstverständlich beabsichtige die Bundesregierung nach Abschluss ihrer Prüfung auch das Parlament - respektive die entsprechenden Ausschüsse - sowie die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien über das Ergebnis zu unterrichten, sagte der Sprecher.

Keine militärische Beteiligung

Bundeskanzler Schröder hat am 22. November auf dem Nato-Gipfel in Prag bekräftigt, dass es eine militärische Beteiligung Deutschlands an Maßnahmen gegen den Irak nicht geben werde. Der Bundeskanzler stellte jedoch gleichzeitig klar, dass die Bewegungsfreiheit der Verbündeten und Freunde nicht eingeschränkt werde.

Spürpanzer Fuchs im Kampf gegen den Terrorismus

Hinsichtlich der in Kuwait stationierten Spürpanzer vom Typ "Fuchs" und ihrer Besatzungen gelte weiterhin, dass ein Einsatz nur innerhalb der Mission "Enduring Freedom" zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus vom Deutschen Bundestag autorisiert wurde, betonte Langguth weiter. Dies habe der Bundeskanzler in Prag erneut herausgestellt. An dieser Position habe sich seither nichts geändert.

Bundesverteidigungsminister Struck verdeutlichte am 25. November, dass jeder Auslandseinsatz eines deutschen Soldaten nur auf Grundlage eines Bundestagsbeschlusses geschehen könne. Der Bundestagsbeschluss für die in Kuwait stationierten Soldaten sei eindeutig: "Kampf gegen den Terrorismus und nichts darüber Hinausgehendes". Wenn man beabsichtigte, die deutschen Soldaten in irgendeiner anderen Weise in Kuwait oder anderswo einzusetzen, dann sei ein neues Mandat erforderlich, betonte der Minister. Dies sei jedoch nicht beabsichtigt.



Am 25. November wurde bekannt, dass Israel Deutschland um die Bereitstellung von Luftabwehrraketen vom Typ "Patriot" ersucht. Das Berliner Verteidigungsministerium hatte zuvor mehrfach Presseberichte zurückgewiesen, wonach auch die USA um die Bereitstellung der Luftabwehrraketen gebeten hätten. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte am 25. November erneut im ZDF: "Es gibt keine Anforderung der Amerikaner zu Patriot-Raketen."
Die Anfrage Israels werde derzeit überprüft, teilte das deutsche Bundesverteidigungsministerium mit. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte am 25. November im ZDF: "Es gibt keine Anforderung der Amerikaner für 'Patriot'-Raketen." "Es gilt mein Wort, und nicht das, was in der Zeitung steht." Am selben Tag hatte das "Handelsblatt" unter Berufung auf hohe deutsche Regierungskreise berichtet, die USA hätten angefragt, ob Deutschland Luftabwehrraketen "für den Einsatz in der Nahostregion" zur Verfügung stellen könne. Ein Regierungssprecher sagte, es werde weiterhin die bereits eingegangene Anfrage der USA geprüft, die jedoch "wenig spezifiziert" und zum Teil noch konkretisierungsbedürftig sei. Die US-Regierung hatte erklärt, den irakischen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen notfalls mit Gewalt durchsetzen zu wollen. Bereits am 24. November hatte Struck Medienberichte über eine "Patriot"-Anforderung der USA zurückgewiesen. Der Minister wiederholte nun, die USA hätten Deutschland wie anderen Verbündeten eine Anforderung für einen Krieg gegen den Irak übermittelt. Diese werde nun geprüft. Struck bekräftigte die Absicht der Rot-Grün-Regierung, sich nicht an militärischen Aktionen gegen den Irak beteiligen zu wollen. Die Weigerung der Bundesregierung hatte zu einer Verstimmung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses geführt.

Die deutsche Bundesregierung wird der Bitte Israels um Abwehrraketen vom Typ "Patriot" nachkommen. Das sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am 26. November der Wochenzeitung "Die Zeit".

Am 27. November erklärte Bundeskanzler Schröder in einer Pressekonferenz, eine Regierung werde dem Ersuchen Israel nachkommen, Spürpanzer "Fuchs" zu liefern.

Am 28. November stellte sich heraus, dass das Ersuchen Israels nach "Fuchs"-Panzern in Wahrheit nicht den Spürpanzern, sondern den Transportpanzern galt. Schröders Zusage vom Vortag hatte sich auf die Spürpanzer bezogen. Verteidigungsminister Peter Struck entschuldigte sich für diese Verwechslung. Offenbar gibt es im Regierungslager erhebliche Bedenken gegen die Lieferung von Transportpanzern in ein "Spannungsgebiet". Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Ludger Volmer, sagte, die Transportpanzer könnten "im Krieg gegen die Palästinenser eingesetzt werden". (Vgl. hierzu auch: "Mit der Friedensfahne in den Krieg?")


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