"Mit der Friedensfahne in den Krieg?"
Stellungnahmen zum Schlingerkurs der Bundesregierung, den "Patriot"-Raketen und zu den nächsten Aktivitäten der Friedensbewegung
Im Folgenden dokumentieren wir drei Stellungnahmen aus der Friedensbewegung, die alle am 27. November 2002 herausgegeben wurden. Die beiden ersten befassen sich tagesaktuell mit der Diskussion um das Ersuchen Israels nach Lieferung von "Patriot"-Abwehrraketen, die dritte mit bevorstehenden Aktionen der Friedensbewegung.
Pressemitteilung
Mit der Friedensfahne in den Krieg?
-
Bundesregierung zur Kriegsteilnahme bereit
- Israelisches Ersuchen um "Patriot"-Raketen nur ein Vorwand
- Bundesregierung soll riskantes Versteckspiel beenden
Zur militärischen Hilfszusage der Bundesregierung an die israelische
Regierung erklärte der Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag, Peter Strutynski:
Mit Sorge verfolgt die Friedensbewegung die Versuche der
Bundesregierung, sich mehr oder weniger elegant von ihrem
Wahlversprechen zu verabschieden, sich unter keinen Umständen an einem
US-Krieg gegen Irak zu beteiligen.
Erst drückte sich Bundeskanzler Schröder vor einem klaren "Nein"
gegenüber dem militärischen Hilfsersuchen der US-Regierung auf dem
NATO-Gipfel. Die Formel aus Berlin: "Wir werden das Ersuchen prüfen".
Dann erklärte am Wochenende der Parlamentarische Staatssekretär im
Verteidigungsministerium, Hans Georg Wagner, die Bundesregierung lehne
weiterhin eine "aktive" Teilnahme ab. Was aber eine offenbar zulässige
"passive" Beteiligung sein könne, ließ der Staatssekretär offen.
Schließlich wird eine Anfrage aus Israel, "Patriot"-Raketensysteme zu
liefern, vom Bundeskanzler ohne jede Prüfung positiv beantwortet. Dies
diene der Verteidigung vor irakischen Raketen, hieß es.
Damit hat sich die Bundesregierung nach Auffassung des
Bundesausschusses
Friedensratschlag für eine aktive Kriegsunterstützung entschieden. Zwar
wird weiterhin links geblinkt, also die Friedensfahne geschwenkt, aber
rechts gefahren, geradewegs in den Irak-Krieg.
Die "Patriot"-Anfrage aus Israel ist ein Trick, mit dem die
Bundesregierung die Öffentlichkeit auf den neuerlichen Schwenk in der
Kriegsfrage vorbereiten will. In Wahrheit braucht Israel die
"Patriot"-Systeme nicht. Vor wenigen Tagen hat der neu ernannte
israelische Generalstabschef Moshe Yaalon in einem Interview mit der
Tageszeitung Haaretz gesagt, vor Irak brauchte er keine Angst zu haben.
Wenn Irak angreifen würde, "haben wir gute Antworten parat", sagte
Yaalon wörtlich. Experten stimmen darin überein, dass das vorhandene
moderne israelische Raketenabwehrsystem dem "Patriot"-System
technologisch weit überlegen ist.
Wenn Verteidigungsminister Peter Struck den Vorgang herunterzuspielen
und die Wellen der Erregung in den eigenen Koalitionskreisen dadurch zu
glätten versucht, dass er die Anfrage nun auf das Jahr 2000
zurückdatiert, so tut er sich und seinem Kanzler auch keinen Gefallen.
Denn dann muss man doch fragen: Wenn die Anfrage vor zwei Jahren kam,
warum wird sie jetzt erst beantwortet? Offenbar passt sie jetzt zur
Absicht der Bundesregierung, sich ihrer Friedensrhetorik ohne
Gesichtsverlust zu entledigen.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag fordert die Bundesregierung auf,
das riskante Versteckspiel zu beenden und endlich klipp und klar zu
sagen, was sie vorhat. Immerhin geht es hier um nicht weniger als um
Krieg oder Frieden.
Ein klares Nein zum Irak-Krieg schließt ein, dass alle Fallen und
Stolpersteine, die dem Frieden im Weg stehen, sofort beseitigt werden
müssen:
-
Wer gegen eine Kriegsteilnahme ist, muss die Spürpanzer "Fuchs" aus
Kuwait und die Marineverbände aus der Golfregion abziehen.
- Wer gegen den Krieg ist, muss den Kriegführenden, in dem Fall den USA
und Großbritannien, im Ernstfall den Luftraum und die Nutzung der
Militärstützpunkte auf deutschem Boden untersagen.
- Wer gegen den Krieg ist, muss politische Schritte unternehmen, die
zur Enttspannung in der Nahostregion beitragen und nicht zusätzlich Öl ins
Feuer gießen.
- Wer für die Sicherheit Israels eintritt, muss die Kriegspläne der USA
durchkreuzen.
Am 7. und 8. Dezember wird anlässlich des zweitägigen
"Friedensratschlags" in Kassel ein Aktionskomitee der Friedensbewegung
zusammentreten, um bundesweite und internationale Aktionen und
Großdemonstrationen gegen den drohenden Irak-Krieg zu verabreden.
Kassel, den 27. November 2002
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)
***
Bremer Friedensforum
Hartmut Drewes
27.11.2002
Pressemitteilung
Friedensforum: Schröder unterstützt den Militarismus Scharons
Die Zusage von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Patriot-Raketen an
Israel zu liefern, macht - nach Meinung des Bremer Friedensforums - nicht nur deutlich, dass dieser sich immer mehr von seiner Aussage gegen einen
Irakkrieg entfernt, sondern er damit auch massiv die militaristische
Politik der Scharonregierung unterstützt. Vertreter der israelischen
Friedensinitiative Ta’ayush haben erst vor wenigen Tagen während einer
Veranstaltung in der Bremer Immanuelgemeinde die Politik dieser
Regierung als „rechtsradikal“ bezeichnet: Sie verfolge einen expansiven Kurs, der den Friedensbemühungen im Nahen Osten entgegensteht.
***
Friedensorganisationen fordern von Bundesregierung
die eindeutige Ablehnung eines neuen Golfkrieges
IPPNW-Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des
Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
Frankfurt/Berlin: "Wir sind fest entschlossen, unseren Beitrag dazu zu
leisten, dass ein neuer Golfkrieg verhindert wird." Am vergangenen
Wochenende trafen sich in Frankfurt Vertreter der großen
Friedensorganisationen in Deutschland. An die Bundesregierung
appellierte die Versammlung, bei ihrer eindeutigen Ablehnung zum
Irakkrieg zu bleiben. Nach der Wahl dürfe diese Position nicht
aufgeweicht werden. "Das schließt die Verweigerung von Überflugrechten
für die Amerikaner, ein Verbot der Nutzung von US-Basen auf deutschen
Boden und der Abzug der ABC-Einheiten aus Kuwait mit ein," waren sich
die Vertreter der Friedensorganisationen einig. Eine Reihe von
Aktivitäten für die nächsten Wochen und Monate verabredeten u.a. IPPNW,
Pax Christi, DFG-VK, Netzwerk Friedenskooperative, der Bundesausschuss
Friedensratschlag, Darmstädter Signal, ver.di-Jugend, sowie attac.
So ruft die Runde für den 15.2.2003 zu einer Großdemonstration gegen den
Irakkrieg in Berlin auf. Der Rahmen dazu ist ein "Europäische
Aktionstag", der beim Ersten Europäischen Sozial-forum (ESF) in Florenz
verabredet wurde.
Eine Woche zuvor wird in München am 8.2.2003 eine Großdemonstration aus
Anlass der
Sicherheitskonferenz stattfinden. Auch dazu rufen die
Friedensorganisationen auf.
Ins Auge gefasst wurde außerdem eine Klage gegen die Bundesregierung für
den Fall, dass sie einen Angriff auf Irak indirekt unterstützt. Selbst
diese Unterstützung verstoße gegen die geltende Verfassung, die einen
Angriffskrieg verbietet.
Es finden bereits vielfältige dezentrale Aktivitäten und Aktionen statt,
um die Bundesregierung auf ihr Versprechen vor der Wahl festzulegen. Die
Abgeordneten von SPD und Grüne sind die Adressaten dieser Aktivitäten.
Auch wenn die Friedensorganisationen die Hoffnung haben, dass der neue
Irakkrieg vermieden werden kann, so bereiten sie sich doch auf den Tag X
- dem Tag eines möglichen Angriffes - vor. In der Zeit von 17 bis 19 Uhr
werden dann im ganzen Land dezentrale Aktionen stattfinden.
Am Samstag nach dem Tag X werden um 12 Uhr mittags regionale
Versammlungen organisiert werden. Die Transparente mit der Aufschrift
"Irakkrieg: X-Tausend X Nein", die viele Gruppen für den
attac-Aktionstag, der im September in Köln stattfand, hergestellt haben,
werden wieder Verwendung finden.
Fred Klinger von Pax Christi regte zudem an, die örtlichen Kirchen
anzusprechen. Für den Fall eines Militärangriffes auf den Irak könnten
die Pfarrer zur Mahnung die Glocken läuten lassen.
"Die nächsten Wochen werden entscheidend sein," war sich die Versammlung
der Friedensorganisationen einig.
Nachfragen bitte an Jens-Peter Steffen, Tel.: 030 - 6930244
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