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Privatisierung des Irak-Krieges

Rumsfeld setzte umfassenden Einsatz von Vertragsunternehmen durch

Von Dago Langhans *

Die Personalstärke der von Privatunternehmen im Sold der USA eingesetzten Beschäftigten übertrifft nach Pentagon-Angaben mit über 180 000 Angestellten erstmals die Truppenstärke der Interventionsstreitkräfte in Irak.

Den knapp 176 000 Soldaten der Kriegsallianz steht in Irak ein gewaltiges Arbeitsheer aus unzähligen Unternehmen zur Seite. Der Präsident der US-Militärfirma Blackwater, Gary Jackson, witterte bereits im Oktober 2004 erfolgreiche Geschäftsgewinne: »Das ist eine Milliarden-Dollar- Industrie. Und Blackwater hat da nur an der Oberfläche gekratzt.« Die Verlagerung zahlreicher Aufgaben, die bislang von den Streitkräften selber übernommen worden sind, ist einem umfangreichen »Transformationsprozess« zu verdanken, der vom ehemaligen USVerteidigungsminister Rumsfeld eingeleitet wurde. Als erfolgreiche Durchsetzung der »durchschlagendsten Transformation der globalen amerikanischen Machtaufstellung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges« lobte US-Präsident Bush die Verdienste seines Militärministers bei dessen Abschied im November 2006.

Der ausgedehnte, umstrittene Einsatz privater Vertragsunternehmen bei annähernd allen Aspekten des Krieges, einschließlich direkter Kampfaufgaben, jedoch ist riskant. Laut »Washington Post« sind bisher in Afghanistan und in Irak über 1000 Zivilbeschäftigte zu Tode gekommen und weitere 13000 verwundet worden. Bereits in der Mobilisierungsphase zum Überfall auf Irak haben die Kriegsplaner in den USA Vertragsunternehmen zum integralen Bestandteil ihrer Operationen gemacht. Als die Öffentlichkeit im Vorfeld des Krieges noch mit »diplomatischen Initiativen« geblendet wurde, hatte man sich bei Halliburton, der früheren Firma von US-Vizepräsident Cheney, bereits auf massive Militäroperationen vorbereitet.

Rechtzeitig bei der Besatzung der irakischen Hauptstadt durch Ledernacken und schwere USPanzerverbände im März 2003 war die größte Privatarmee der neuzeitlichen Kriegsgeschichte an der Seite der Interventen. Peter Singer, Autor des empfehlenswerten Buchs »Die Kriegs-AGs«, berechnete damals die Personalstärke privater Militärdienstleister des Irak-Krieges auf 15 000 – ein Verhältnis von einem Unternehmenskrieger auf zehn Soldaten.

Die privaten Militärunternehmen selber schätzen die Zahl ihrer inzwischen in Irak eingesetzten »Sicherheitsbeschäftigten« auf 30 000. Zu deren Aufgaben zählen die berüchtigten »Befragungen« von Kriegsgefangenen und die militärische Sicherung der »Grünen Zone«, aber auch die Instandhaltung der hochkomplexen Militärmaschinerie. Blackwater organisiert seit Kriegsbeginn den Personenschutz für den US-Botschafter und schützt LKW-Transporte auf den unsicheren Straßen Iraks.

Die überwiegende Mehrheit der über 180 000 Dienstleistungsbeschäftigten allerdings wird im Logistik- und Versorgungsbereich eingesetzt. Ein zentraler Aspekt sind unter anderem sicherheitsrelevante Sanierungs- und Neubaumaßnahmen. Am Ufer des Tigris wird derzeit die weltgrößte US-Botschaft von fast 1000 Bauarbeitern einer kuwaitischen Firma hochgezogen. Von Bushs vielgepriesener »Koalition der Willigen«, der bunt gemischten Truppe an der Seite der US- Streitmacht zu Beginn der Irak-Besatzung, ist dagegen nicht viel übrig geblieben. Seit 2004 haben 17 Länder ihre Streitkräfte abgezogen und insgesamt 10 500 Soldaten nach Hause geholt. Auf ihrem Höhepunkt waren 48 Staaten an der Militärintervention beteiligt. Die einstige Allianz ist nunmehr auf 23 Staaten geschrumpft.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Juli 2007


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