Iraks Flüchtlinge wollen eine Zukunft
1,5 Millionen Menschen leben derzeit im Hauptaufnahmeland Syrien
Von Karin Leukefeld *
Die schlechte Versorgungslage und die anhaltende Korruption halten neben den Anschlägen viele Iraker noch immer davon ab, in ihre Heimat zurückzukehren.
Der irakische Minister für Vertriebene und Migration, Abdul-Samad Rahman Sultan, zeigte sich kürzlich geradezu euphorisch über die große Zahl von Rückkehrern. 65 000 vertriebene Familien seien seit Anfang 2008 in ihre Heimat zurückgekehrt, 2070 davon aus dem Ausland, so der Minister. Syrien und die anderen Aufnahmeländer der Flüchtlinge könnten diese zurückschicken, die Sicherheitslage in Irak verbessere sich täglich.
In Syrien allerdings, wo Schätzungen zufolge noch immer mehr als 1,5 Millionen irakische Flüchtlinge ausharren, demonstrierten daraufhin etwa 100 Menschen vor dem Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) gegen die Äußerungen des Ministers. »Wir wollen eine Zukunft, wir wollen ein Zuhause«, sagte einer der Demonstranten gegenüber dem UN-Informationsnetzwerk IRIN. Der Mann, der anonym bleiben wollte, war 2004 von Milizen unter Drohungen aus dem Land gezwungen worden, seitdem lebt er in Syrien.
Die Zahl der Iraker, die vom UNHCR dort täglich registriert werden, hat wieder zugenommen. Hauptgrund dürfte die gestiegene Zahl der tödlichen Anschläge sein, doch es gibt auch genügend andere Gründe. Anhaltende Wasserknappheit in ihrer Heimat führt zu Problemen in der Landwirtschaft, Bauern und Landarbeiter suchen Arbeit und drängen in die Städte, wo die Versorgungslage schlecht und Lebensmittel teuer sind.
Ein entscheidendes Problem im Zweistromland ist nach Ansicht vieler Iraker die Korruption. Kürzlich musste Handelsminister Abdul-Falah al-Sudani wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten. Ministerpräsident Nuri al-Maliki übernahm danach das Amt. Am Samstag nun wurde al-Sudani in letzter Minute auf dem Flughafen von Bagdad verhaftet. Er wollte sich ins Emirat Dubai absetzen. Seit 2006 hatte die Anti-Korruptionsbehörde gegen das Ministerium ermittelt und Ende April gegen die Beschuldigten einen Haftbefehl erwirkt. Pro Tonne Zucker sollen sie bis zu 40 US-Dollar Bestechungsgeld kassiert haben. Nahrungsmittel aus dem Welternährungsprogramm, die das Handelsministerium an registrierte Verteilerstellen liefern sollte, wurden auf den Märkten verkauft. Durch den illegalen Handel bereicherten sich wenige, während viele Bedürftige hungrig blieben. Als die Polizei die Beschuldigten festnehmen wollte, wurde sie von deren Sicherheitskräften mit Schüssen begrüßt. Nur ein Bruder von Minister Sudani konnte später festgesetzt werden.
Das Handelsministerium sei nur die Spitze des Eisbergs, sagt die irakische Abgeordnete Alia Nusaif, Mitglied im Anti-Korruptionskomitee. Ein interner Bericht, der der Presse zugespielt wurde, listet das Ministerium der Verteidigung, das Innen-, Finanz-, Bildungs- und Gesundheitsministerium als die korruptesten Regierungsstellen auf. Im Verteidigungsministerium mussten Rekruten, die der Armee beitreten wollten, 500 US-Dollar Gebühren zahlen, ein völlig illegaler Vorgang, so die Abgeordnete. Wegen ihrer öffentlichen Aussagen hatten sowohl das Handels- als auch das Verteidigungsministerium Klage gegen die Abgeordnete eingereicht. Ein Kollege, der den jüngsten Bericht mit erarbeitet hatte, wurde auf offener Straße erschossen.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Juni 2009
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