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Brown tritt aus dem Schatten Blairs

Absetzbewegung aus dem Zweistromland

Von Ian King, London *

Vorsichtig tritt Premier Gordon Brown aus dem Schatten von Bush und Blair. In Irak gelingen ihm kleine Schritte aus dem Sumpf; in Afghanistan und vor allem zu Hause schafft er den großen Sprung noch nicht.

Mag General David Petraeus im USA-Kongress von Erfolgen der Besatzer in Irak schwärmen: Der kühle Rechner in der Downing Street Nr. 10 und die britischen Offiziere wissen es besser. Nach dem Sieg 2003 hatten die US-Amerikaner keinen Plan, sie hinterlassen ein Chaos, so letzte Woche General Sir Mike Jackson, der es als britischer Oberbefehlshaber im Invasionskrieg wissen muss. Am Freitag zogen sich Londons letzte Einheiten folgerichtig aus dem umkämpften Stützpunkt in Basra zum dortigen Flughafen zurück. Weitere 500 können jetzt nach Hause, erklärte der Premier.

Auftrag also erfüllt? Nach Augenzeugenberichten im linksliberalen »Guardian« gleicht Basra dem Kampfplatz dreier religiös verbrämter, mit modernsten Waffen ausgestatteter Gangster-Banden, nur im Hass auf die Besatzer vereint. Zuverlässige irakische Truppenteile? Unparteiische Polizisten? Fehlanzeige. Noch werden 5000 Briten bleiben, ihre Wunden lecken, Bush und Blair verfluchen. Aber Brown kommt zumindest schrittweise aus dem Zweistromland frei. Dafür bleiben seine Soldaten in der südafghanischen Falle sitzen, wo das neue Mercian-Regiment im Kampf gegen die Taliban die ersten vier Toten meldete. Die Selbstbefreiung will der Premier hier so wenig riskieren wie das offene Wort an den Großen Bruder im Weißen Haus.

In der Europapolitik wagt Brown nicht einmal die kleinste Absetzbewegung vom Vorgänger. Nein, keine Volksabstimmung über den neuen EU-Vertrag, Blair habe diesem im Juni alle Zähne gezogen, so der Premier. Militärpolitische und neoliberale Zähne kann Brown nicht gemeint haben, die werden noch immer im Vertrag gefletscht, auch wenn er sich nicht mehr »Verfassung« nennt. Labour- Hinterbänkler – linke Vertragsgegner wie John McDonnell, Befürworter wie der frühere Europa- Minister Keith Vaz, sogar Gisela Stuart, die den Text mit ausgehandelt hat – meinen, das Volk solle das letzte Wort sprechen. So hatte es auch Blair angekündigt, dann aber machte er einen Salto rückwärts. Was jetzt? Brown hüllt sich in Schweigen. Nach der Parlamentspause muss er jedoch Farbe bekennen.

Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen Regierung und Gewerkschaften, deren Dachverband TUC zur Zeit im Seebad Brighton tagt. Brown kennt sich in der Labour-Geschichte aus, weiß über die Meriten der Partnerorganisation Bescheid, deren Mitglieder auf Parteitagen stimmberechtigt sind und den Hauptteil der Laboureinkünfte aufbringen. Dafür machen Gewerkschaftler lediglich ein Viertel der britischen Arbeitnehmer aus, in der Privatindustrie gar nur ein Sechstel. Zu Zeiten Thatchers meinte eine satte Mehrheit der Briten, die Gewerkschaften hätten zu viel Macht; jetzt heißt es, sie hätten zu wenig Einfluss in der Tagespolitik. Doch die konservativen Antigewerkschaftsgesetze bleiben in Kraft, von besserem Kündigungsschutz will der Premier nichts wissen.

Vor allem schlecht bezahlte Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sollen unter seiner Herrschaft nichts zu lachen haben: Lohnerhöhungen von drei Prozent, von unabhängigen Kommissionen empfohlen, sollen nach Browns Plänen erst in zwei Raten bezahlt werden, was einem Abschluss unter der derzeitigen Preissteigerungsrate gleichkäme. Gefängniswärtern, U-Bahn-Bediensteten, Rathausangestellten soll es unter Labour schlechter gehen. In den letzten zwei Wochen gab es die ersten Warnstreiks, nach Ansicht des Gewerkschaftschefs Dave Prentis droht ein heißer Herbst. Wenn Brown die nächste Wahl gewinnen will, täte er gut daran, die Waffen der Regierung nicht gegen Hunderttausende der eigenen Anhänger zu richten.

* Aus: Neues Deutschland, 12. September 2007


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