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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

16. bis 30. Juni 2004

16. bis 20. Juni
  • Der Sicherheitschef der irakischen Ölgesellschaft Nord, Ghasi Talabani, ist am 16. Juni vor seinem Haus in Kirkuk bei einem Attentat getötet worden. Talabani sei von Bewaffneten vor seinem Haus beim Gouverneurssitz angegriffen worden und sofort tot gewesen, teilte die irakische Polizei mit. Einer der Leibwächter Talabanis wurde demnach bei dem Attentat schwer verletzt. Der Getötete gehört der Familie von Kurdenführer Dschalal Talabani an. Die Ölgesellschaft Nord, für deren Sicherheit er zuständig war, kontrolliert die Ölförderung im Norden Iraks rund um die Ölstadt Kirkuk.
  • Bei einem Sprengstoffanschlag in der irakischen Stadt Ramadi sind am 16. Juni mindestens neun Menschen getötet worden, darunter vier Ausländer. Das teilte der Krankenhausarzt Mohammed Dschalal der Nachrichtenagentur AFP telefonisch mit. Zehn Iraker seien verletzt worden. Zur Nationaliät der getöteten Ausländer konnte der Arzt nichts sagen. Unter Berufung auf Sanitäter berichtete er, dass die vier in einem Geländewagen einer US-Marke unterwegs gewesen seien. Solche Autos werden normalerweise vom Personal der US-geführten Koalition benutzt oder von Ausländern, die für sie arbeiten.
  • Die Untersuchungskommission zum 11. September hat keine Beweise für eine Beteiligung Iraks an den Terroranschlägen in den USA. Es gebe keine "glaubwürdigen Beweise", dass die irakische Regierung unter Saddam Hussein mit dem Terrornetzwerk El Kaida bei den Anschlägen zusammengearbeitet habe, heißt es in einem am 16. Juni veröffentlichten Bericht der Kommission. Es habe jedoch Kontakte zwischen Bagdad und der Gruppe von Osama bin Laden gegeben. Der zehnköpfige Untersuchungsausschuss hat unter anderem den Auftrag, die Vorgeschichte des 11. September 2001 aufzuarbeiten.
  • Im Schatten neuer Anschläge hat der Ministerpräsident der irakischen Übergangsregierung, Iyad Allawi, US-Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz empfangen. Die Gespräche hätten sich um Sicherheitsfragen und die politische Zukunft des Landes gedreht. Das Treffen markiere "den Beginn einer neuen Beziehung zwischen der Regierung des Irak und den Mitgliedern der (US-geführten) Koalition", hieß es in einer Erklärung der Übergangsregierung am 16. Juni in Bagdad. (Siehe auch Wolfowitzs jüngsten Artikel: "Die Kräfte des Bösen durch die Saat der Freiheit besiegen", worin er die US-Strategie für den Irak erläutert.)
  • Bei einem Angriff auf eine US-Einheit nördlich von Bagdad sind am 16. Juni drei US-Soldaten getötet worden. 21 weitere Menschen seien verletzt worden, als Unbekannte in Balad 75 Kilometer nördlich der Hauptstadt Raketen abfeuerten, teilte die US-Armee in einer Erklärung mit. Unklar blieb, ob es sich bei den Verletzten ebenfalls um US-Soldaten handelte. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Washington kamen seit dem Einmarsch in Irak im März 2003 bereits mehr als 600 US-Soldaten ums Leben.
  • Aufständische haben am 16. Juni einen Anschlag auf eine Pipeline in Südirak verübt und damit den Ölexport aus Basra zum Erliegen gebracht. Im Norden, der anderen Exportschlagader für irakisches Öl, ist die Ausfuhr nach Angaben türkischer Kreise bereits seit einem Anschlag am 25. Mai unterbrochen. Der internationale Ölmarkt reagierte gelassen: Aus Kreisen der Golfstaaten verlautete in London, die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) wolle den Ausfall von etwa 1,5 Millionen Barrel Rohöl täglich kompensieren.
  • Irakische Rebellen haben bei Bagdad einen Helikopter der US-Armee abgeschossen. Das berichtet der Sender El Arabija am 16. Juni. Angaben über Opfer wurden nicht gemacht.
  • Bei den verschiedenen Attacken am 16. Juni wurden laut dpa mindestens 25 Iraker und zwei US-Soldaten getötet.
  • Eine Gruppe von 26 früheren ranghohen US-Diplomaten und -Militärs hat die Außen- und Sicherheitspolitik von Präsident George W. Bush als "katastrophal" kritisiert und einen radikalen Wandel gefordert. In einem Protestschreiben der Gruppe heißt es, nie zuvor in ihrer Geschichte seien die USA "derart isoliert unter den Nationen" gewesen und hätten sie so viel "Furcht und Misstrauen" in der Welt ausgelöst. (AFP, 17.06.2004) (Hier geht es zur Stellungnahme der 26 im Wortlaut.)
  • Anhänger des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr haben in der Nacht zum 17. Juni nach irakischen Polizeiangaben britische Soldaten im Süden Iraks angegriffen. In das Gebäude der US-geführten Zivilverwaltung in Amara seien fünf Mörsergranaten eingeschlagen, britische Truppen hätten das Feuer erwidert, sagte der irakische Polizeioberst Ali Hussein. Auch ein britischer Stützpunkt an der Hauptstraße, die Amara mit der Hafenstadt Basra verbindet, sei angegriffen worden. Ärzten zufolge wurden keine Verletzten ins Krankenhaus von Amara gebracht. Ein Sprecher des britischen Hauptquartiers in Basra erklärte, er wisse nichts von den Attacken. Ein britisches Militärfahrzeug sei jedoch beschossen worden, dabei habe es keine Opfer gegeben.
  • Bei einem der blutigsten Anschläge in Irak seit Monaten sind am 17. Juni in Bagdad mindestens 33 Menschen getötet worden. Mindestens 127 Menschen wurden verletzt, als ein mit Sprengstoff präpariertes Auto am Eingang eines Rekrutierungszentrums der irakischen Armee detonierte, wie Krankenhäuser mitteilten. Zum Zeitpunkt der Explosion warteten etwa hundert Bewerber vor der Einrichtung, die in der Nähe des US-Hauptquartiers und des Flughafens liegt. Laut einem Polizist, der Augenzeuge des Anschlags war, war das Auto voll beladen mit Artilleriegeschossen. Es detonierte gegen 09.00 Uhr Ortszeit am Eingang des Rekrutierungszentrums. Das Gebäude war bereits am 11. Februar Ziel eines Anschlags gewesen. Damals kamen 47 Iraker ums Leben.
    Wenig später wurde die Zahl der Getöteten auf 35 und die der Verletzten auf 138 korrigiert (AFP).
  • Bei einem weiteren Autobombenanschlag nördlich von Bagdad sind am 17. Juni sechs Iraker getötet worden. Bei den Toten handele es sich um Mitglieder der irakischen Zivilverteidigung (ICDC), sagte ein Sprecher der US-Armee. Vier weitere ICDC-Mitarbeiter seien verletzt worden. Die Bombe explodierte den Angaben zufolge vor dem Gebäude des Stadtrates in Jethrib.
  • Die dritte Autobombe explodierte am am 17. Juni am Eingang des Elektrizitätswerks der südlich von Bagdad gelegenen Stadt El Musajib. Sie kostete zwei Iraker das Leben. Es war bereits der vierte Anschlag auf das E-Werk innerhalb von drei Wochen. Das Werk versorgt die Provinzen Hilla, Nadschaf und Kerbela mit Strom.
  • Erstmals ist am 17. Juni ein ungarischer Soldat in Irak getötet worden. Der Mann sei in El Suwajrah südöstlich von Bagdad gestorben, als Unbekannte einen ungarischen Konvoi angriffen, teilte Verteidigungsminister Ferenc Juhasz in Budapest mit. Ein Sprengsatz sei neben dem Konvoi detoniert. Dabei sei ein 27-jähriger Soldat "den Heldentod gestorben". Der Konvoi mit 47 ungarischen Soldaten war auf dem Weg vom ungarischen Stützpunkt in Hilla zu einem ukrainischen Stützpunkt.
  • Großbritannien schickt nach Regierungsangaben 270 zusätzliche Soldaten nach Irak. Wie Verteidigungsminister Geoff Hoon am 17. Juni in London mitteilte, werden die Truppen im Rahmen der Rotation von in Irak eingesetzten Soldaten verstärkt. So sollen ab nächster Woche zur Ablösung eines kleineren Batallions mehr als 600 Marinesoldaten in den Golf fliegen. Insgesamt sollen danach mehr als 9.200 britische Soldaten in Irak stationiert sein.
  • Trotz der Zweifel des Untersuchungsausschusses zum 11. September 2001 bleibt US-Präsident George W. Bush bei seinem Vorwurf, dass der frühere irakische Machthaber Saddam Hussein eine bedeutsame Verbindung zur Terrororganisation El Kaida unterhalten habe. Saddam Hussein sei eine Bedrohung gewesen, weil er "terroristische Verbindungen" gehabt habe, und zwar nicht nur zu El Kaida, sondern auch zu anderen Organisationen, sagte Bush am 17. Juni zu Beginn einer Kabinettssitzung in Washington.
  • Die USA haben seit Oktober im Irak einen mutmaßlichen Terroristen unter strikter Geheimhaltung festgehalten. Er habe weder eine Identifikationsnummer erhalten noch sei das Internationale Komitee vom Roten Kreuz informiert worden, berichten US-Medien am 17. Juni unter Berufung auf das Pentagon. Beides steht im Widerspruch zu den Genfer Konventionen über die Behandlung von Kriegsgefangenen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat eine Rückkehr der Vereinten Nationen nach Irak unter den derzeitigen Bedingungen ausgeschlossen. Die Lage sei noch zu gefährlich und sehr Besorgnis erregend, sagte Annan am 17. Juni in New York. Er sei froh, dass der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution zu Irak eine Rückkehr der UNO von der Situation vor Ort abhängig gemacht habe. Laut der Entschließung liegt die Entscheidung über einen neuen Einsatz von UN-Mitarbeitern in Irak bei Annan.
  • Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights First vom 17. Juni unterhalten die USA weltweit geheime Gefängnisse für Terrorverdächtige. Wie die Organisation in Washington mitteilte, gibt es insgesamt mehr als ein Dutzend spezieller Einrichtungen. Mindestens die Hälfte von ihnen würden in voller Geheimhaltung operieren. Gefängnis gäbe es u.a. in Irak, Afghanistan, Pakistan, Jordanien sowie auf US-Kriegsschiffen. "Human Rights First" ist der neue Name der Anwälteorganisation Lawyers Committee for Human Rights, die sich seit einem Vierteljahrhundert mit Menschenrechtsfragen befasst.
  • Der irakische Interims-Innenminister Falah Hassan al Nakib hat nach dem verheerenden Anschlag auf das Rekrutierungsbüro die Verhängung des Kriegsrechts nicht ausgeschlossen. "Wenn es sein muss, werden wir es ohne zu zögern machen", sagte er am 18. Juni. Die Entscheidung darüber habe der Interims-Ministerpräsident. Zugleich kündigte Interims-Verteidigungsminister Hasem al Shalan ein hartes Vorgehen gegen Aufständische und Terroristen an. "Wir werden die Hände dieser Leute abschlagen, wir werden ihnen, wenn es sein muss, die Kehlen durchschneiden", wird er von den Nachrichtenagenturen zitiert.
  • In der Nähe der zentralirakischen Stadt Bakuba und der Ortschaft Buhriz sind am 18. Juni neue Gefechte zwischen Milizen und US-Truppen aufgeflammt. Nach Angaben des Senders El Dschasira wurden dabei mindestens sieben Menschen getötet. Aus Buhriz sollen 4.000 Menschen geflohen sein. Der Bezirksgouverneur sagte dem Sender, er habe das US-Militär aufgefordert, nicht mehr in der Ortschaft zu patrouillieren. Die US-Kommandeure hätten dies aber mit der Begründung abgelehnt, sie hätten "eine Mission zu erfüllen".
  • Der US-Senat stimmte am 18. Juni mit großer Mehrheit und über Parteigrenzen hinweg für die Aufstockung des Heeres um 20.000 Soldaten. Das Repräsentantenhaus hatte denselben Beschluss schon vorher gefasst. Aus Kreisen der Republikaner hieß es, der Mangel an Soldaten sei ein Grund dafür, dass die USA die Gewalt im Irak nach offiziellem Ende des Krieges nicht stoppen konnte. Die Kosten für die Erhöhung der Heeresstärke auf 502.400 Mann werden auf 1,7 Milliarden US-Dollar (1,41 Mrd. Euro) geschätzt.
  • Im Süden des Landes wurden am 19. Juni bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe ein irakischer Polizist und ein portugiesischer Sicherheitsexperte getötet (eine andere Agentur sprach von zwei toten Irakern). Die beiden Männer befanden sich auf dem Weg von Basra ins nahe gelegene Subajr. Der Portugiese arbeitete für die staatliche Gesellschaft Oil Products, der Iraker war sein Leibwächter. Die Explosion zerstörte das Fahrzeug der beiden Männer und verletzte eine Zivilperson in einem weiteren Wagen.
  • In der irakischen Hauptstadt wurden am 19. Juni bei einem Mörserangriff ein Polizist und zwei Zivilisten verletzt.
  • Bei einem Luftangriff der US-Armee in der irakischen Stadt Falludscha mit 18 Toten sind möglicherweise auch Anhänger des mutmaßlichen Terroristen Abu Mussab el Zarqawi ums Leben gekommen. Die Angriffe am Morgen des 19. Juni hätten einem bekannten Versteck von Zarqawis Netzwerk gegolten, sagte US-Brigadegeneral Mark Kimmitt in Bagdad. Er gehe davon aus, dass bei der Attacke mit Präzisionswaffen 19 Menschen "in dem Haus oder in der Umgebung" getötet worden seien. Ein Arzt im Krankenhaus von Falludscha hatte zuvor von 18 Toten und acht Verletzten gesprochen. Laut Kimmitt war der Angriff auf auf das Haus im Südwesten Falludschas der erste mit Präzisionsbomben auf die Sunnitenhochburg seit dem 3. Mai. Er gab keine Einschätzung dazu ab, ob der gesuchte Zarqawi zum Zeitpunkt des Angriffs möglicherweise in dem Versteck war. Ein ranghoher US-Armeevertreter erklärte dagegen, dass die US-geführte Koalition Zarqawi in Falludscha vermute. Anwohner von Falludscha erklärten, sie hätten 24 Menschen beerdigt. Nach ihren Angaben feuerte ein US-Kampfflugzeug über dem Viertel Dschbail eine Rakete ab. Das Geschoss habe zwei Häuser in dem südlichen Vorort von Falludscha komplett sowie zwei weitere teilweise zerstört, sagte ein Anwohner.
  • Ungeachtet eines Haftbefehls soll der Schiitenprediger Moktada Sadr an einer nationalen Versammlung zur Ernennung des irakischen Übergangsrats teilnehmen. Sadr sei eingeladen worden, sagte der Vorsitzende des Vorbereitungskomitees der Wahlversammlung, Fuad Maasum, am 20. Juni. Der Prediger habe mit der Umwandlung seiner Milizen in eine politische Organisation begonnen, was als "positiver Schritt" gewertet werde. Die etwa tausend Delegierten bestimmen die einhundert Mitglieder des Übergangsrats.
  • Bei der Explosion einer Bombe sind am 20. Juni in Bagdad zwei Mitglieder der irakischen Nationalgarde getötet worden. 14 weitere Menschen seien verletzt worden, sagte ein Sprecher der US-Armee. Der Sprengsatz sei explodiert, als die Soldaten am Vormittag zu Fuß in der Nähe des Flughafens patrouillierten. Am Sonntag hatte Übergangsregierungschef Ijad Allawi das bisherige Zivilverteidigungskorps (ICDC) in Nationalgarde umbenannt.
  • Eine Gruppe Bewaffneter in Irak hat in einem Video gedroht, eine südkoreanische Geisel zu töten. Der Mann werde umgebracht, sollte die Regierung in Seoul nicht binnen 24 Stunden auf die Entsendung weiterer Soldaten nach Irak verzichten, heißt es in der Aufnahme, die der arabische Fernsehsender El Dschasira am 20. Juni ausstrahlte. Darin bezeichneten sich die maskierten Entführer als Mitglieder der Terrorgruppe Tawhid wal Dschihad des Jordaniers Abu Mussab el Zarqawi.
  • In Bagdad gab es am Abend des 20. Juni in der Nähe das Palestine Hotels eine Schießerei. In dem Hotel sind mehrere Medienorganisationen einquartiert. Sicherheitsleute des Hotels erwiderten das Feuer und US-Soldaten gingen in der Umgebung in Stellung.
21. bis 27. Juni
  • Vor einem US-Militärgericht in Bagdad haben am 21. Juni die Anhörungen von drei wegen der mutmaßlichen Misshandlung von irakischen Gefangenen angeklagten US-Soldaten begonnen. Das teilte eine US-Militärsprecherin mit. Die Anhörungen der Unteroffiziere Javal Davis und Ivan Frederick sowie des Gefreiten Charles Graner sind bis zum 23. Juni geplant.
  • Der Irak hat am 21. Juni wieder Rohöl durch eine in der vergangenen Woche beschädigte Pipeline geleitet. Eine Pipeline bei Basra für den Export sei repariert, sagte ein Vertreter der US-geführten Koalitionsstreitkräfte. Nach den Anschlägen in der Vorwoche war der Ölexport des Landes fast vollständig zum Erliegen gekommen. Daraufhin war der Ölpreis kontinuierlich gestiegen.
  • Nahe der westirakischen Stadt Ramadi haben Augenzeugen am 21. Juni die Leichen von vier US-Soldaten entdeckt. Ein Augenzeuge sagte, die Soldaten seien offensichtlich erschossen worden. Ihre Leichen hätten in der Nähe eines völlig zerstörten Militär- Transportfahrzeuges gelegen. In der Region habe es in der Nacht Gefechte zwischen Aufständischen und der Besatzungsarmee gegeben. Die US-Armee nahm zu den Berichten zunächst nicht Stellung.
  • Eine Gruppe irakischer Aufständischer hat am 21. Juni in Bagdad eine Polizeistation gesprengt. Die rund 50 maskierten Rebellen seien mit Autos vor der Wache in Dschor Askar im Süden der Hauptstadt vorgefahren, hätten Sprengsätze geworfen und das Gebäude in die Luft gejagt, sagte US-General Mark Kimmit am Montag. Soldaten der US-geführten Koalitionstruppen und irakische Sicherheitskräfte hätten das Feuer auf die Angreifer eröffnet und einen ihrer Wagen zerstört.
  • Mehr als 1000 Menschen haben am 21. Juni im westirakischen Falludscha gegen den US-Luftangriff vom Samstag protestiert. Der Angriff, bei dem nach Angaben irakischer Ärzte 21 Menschen starben, galt laut US-Militär einem Versteck des Terroristen el Sarkawi. "Alle Berichte über die angebliche Anwesenheit Sarkawis und seiner Gruppe in Falludscha sind falsch und verlogen und dienen nur als Vorwand, genau wie der Vorwand der Massenvernichtungswaffen benutzt wurde, um den Irak zu zerstören", sagte der erst kürzlich aus US-Haft entlassene Mufti von Falludscha, Scheich Dschamal Nazzal. Seine Rede wurde mehrfach von "Gott ist groß"-Rufen unterbrochen.
    Zur Ermordung von sechs Schiiten aus Bagdad in Falludscha vor zehn Tagen sagte der Scheich, dafür seien "zerstörerische Elemente von außen verantwortlich". Diejenigen, die diese Männer getötet und verstümmelt hätten, stammten nicht aus Falludscha. Der Tod der sechs Lastwagenfahrer hatte zu Protesten von Schiiten in Bagdad geführt, bei denen auch Rufe nach Rache zu hören waren.
  • Nach der Beschlagnahmung von drei britischen Patrouillenbooten und der Festnahme von acht Besatzungsmitgliedern durch Iran hat Großbritannien Irak um Vermittlung gebeten. Die irakischen Behörden sollten nach dem Willen der britischen Marine eingreifen, verlautete aus dem Büro des Chefs der irakischen Küstenwache, General Ali Hammadi, am 21. Juni. Mit den Iranern sei bereits Kontakt aufgenommen worden, um eine möglichst schnelle Freilassung der britischen Soldaten zu erreichen.
  • Iran will die acht am Vortag festgenommenen britischen Soldaten einem Fernsehbericht zufolge vor Gericht bringen. Die an einem geheimen Ort Festgehaltenen müssten sich wegen des illegalen Eindringens in iranische Hoheitsgewässer verantworten, berichtete der arabischsprachige Nachrichtensender El Alam am 22. Juni.
  • Mehr als die Hälfte der US-Bürger sieht im Irak-Krieg keinen Sinn. In einer Umfrage des US-Fernsehsenders ABC und der "Washington Post" gaben 52 Prozent der Befragten an, dass die Argumente für den Einsatz in dem Golfstaat den Krieg nicht wert gewesen seien. Sieben von zehn der mehr als 1200 Befragten hielten demnach die Zahl der US-Opfer in Irak für "inakzeptabel". Nur noch eine knappe Mehrheit der Befragten, insgesamt 51 Prozent, äußerte sich demnach zuversichtlich, dass der US-Einmarsch in Irak die Sicherheitslage für ihr eigenes Land langfristig verbessern werde. (AFP, 22.06.2004)
  • Bei der Explosion einer Autobombe in einem Wohnviertel in Bagdad sind am 22. Juni drei Menschen getötet und sechs verletzt worden. Unter den Todesopfern ist nach Angaben der US-Streitkräfte auch ein dreijähriges Mädchen. US-Truppen und irakische Polizisten riegelten den Tatort im Stadtteil Amirija ab. Die Wucht der Explosion beschädigte mehrere Autos und Geschäfte.
  • Die US-Truppen ließen am 22. Juni erneut zahlreiche Häftlinge aus dem Skandalgefängnis Abu Ghraib frei. Begleitet von amerikanischen Militärfahrzeugen verließen mindestens drei Busse mit Gefangenen das Gelände.
  • Die Entführer eines Südkoreaners in Irak haben ihre Drohung wahr gemacht und ihre Geisel enthauptet. Dies berichtete der katarische Fernsehsender El Dschasira am 22. Juni.
  • Der Einsatz von US-Truppen in Irak kann nach den Worten von US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz noch mehrere Jahren dauern. Die Truppen würden dann abziehen, wenn Irak eigenständig für seine Sicherheit garantieren könne, sagte Wolfowitz am 22. Juni bei einer Anhörung im Streitkräfte-Ausschuss des Repräsentantenhauses. Der Vizeminister zog einen Vergleich zum mittlerweile achtjährigen Einsatz von US-Truppen in Bosnien; die dortige Stationierung war zunächst nur für ein Jahr geplant. (Siehe auch: "Der Friedensplan für einen souveränen Irak." Von Paul Wolfowitz.)
  • Die italienische Regierung hat die Stationierung ihrer Truppen in Irak bis zum Jahresende verlängert. Das Kabinett fasste am 22. Juni erwartungsgemäß einen entsprechenden Beschluss. Im Süden Iraks sind seit mehr als einem Jahr rund 3.000 italienische Soldaten stationiert. Auch die Missionen in Afghanistan, Bosnien, im Kosovo, in Albanien, in Hebron im Westjordanland sowie in Eritrea, Somalia und Sudan wurden verlängert, wie es in einer Erklärung hieß.
  • Irakische Rebellen haben am 22. Juni einen amerikanischen Militärkonvoi nördlich von Bagdad angegriffen und zwei US-Soldaten erschossen. Ein dritter wurde nach Militärangaben verletzt. Die Soldaten des Konvois gehörten zu einer in Deutschland stationierten Infanteriedivision.
  • Bei einem mutmaßlichen US-Luftangriff auf Falludscha sind am 22. Juni in der irakischen Widerstandshochburg mindestens drei Menschen getötet worden. Das teilte das örtliche Krankenhaus mit. Zeugen berichteten von einer Explosion nach einem Raketenangriff durch US-Kampfflugzeuge. Von Seiten der US-Armee gab es zunächst keine Stellungnahme zu dem Vorfall.
  • Kurz nach der Wiederaufnahme der Ölexporte aus dem Süden Iraks hat auch die Ausfuhr vom Norden in die Türkei wieder begonnen. Seit dem Nachmittag des 22. Juni werde wieder Öl aus den nordirakischen Ölfeldern in die türkische Stadt Ceyhan transportiert, sagte ein Verantwortlicher der Irakischen Ölgesellschaft Nord am 23. Juni der Nachrichtenagentur AFP.
  • Iran hat Großbritannien die Freilassung der acht britischen Soldaten zugesagt. Teheran wolle die Männer noch am 23. Juni freilassen, sagte ein Sprecher des britischen Premierministers Tony Blair in London. Die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna hatte zuvor Irans Außenminister Kamal Charrasi zitiert, der die Freilassung der Soldaten für den 23. Juni angekündigt hatte.
    Die Freilassung der in Iran festgenommenen acht britischen Soldaten ist später auf den 24. Juni verschoben worden. Es seien weitere Verhandlungen über die Modalitäten ihrer Übergabe notwendig, sagte der Sprecher der britischen Botschaft, Andrew Dunn.
    Iran hat die acht Anfang der Woche festgenommenen britischen Soldaten Großbritannien am 24. Juni übergeben. Britische Diplomaten kümmerten sich derzeit um die Männer, teilte das Außenministerium in London mit. Die Marinesoldaten waren am Montag mit ihren Patrouillenbooten auf dem irakisch-iranischen Grenzfluss Schatt el Arab festgenommen worden, nachdem sie offenbar versehentlich in iranisches Hoheitsgebiet eingedrungen waren.
  • Bei einem US-geführten Angriff auf ein mutmaßliches Versteck des gesuchten mutmaßlichen Terroristen Abu Mussab al-Zarqawi in Falludscha sollen 20 irakische Aufständische getötet worden sein. Vermutlich 20 Rebellen seien bei dem Angriff am Abend des 22. Juni ums Leben gekommen, teilte ein ranghoher Vertreter der US-geführten Koalition am 23. Juni in Bagdad mit. Zarqawi wird unter anderem für die jüngste Enthauptung eines Südkoreaners verantwortlich gemacht.
  • Bewaffnete haben in der südirakischen Stadt Basra zwei irakische Christinnen erschossen, die für das US-Bauunternehmen Bechtel arbeiteten. Unbekannte Angreifer hätten die beiden Schwestern Janet und Schasa Sadaa Udischu am 22. Juni vor ihrem Haus im Zentrum von Basra getötet, sagte ein Nachbar am 23. Juni der Nachrichtenagentur AFP. Die Angreifer hätten die beiden 38 und 26 Jahre alten Frauen überfallen, als sie in einem Taxi nach Hause gebracht wurden.
  • Der irakische Ministerpräsident Ijad Allawi hat bei der NATO offiziell nach Hilfe in Form von Ausbildung und technischer Unterstützung angefragt. Allawi habe der nordatlantischen Allianz einen entsprechenden Brief zukommen lassen, teilte ein NATO-Vertreter am 23. Juni in Brüssel mit. Die USA setzen sich für eine verstärkte Rolle der NATO in Irak ein; dies wird auch eines der Hauptthemen beim Gipfel der Allianz in der kommenden Woche in Istanbul sein.
  • Der US-Diplomat John Negroponte ist am 23. Juni in Washington als neuer Botschafter seines Landes im Irak vereidigt worden. Der ehemalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen soll noch vor der Übergabe der Souveränität an die irakische Regierung am 30. Juni nach Bagdad reisen. Der 64-Jährige wird in Bagdad Chef der größten US-Botschaft in der Welt. Etwa 3000 Mitarbeiter sollen einmal dort beschäftigt sein.
  • Nach der Ermordung eines Südkoreaners durch Anhänger von Abu Mussab al-Zarqawi hat der weltweit gesuchte Islamistenführer dem Chef der irakischen Übergangsregierung, Ijad Allawi, mit dem Tod gedroht. Allawi werde dasselbe Schicksal widerfahren wie Essedin Salim, dem ermordeten Chef des irakischen Regierungsrats, hieß es in einer Zarqawi zugeschriebenen Tonaufnahme, die am 23. Juni im Internet veröffentlicht wurde.
  • Bei heftigen Kämpfen zwischen der US-Armee und irakischen Sicherheitskräften auf der einen und Aufständischen auf der anderen Seite sind in Baakuba im Nordosten Iraks am Morgen des 24. Juni mindestens 15 Menschen getötet worden. Unter den Toten waren nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern elf irakische Polizisten; laut der US-Armee wurde auch ein US-Soldat getötet. Zu den Angriffen bekannten sich Gefolgsleute des weltweit gesuchten Islamisten Abu Mussab al-Zarqawi.
  • Bei einer Serie von Autobombenanschlägen auf drei Polizeistationen in der nordirakischen Stadt Mossul sind am 23. Juni zahlreiche Menschen getötet und verletzt worden. Mindestens sieben Menschen kamen nach Angaben der Polizei ums Leben, als eine Autobombe vor einem Polizeiquartier im Viertel El Wakkas explodierte. 20 Menschen seien dort verletzt worden, sagte ein Polizeioffizier. Unter den Opfern seien viele Sicherheitskräfte.
  • Bei heftigen Kämpfen zwischen der US-Armee und irakischen Sicherheitskräften auf der einen und Aufständischen auf der anderen Seite sind in Baakuba im Nordosten Iraks am Morgen des 24. Juni mindestens 16 Menschen getötet worden. Unter den Toten waren nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern elf irakische Polizisten und vier Zivilisten. Laut der US-Armee wurden auch ein US-Soldat getötet und drei weitere verletzt. 22 Zivilisten erlitten ebenfalls Verletzungen, wie ein Krankenhausmitarbeiter mitteilte. Augenzeugen zufolge begannen die Kämpfe nach dem Morgengebet, als bewaffnete Kämpfer eine Polizeistation angriffen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 24. Juni vier Nationalgardisten und der Attentäter getötet worden. Drei weitere Angehörige des früheren Zivilverteidigungskorps seien verletzt worden, sagte ein Offizier der paramilitärischen Truppe der Nachrichtenagentur AFP.
  • Deutschland will sich an der Ausbildung der irakischen Armee beteiligen. Die Hilfe bei der Ausbildung der irakischen Streitkräfte sei eine "interessante Idee, die wir uns vorstellen können", hieß es am 24. Juni in Berliner Regierungskreisen. Die Ausbildung von Sicherheitskräften sei eine "prioritäre Aufgabe" und "zentraler Punkt der Stabilisierung in Irak".
  • Nach schweren Kämpfen zwischen der US-Armee und Aufständischen haben die religiösen Würdenträger der sunnitischen Widerstandshochburg Falludscha am 24. Juni eine Waffenruhe verkündet. Die Rebellen sollten ihre Waffen ruhen lassen, wurde über Lautsprecher von den Moscheen verkündet. Im Gegenzug würden sich die US-Marines entsprechend einem Abkommen mit ihren Kommandeuren aus der Stadt zurückziehen. Viele Bewohner nahmen auf den Straßen die Nachricht mit Jubel auf.
  • Bei der Serie von Anschlägen und Kämpfen in Irak sind am 24. Juni mindestens 66 Menschen getötet worden. 268 weitere seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Bagdad mit. Es handele sich jedoch nur um vorläufige Angaben (AFP). dpa meldete zunächst über 90 Tote, später sogar 100 Tote.
  • Die US-Luftwaffe hat bei mehreren Angriffen in Irak am 24. Juni insgesamt 14 Bomben abgeworfen. Kampfflugzeuge der Typen F-16 und AV-8B hätten ihre Ladungen bei der Unterstützung kämpfender Bodentruppen in Falludscha und Baakuba gegen Stellungen von Aufständischen abgeworfen, sagte ein US-Militärvertreter in Washington. Zehn der Bomben seien in Falludscha niedergegangen, die restlichen vier in Baakuba. Zwölf der Sprengkörper seien 500 Pfund schwere lasergeleitete Bomben gewesen, bei zwei weiteren habe es sich um 2000-Pfund-Bomben vom Typ JDAM gehandelt. Zivile Ziele seien dabei nur "sehr, sehr wenig" beschädigt worden.
  • Die NATO wird aller Voraussicht nach auf das Hilfsgesuch der irakischen Übergangsregierung eingehen, das Land beim Wiederaufbau zu unterstützen. Diese Frage sei unter den 26 Mitgliedstaaten unstreitig, hieß es am 24. Juni in diplomatischen Kreisen bei der Allianz in Brüssel. Ein formeller Beschluss dazu werde voraussichtlich auf dem NATO-Gipfel am 28. und 29. Juni in Istanbul fallen. Klar sei aber auch, dass die Allianz keine Truppen in das Land schicken werde.
  • In Irak stationierte US-Soldaten sollen bei Vergehen auch in Zukunft nicht in dem Land belangt werden. Die US-Regierung teilte am 24. Juni in Washington mit, dass von der Übergangsregierung die Immunität zugesichert werde. "Der Präsident will sicher gehen, dass unsere Soldaten geschützt sind", sagte Regierungssprecher Scott McClellan. Soldaten würden vor US-Gerichten angeklagt. In Irak könne ein fairer Prozess nicht garantiert werden. Den Angaben nach geht es bei den Verhandlungen nur noch um Details. Zuvor hatten die USA einen Resolutionsentwurf imm UN-Sicherheitsrat zurückgezogen, die Immunität für US-Soldaten im Auslandseinsatz um ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Resolution hatte keine Chance eine Mehrheit zu erhalten. (Siehe hierzu: "Schluss mit lustig! Keine Immunität mehr für amerikanische Soldaten".)
  • Die internationale Sicherheitslage hat sich nach Ansicht von US-Präsident George W. Bush trotz anhaltender Gewalt im Nahen Osten verbessert. "Ich glaube, dass die Welt ein sichererer Ort ist und wird", sagte Bush in einem am 24. Juni ausgestrahlten Interview mit dem irischen Fernsehsender RTE. Die Welt sei "wegen der Entscheidungen, die ich gemeinsam mit anderen getroffen habe" in einer besseren Lage. "Die freie Welt muss eine Entscheidung treffen: Knicken wir ein im Angesicht des Terrors, oder nehmen wir die Dinge im Angesicht des Terrors in die Hand", sagte Bush weiter. Die Politik seiner Regierung sei es, "Frieden zu verbreiten und zugleich unsere Sicherheit zu schützen".
  • Nach den jüngsten Anschlägen in Irak hat die Miliz des Schiitenpredigers Moktada el Sadr für den Stadtteil Sadr City einen Waffenstillstand ausgerufen. Angesichts der "außergewöhnlichen Umstände" erklärte sich das Zentralkomitee der Miliz in einer am 24. Juni über Lautsprecher verlesenen Erklärung überdies bereit, lebenswichtige irakische Einrichtungen vor "terroristischen" Angriffen zu schützen.
  • In Bakuba im Irak hat es am 25. Juni wieder einen Anschlag auf eine Polizeistation gegeben. Drei Menschen sollen ums Leben gekommen sein.
  • Die Vereinten Nationen Zugang haben sofortigen Zugang zu Häftlingen in Irak, Afghanistan und auf dem US-Stützpunkt Guantánamo auf Kuba gefordert, die dort wegen Terrorismusverdachts festgehalten werden. Ohne die USA zu nennen, forderten die vom UN-Menschenrechtskommissariat bestellten rund 30 Beobachter in einer am 25. Juni veröffentlichten gemeinsamen Erklärung schnellstmöglichen Zugang zu den Inhaftierten. Vier UN-Experten wurden für die Mission ausgewählt: Die UN-Sonderberichterstatter für Folter, Theo van Boven, für das Recht auf Unversehrtheit, Paul Hunt, für eine unabhängige Justiz, Leandro Despouy, und die Leiterin der Arbeitsgruppe für willkürliche Festnahmen, Leila Zerrougui.
  • Kurz vor dem Gipfeltreffen von EU und USA in Irland und dem anschließenden NATO-Gipfel in der Türkei hat US-Präsident George W. Bush die Militärallianz zu einem stärkeren Engagement in Irak aufgefordert. Bush, der am Abend des 25. Juni in Shannon im Südwesten Irlands erwartet wird, rechnete in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender NTV jedoch nicht mit einer Verstärkung der Truppen in Irak durch die dort bereits militärisch präsenten NATO-Staaten. Die meisten Länder bewegten sich mit ihrem militärischen Engagement bereits "am Limit", sagte er. Bei dem Treffen auf dem irischen Schloss Dromoland wollen Bush und seine Delegation mit Spitzenvertretern der Europäischen Union am 26. Juni unter anderem über die Lage in Irak und im Nahen Osten sowie über den Anti-Terror-Kampf beraten.
    Die Bundesregierung erklärte, es werde keine deutschen Ausbildungsoffiziere in Irak geben. Allerdings könnten irakische Soldaten in Deutschland ausgebildet werden. Regierungssprecher Béla Anda sagte, irakische Soldaten könnten etwa an einer Bundeswehr-Hochschule ausgebildet werden. Die "rote Linie" für die Bundesregierung sei aber weiterhin: "Keine Ausbildung in Irak". Die Bundesregierung beurteile eine Rolle der NATO in Irak weiterhin "sehr, sehr skeptisch". Islamische Extremisten könnten die NATO als ein von den USA geführtes Bündnis sehen.
  • Bei einem US-Luftangriff auf einen möglichen Stützpunkt von Anhängern des mutmaßlichen El-Kaida-Terroristen Abu Mussab al-Zarqawi sind in der irakischen Stadt Falludscha am 25. Juni mindestens 20 Menschen getötet worden. Wie die US-Armee mitteilte, erfolgte der Angriff aufgrund von irakischen und US-Geheimdienstinformationen. Augenzeugen hatten zuvor berichtet, dass ein Flugzeug zwei Raketen auf ein Haus im Süden Falludschas abgeschossen habe. Bereits am 20. und 22. Juni hatte die US-Armee mutmaßlichen Stellungen von Anhängern Zarqawis angegriffen.
  • Internationale Nahostexperten haben am 25. Juni an die Europäische Union und die NATO appelliert, sich vorerst nicht militärisch in Irak zu engagieren. Angesichts der fehlenden Legitimation der amerikanischen Intervention würde ein NATO-Engagement in Irak "lediglich als eine taktische Variante amerikanischer Besatzung" wahrgenommen werden, hieß es in einem von der Bertelsmann-Stiftung am 25. Juni in Gütersloh veröffentlichten Strategiepapier. Die Fachleute hatten das Papier im Auftrag der Stiftung erstellt und in Brüssel vorgestellt. Darin wird der EU allerdings empfohlen, im eigenen Interesse trotzdem an der Stabilisierung Iraks mitzuarbeiten und dazu im Rahmen einer veränderten multilateralen Strategie umfassende Beiträge zu leisten. Voraussetzung dafür sei jedoch "ein sichtbares Zeichen, dass die US-Regierung bereit ist, ihren Kurs zu ändern und einige Fehler der Vergangenheit zu korrigieren", hieß es. Die amerikanischen Entscheidungsträger könnten von der internationalen Gemeinschaft keine substanziellen Beiträge zu einem Prozess erwarten, in dem die Vereinten Nationen auf die Rolle "eines Subunternehmers der Koalition" beschränkt sei, kritisierten die Experten. Das Strategiepapier basiert laut Bertelsmann-Stiftung auf einer Reihe von Workshops, die mit Wissenschaftlern und Diplomaten aus der EU, Irak und den USA durchgeführt worden. Neben der Bertelsmann-Stiftung war auch das Robert Schuman Centre for Advanced Studies am European University Institut in Italien und das Centrum für Angewandte Politikforschung in München beteiligt.
  • Vier Tage vor dem Machtwechsel in Irak haben die Europäische Union und die USA der irakischen Übergangsregierung ihre "uneingeschränkte und dauerhafte Unterstützung" zugesagt. In zuletzt seltener politischer Eintracht erklärten beide Seiten bei ihrem Gipfel in Irland, das irakische Volk und die Übergangsregierung mit "gemeinsamem Engagement" zu unterstützen. In ihrer Erklärung vom 26. Juni rufen EU und USA die Nachbarländer Iraks zum Engagement beim Wiederaufbau und bei der Demokratisierung des Landes auf. Die Vereinten Nationen sollten ihre Arbeit fortsetzen und ausweiten, "wenn es die Lage erlaubt". US-Präsident George W. Bush forderte erneut ein Engagement der NATO in Irak. Er hoffe, dass die NATO auf die Anfrage des irakischen Übergangsregierungschefs Ijad Allawi "positiv antworten" werde. Allawi hatte am 24. Juni um militärische Ausbildungshilfe und "andere Arten technischen Beistands" gebeten.
  • Die NATO hat sich grundsätzlich darauf geeinigt, Irak bei der Ausbildung von Soldaten zu helfen. Wie am 26. Juni aus Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete, soll den Staats- und Regierungschefs am 28. Juni beim NATO-Gipfel in Istanbul ein entsprechender Entwurf zur Zustimmung vorgelegt werden. Keiner der 26 NATO-Staaten sei gegen den Plan gewesen, auf den die NATO-Botschafter sich am Abend des 25. Juni geeinigt hatten.
  • Bei einem Angriff auf das Büro der größten Schiitenpartei Oberster Rat der Islamischen Revolution (SCIRI) in der irakischen Stadt Baakuba sind am 26. Juni mindestens fünf Menschen getötet worden. Etwa 20 vermummte Männer, unter ihnen ein Selbstmordattentäter, hätten den örtlichen Sitz der Partei mit Panzerabwehrraketen, Granaten und Handfeuerwaffen angegriffen, teilte ein SCIRI-Vertreter in der nördlich von Bagdad gelegenen Stadt mit. Drei Wachleute sowie der Selbstmordattentäter seien ums Leben gekommen und zwei weitere Menschen verletzt worden. Nach Angaben eines Krankenhauses wurde auch ein Passant getötet, der in einen Schusswechsel geriet. Zudem sei ein Wachmann verletzt worden.
    Unmittelbar nach dem Anschlag auf das SCIRI-Parteibüro sprengten Unbekannte den örtlichen Sitz der Partei der Nationalen Verständigung von Übergangsregierungschef Ijad Allawi in Baakuba. Dabei starben drei Parteimitarbeiter und ein Passant. Vier Menschen seien verletzt worden, berichtete El Dschasira.
  • In der nordirakischen Stadt Erbil ist am 26. Juni ein ranghoher Politiker der Demokratischen Partei Kurdistans, Mahmud Mohammed, bei einem Anschlag verletzt worden. Einer seiner Leibwächter sei getötet worden, als ein mit Sprengstoff präpariertes Fahrzeug detonierte. Die Explosion ereignete sich, als Mohammed vor seinem Büro aus seinem Auto ausstieg, wie ein Vertreter der Partei mitteilte.
  • Eine Gruppe von Entführern hat am 26. Juni mit der Enthauptung dreier türkischer Geiseln gedroht, sollten sich die in Irak tätigen türkischen Firmen nicht umgehend aus dem Land zurückziehen. Der in Qatar ansässige arabische Nachrichtensender El Dschasira strahlte am Abend ein Videoband aus, auf dem die drei Geiseln am Boden sitzend zu sehen sind. Sie werden von zwei bewaffneten Männern bewacht.
  • Bei einem Anschlag in der irakischen Stadt Hilla sind am 26. Juni mindestens 17 Menschen getötet und 40 weitere verletzt worden. Wie der US-General Mark Kimmitt mitteilte, wurde der Anschlag in der Stadt rund hundert Kilometer südlich von Bagdad vermutlich mit einer Autobombe verübt. Ein Sprecher der in Hilla stationierten, von Polen kommandierten Streitkräfte sagte, die Opfer seien höchstwahrscheinlich ausnahmslos Zivilisten.
    Die Zahl der Todesopfer hat sich später auf 32 erhöht. Weitere 22 Menschen seien verletzt worden. Am nächsten Tag war sogar von 40 Toten die Rede (dpa).
  • Der Chef der irakischen Übergangsregierung, Ijad Allawi, hat eine Amnestie für Gegner der US-geführten Streitkräfte angekündigt. Iraker, die "den so genannten Widerstand" gegen die US-geführten Besatzungstruppen unterstützt, aber keine Verbrechen begangen hätten, sollten straffrei ausgehen, sagte Allawi der britischen Zeitung "Independent on Sunday" (Ausgabe vom 27. Juni). Dadurch solle "Terroristen und Verbrechern" die Grundlage entzogen werden. Die Regierung werde sehr klar unterscheiden zwischen "Irakern, die aus einem Gefühl der Verzweiflung gehandelt haben," und "ausländischen Terroristen, deren einziges Ziel es ist, unschuldige Menschen zu töten und zu verstümmeln und den Irak scheitern zu sehen".
    Allawi sagte dem US-Sender CBS am 26. Juni, zwar müssten die Wahlen zu einer Nationalversammlung laut Übergangsverfassung bis Ende Januar 2005 stattfinden, jedoch sei eine Verschiebung um bis zu zwei Monate möglich. "Hauptkriterium ist die Sicherheit", sagte Allawi. Seine Regierung wolle jedoch alles unternehmen, um den Termin einzuhalten. Um der Unsicherheit Herr zu werden, erwäge seine Regierung ein "Gesetz zur Verteidigung der öffentlichen Sicherheit", das ihr die Vollmacht zur Notstandsgesetzgebung einräumen würde.
  • Der US-Geheimdienst CIA verzichtet vorläufig auf besonders aggressive Verhörmethoden. Die Anwendung der von der Regierung gebilligten Praktiken bei der Vernehmung von Terrorverdächtigen werde ausgesetzt, bis die Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit ausgeräumt seien, berichtete die "Washington Post" (Ausgabe vom 27. Juni) unter Berufung auf CIA-Mitarbeiter. "Die ganze Sache wurde gestoppt, weil wir herausfinden müssen, ob wir uns auf dem Boden des Gesetzes bewegen", zitierte die Zeitung eine CIA-Quelle.
  • In der stark gesicherten "Grünen Zone" im Zentrum von Bagdad sind am Morgen des 27. Juni zwei Raketen eingeschlagen und explodiert. Über Opfer oder Schaden lagen zunächst keine Informationen vor, wie ein Sprecher der US-Armee der Nachrichtenagentur AFP sagte. Die Raketenexplosionen hatten das Zentrum von Bagdad stark erschüttert, wie ein AFP-Reporter berichtete. Über der "Grünen Zone" stieg Rauch auf. In dem Viertel am Tigris hat die US-geführte Koalition ihr Hauptquartier.
  • Die USA bereiten sich auf die Entsendung weiterer Soldaten nach Irak vor. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte am 27. Juni in einem BBC-Interview, er habe den US-Generalstab bereits vor einigen Monaten mit der Planung eventueller Truppenentsendungen beauftragt. Die Pläne würden aber nur dann umgesetzt, wenn der neue Oberbefehlshaber der multinationalen Streitmacht in Irak, General George Casey, neue Truppen anfordere.
  • Mehrere zehntausend Menschen haben am 27. Juni in der türkischen Metropole Istanbul gegen den NATO-Gipfel demonstriert. Die Demonstranten marschierten ohne Zwischenfälle vom Bahnhof Hajdarpasa bis zum Kadikoj-Platz, während hunderte Polizisten und gepanzerte Fahrzeuge den Demonstrationszug sicherten. Die Menge skandierte Parolen wie "Yankees, geht nach Hause, das ist unser Land" und "USA, Mörder, verlasst den Nahen Osten". Demonstrationsteilnehmer forderten mit Aufschriften auf ihren Hemden: "Bush, komm nicht" und "Die NATO ist eine Kriegsorganisation, die man auflösen muss." Zu der Kundgebung aufgerufen hatten zahlreiche Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen.
  • Die Polizei hat in der Pilgerstadt Kerbela nach eigenen Angaben eine Gruppe mutmaßlicher Terroristen festgenommen, die Anschläge in der südlich von Bagdad gelegenen Region geplant haben soll. Die Festgenommen hätten Sprengstoffgürtel und Feuerwaffen bei sich getragen, sagte Polizeioberst Abbas el Hassani am 27. Juni. Die Polizei habe in ihrem Besitz auch mit Sprengsätzen präparierte Autos gefunden. Die Sicherheitsvorkehrungen in der Schiiten-Stadt wurden wegen des Anschlagrisikos verstärkt.
28. bis 30. Juni
  • Nach 14 Monaten Besatzung hat Irak am 28. Juni seine "Souveränität" zurückerhalten. Bei einer Zeremonie im Hauptquartier der US-geführten Koalition in Bagdad tauschten der irakische Ministerpräsident Ijad Allawi und US-Zivilverwalter Paul Bremer überraschend zwei Tage früher als geplant die Dokumente aus, welche die Machtübergabe an die irakische Regierung besiegelten. Angesichts der anhaltenden Gewalt im Land war der ursprünglich für 30. Juni vorgesehene Machttransfer vorgezogen worden. Bremer überreichte Allawi und dem irakischen Präsidenten Ghasi el Jawar ein Schreiben von US-Präsident George W. Bush, in dem die USA förmlich um eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen nachsuchen. Der Zivilverwalter wolle Irak noch heute verlassen, sagte sein Sprecher. Bremer hatte seinen Posten im Mai vergangenen Jahres angetreten. "Nun, da ich Irak verlasse, bin ich zuversichtlich, was seine Zukunft angeht", sagte Bremer bei der Übergabezeremonie.
    Allawi kündigte bei der Zeremonie ein Paket von Notstandsgesetzen an, mit der seine Regierung der Unsicherheit in Irak Herr werden wolle.
  • Bei einem Bombenanschlag im Süden Iraks sind am 28. Juni ein britischer Soldat getötet und zwei weitere verletzt worden. Der Sprengsatz explodierte am Morgen unter einem Militärfahrzeug, in dem die Soldaten in der Stadt Basra auf Patrouille gewesen seien, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums in London. Seit Beginn des Kriegs starben 60 britische Soldaten in Irak.


Irakische Übergangsregierung
Zwei Tage früher als angekündigt hat die Übergangsregierung am 28. Juni die Macht in Irak übernommen. Nachfolgend einige der wichtigsten Politiker:
  • Ministerpräsident Ijad Allawi: Der 1945 geborene schiitische Politiker wird von den USA unterstützt, er soll gute Verbindungen zum US-Militär und zum Geheimdienst haben. Seine Machtbasis ist die Organisation Irakisches Nationales Übereinkommen, der vor allem frühere Mitglieder der Baath-Partei und des irakischen Militärs angehören. Sie betonte den Säkularismus, ihr gehören Schiiten und Sunniten an.
  • Staatspräsident Ghasi Maschal Adschil al Jawer: Der 45-jährige prominente sunnitische Politiker gehört dem Schammar-Stamm an, einem der größten in der Golfregion. Der in Mossul geborene Ingenieur studierte in Saudi-Arabien und in den USA.
  • Vizepräsident Ibrahim al Dschaafari: Der 1947 geborene Politiker ist Führer der schiitischen Islamischen Partei Dawa.
  • Vizepräsident Rowsch Schawajs: Präsident des Kurdischen Parlaments und Vorsitzender der Kurdischen Demokratischen Partei, einer der zwei großen kurdischen Parteien in Nordirak.
  • Außenminister Hoschjar Sebari: Der 51-jährige Kurde wirbt seit seiner Ernennung zum Außenminister der Übergangsregierung auf der ganzen Welt für den neuen, vereinigten und demokratischen Irak. Er kämpfte auf Seiten der kurdischen Rebellen gegen den irakischen Machthaber Saddam Hussein.
  • Verteidigungsminister Hasem Schaalan: Er wurde 1947 in Diwanija geboren und ist Scheich des Ghasal-Stammes. Er machte 1972 einen Abschluss an der Universität in Bagdad in Wirtschaft und Management. Er begann seine Karriere als Leiter der Irakischen Immobilienbank in Kut und Diwanija. Von 1983 bis 1985 arbeitete er dann in Bagdad. Wegen seiner Opposition gegen Saddam Hussein musste er Irak 1985 verlassen. Im Exil leitete er eine Immobilienfirma in Großbritannien. Seit April 2003 ist er Gouverneur von Diwanija.
  • Ölminister Thamir Abbas Ghadban: Er wurde 1945 in Babylon geboren und machte einen Abschluss in Geologie am University College in London und in Ölmanagement am Imperial College in London. Er war an mehr als 50 Studien zu den irakischen Ölvorkommen beteiligt. Weil er demokratische Reformen befürwortete, war er vom früheren Regime seiner Posten enthoben worden.
  • Stellvertretender Ministerpräsident für die innere Sicherheit Barham Sali: Der 1960 geborene Politiker hat enge Verbindungen zu den USA und gehört zu den Führern der Patriotischen Union Kurdistans. Er war zehn Jahre Vertreter der Kurden in den USA.
  • Innenminister Fala Hassan al Nakib: Arbeitet in der Provinzregierung in Tikrit, der Heimatstadt Saddam Husseins. Der 48-Jährige ist der Sohn von General Hassan al Nakib, dem früheren stellvertretenden Generalstabschef, der Ende der 70er Jahre ins Exil floh. Er war in der Exilopposition aktiv.
  • Finanzminister Abdel Abdul Mahdi: Der 1942 in Bagdad geborene schiitische Geistliche war lange Jahre in Frankreich und Minister zu Zeiten der Monarchie in Irak. Er gehört dem einflussreichen schiitischen Obersten Rat für die islamische Revolution in Irak an.
  • Justizminister Malik Dohan al Hassan: Er wurde 1920 in Hilla geboren und war Mitte der 60er Jahre Kulturminister. Nach dem Sturz Saddam Husseins wurde er zum Präsidenten der Anwaltsvereinigung gewählt. Er protestierte schon früh gegen die Behandlung irakischer Häftlinge unter der US-Verwaltung. Unter Saddam Hussein saß er selbst aus politischen Gründen im Gefängnis.
Quelle: AP

  • Die Topmeldungen des Tages:
    Der jordanische Top-Terrorist Abu Mussab el Sarkawi soll im Irak gefangen genommen worden sein. Das meldet der TV-Sender El Arabija unter Berufung auf US-Militärsprecher Mark Kimmitt. El Sarkawi wurde demnach in der südlich von Bagdad gelegenen Stadt Hilla gefasst. Die Umstände der Festnahme sind noch nicht bekannt. (dpa, 11.35 Uhr)
    Der amerikanische Militärsprecher Mark Kimmitt hat nach Angaben arabischer Nachrichtensender die angebliche Festnahme des jordanischen Top-Terroristen Abu Mussab el Sarkawi im Irak dementiert. Das berichteten die Sender El Dschasira und El Arabija. (dpa, 11.44 Uhr)
  • Unter dem Eindruck der vorgezogenen Machtübergabe in Bagdad hat sich die NATO zur Hilfe bei der Ausbildung irakischer Streitkräfte bereit erklärt. Die Staats- und Regierungschefs der Allianz beschlossen am 28. Juni auf ihrem Gipfel in Istanbul, einer entsprechenden Bitte des irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi nachzukommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich mit dem Beschluss zufrieden. "Wir haben heute beschlossen, der irakischen Regierung die Hilfe der NATO bei der Ausbildung ihrer Sicherheitskräfte anzubieten", heißt es in der Erklärung. Schröder sagte: "Wir sind mit der Entscheidung einverstanden." Deutschland leiste seinen Beitrag, indem es Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr zur Verfügung stelle. Er bekräftigte indes, es werde "kein eigenes militärisches Engagement, keine deutschen Soldaten in Irak geben".
    Die konkrete Ausgestaltung der Ausbildung ließ der Gipfel offen. Dies soll von einem Stab im NATO-Hauptquartier in Brüssel ausgearbeitet werden. Besonders Deutschland und Frankreich haben dazu Bedenken geäußert. Dafür haben sich indes die USA stark gemacht. Ein Vertreter der Allianz sagte: "Eine Präsenz der NATO in Irak ist möglich." In der Erklärung schließen die Staats- und Regierungschefs ein weiteres Engagement der NATO in Irak zumindest nicht aus. "Weitere Vorschläge, die irakischen Sicherheitsbehörden zu unterstützen", würden geprüft, insofern sie von der neuen Regierung in Bagdad kämen.
  • An einer Straßensperre 50 Kilometer südlich von Kirkuk sprengte sich am 28. Juni ein Selbstmordattentäter in die Luft. Wie die Polizei mitteilte, wurden zwei irakische Zivilisten verletzt.
  • In der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf entdeckte die Polizei am 28. Juni zwei Autobomben. Die Fahrzeuge fielen den Beamten an einer Straßensperre auf. Sie nahmen drei Verdächtige fest. Bei einem Handgranaten-Angriff auf ein Büro der Partei Irakischer Nationaler Konsens (INA) von Ministerpräsident Ijad Allawi wurde ein Wächter verletzt.
  • In der Hand von Geiselnehmern sollen sich nun auch ein US-Soldat und ein pakistanischer Fahrer befinden. Arabische TV-Sender strahlten in der Nacht zum 28. Juni Videos aus, auf denen zwei verschiedene Gruppen Geiseln vorführen. Sowohl dem US-Marine-Infanteristen, als auch dem Pakistaner, der im Auftrag der Besatzungsarmee für eine US- Firma gearbeitet haben soll, drohten die Entführer mit Enthauptung. Die US-Armee bestätigte am 28. Juni das Verschwinden eines Marine- Infanteristen im Irak. Ob es sich bei dem Entführten um den seit dem 21. Juni Vermissten handelt, sei aber unklar, hieß es. Die Extremisten fordern die Freilassung irakischer Gefangener.
  • Wenige Stunden nach der offiziellen Machtübergabe in Irak ist der neue US-Botschafter in Bagdad, John Negroponte, offenbar in der irakischen Hauptstadt eingetroffen. "Nach allem, was ich weiß, ist er in Irak angekommen", sagte ein US-Beamter, der anonym bleiben wollte, am 28. Juni in Bagdad. Angaben über den derzeitigen Aufenthaltsort von Negroponte wollte der Beamte nicht machen.
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat auf dem NATO-Gipfel von Istanbul die rasche Einberufung einer internationalen Irak-Konferenz gefordert. An dieser Konferenz sollten die Nachbarstaaten Iraks und die Mitgliedsländer des UN-Sicherheitsrats teilnehmen, um gemeinsam über den demokratischen Übergang in Irak zu beraten, sagte Lawrow am 28. Juni nach dem Treffen des NATO-Russland-Rats. Um für eine Verbesserung der Sicherheitslage in Irak zu sorgen, solle innerhalb des Landes umgehend ein politischer Dialog begonnen werden, an dem auch alle wichtigen Oppositionsgruppen beteiligt werden sollten.
  • Das Sondertribunal in Irak hat am 29. Juni die Namen der elf früheren Mitglieder der irakischen Führung bekannt gegeben, die zusammen mit Saddam Hussein am Mittwoch den irakischen Behörden übergeben werden sollen. Unter ihnen ist demnach Ali Hassan el Madschid, genannt "Chemical Ali", der unter anderem für einen verheerenden Giftgasangriff auf irakische Kurden 1988 verantwortlich gemacht wird. Auch der frühere Vize-Regierungschef Tarik Asis sowie Ex-Vizepräsident Taha Jassin Ramadan sollen laut Gericht am 30. Juni übergeben werden.
  • Extremisten haben am 29. Juni einen in Irak entführten US-Soldaten vermutlich hingerichtet. Die Geiselnehmer hätten sich in einer Erklärung zur Ermordung von Keith Maupin bekannt, berichtete El Dschasira. Dem arabischsprachigen Nachrichtensender lag nach eigenen Angaben ein Video vor, das offenbar die Hinrichtung der 20-jährigen Geisel zeigt. Indes ließen Geiselnehmer drei von ihnen entführte Türken frei.
  • Bei einem Angriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 29. Juni offenbar drei US-Soldaten getötet worden. Das meldet der arabische Nachrichtensender El Dschasira. Wie der Sender unter Berufung auf das US-Militär berichtete, soll es sich bei den Opfern um Angehörige der Marine-Infanterie handeln.
  • Die US-Armee will nach einem Zeitungsbericht tausende ehemalige Soldaten einberufen, um die Truppenstärke in Irak und Afghanistan aufrecht zu erhalten. Die rund 5.600 Ex-Soldaten sollen vor allem für Logistik-Jobs herangezogen werden, wie die "New York Times" (Ausgabe vom 30. Juni) unter Berufung auf Pentagonmitarbeiter berichtete. Grundlage sei ein bislang selten in Anspruch genommenes Programm zur Reaktivierung ehemaliger US-Soldaten, die nicht der Reserve angehören. Die Soldaten gehören demnach der Individual Ready Reserve an; sie hätten weniger als acht Jahre gedient, seien aber noch vertraglich an die Armee gebunden. Die Soldaten kämen für Einsätze von etwa einem Jahr in Irak oder Afghanistan in Betracht. Die Einberufung betreffe nur das Heer, nicht Luftwaffe und Marine.
  • Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat einer deutschen Aufbaumission in Irak wegen der Gefahrenlage auf absehbare Zeit eine Absage erteilt. "Unter den jetzigen Bedingungen der Sicherheit ist das nicht verantwortbar", sagte Wieczorek-Zeul am 30. Juni im DeutschlandRadio Berlin. Eine Entsendung von Helfern nach Irak bedeute, diese Mitarbeiter einer extremen Gefahr auszusetzen. Die Unterstützung bleibe daher auf die Ausbildung von Irakern außerhalb Iraks und auf Finanzmittel beschränkt.
  • Kurz nach der Machtübergabe in Irak hat die Übergangsregierung in Bagdad die Wiedereinführung der Todesstrafe beschlossen. Das sagte der irakische Präsident Ghasi el Jawar am 30. Juni der arabischen Tageszeitung "Aschark el Awsat". Die Entscheidung soll "in Kürze" offiziell bekannt gegeben werden. Regierungssprecher Gergis Saada bestätigte, die Frage sei bei einer Kabinettssitzung erörtert worden.
  • Der frühere irakische Machthaber Saddam Hussein ist am Morgen des 30. Juni formal an die irakischen Behörden überstellt worden. Das teilten ein Sprecher der irakischen Übergangsregierung und eine US-Militärvertreterin in Bagdad mit.
  • In Japan soll im Oktober die vierte Geberkonferenz für Irak stattfinden. Die Entscheidung sei bei einem Treffen des stellvertretenden japanischen Außenministers Yukio Takeuchi und seinem US-Kollegen Richard Armitage gefallen, sagte ein Sprecher des Außenamts in Tokio am 30. Juni. Bei der letzten Konferenz in Madrid hatten die Geberländer Zusagen über insgesamt 33 Milliarden Dollar (mehr als 27 Milliarden Euro) für einen Vierjahreszeitraum ab 2004 gemacht.
  • Bei einem Autobombenanschlag in der südirakischen Stadt Samawa sind am 30. Juni drei Polizisten verletzt worden. Die Bombe sei am Vormittag vor der Hauptwache der Polizei explodiert, sagte ein Polizeivertreter der Nachrichtenagentur AFP. Es war der erste Anschlag mit einer Autobombe in Irak seit der vorzeitigen Machtübergabe am 28. Juni. In Samawa ist das japanische Militärkontingent mit etwa 550 Soldaten stationiert. Sie erfüllen einen "humanitären Auftrag" und nehmen nicht an Kampfhandlungen teil
  • Gut einen Monat nach dem amerikanischen Luftangriff auf eine mutmaßliche Hochzeitsgesellschaft in Irak (siehe unsere Chronik vom 19. Mai 2004) haben die US-Streitkräfte das Bombardement erneut verteidigt. Eine Untersuchung habe ergeben, dass der Angriff in der Nähe der syrischen Grenze gerechtfertigt gewesen sei, sagte ein US-Militärsprecher am 30. Juni. Es habe sich um einen Ort gehandelt, "der einer Anzahl ausländischer Kämpfer, die ins Land kamen, als Wegstation gedient hat". Nach irakischen Angaben kamen bei dem Angriff mehr als 40 Menschen ums Leben, darunter Frauen und Kinder. Überlebende legten der Nachrichtenagentur AP ein Video vor, auf dem eine Hochzeitsgesellschaft zu sehen war. Reporter erkannten darauf mehrere Zeugen wieder, die sie einen Tag nach dem Angriff interviewt hatten. Die US-Streitkräfte erklärten, der Luftangriff habe Aufständischen gegolten. Bei einer Durchsuchung seien Waffen und ausländische Pässe gefunden worden. Die Armee räumte allerdings ein, dass es "irgendeine Art Fest" gegeben haben könnte.
  • Die US-geführten Truppen in Irak haben am späten Abend des 30. Juni erneut ein vermutetes Versteck von Anhängern des jordanischen Islamistenführers Abu Mussab al-Zarqawi in der Stadt Falludscha angegriffen. Wie US-General Mark Kimitt in der Nacht zum Donnerstag mitteilte, erfolgte der Angriff mit Präzisionswaffen aufgrund von irakischen und US-Geheimdienstinformationen.


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