Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bushs gescheiterte Mission

Am 1. Mai vor fünf Jahren verkündete der US-Präsident den Sieg in der "Schlacht um Irak"

Von Karin Leukefeld *

Fünf Jahre nach dem von George W. Bush verkündeten Sieg in Irak steckt dieser tiefer im Kriegsschlamassel als jemals zuvor.

»Officers and sailors of the USS Lincoln, my fellow Americans, major combat operations in Iraq have ended. In the battle of Iraq, the United States and our allies have prevailed.« Unter einem schnell noch am Kommandoturm des Flugzeugträgers USS Lincoln aufgehängten Transparent mit dem Slogan »Mission Accomplished«, was soviel heißt wie »Auftrag erfüllt«, präsentierte sich am 1. Mai 2003 ein strahlender Präsident George W. Bush und erklärte unter dem Jubel und dem Beifall von Offizieren und Matrosen seinen »amerikanischen Mitbürgern«, dass die Kämpfe in Irak vorüber seien und die USA mit ihren Verbündeten in der »Schlacht um Irak« gesiegt hätten. Nun werde sich die Koalition »der Sicherheit und dem Wiederaufbau des Landes Landes« widmen. [Hier geht es zur ganzen Rede.]

Fünf Jahre später ist dieser peinliche Auftritt als »Mission Accomplished« sarkastisches Synonym für ein Unternehmen geworden, das weder gelungen noch beendet ist. In Irak bedeutet »Mission Accomplished« ein anhaltendes Desaster, das von vielen arabischen Irakern -- nicht allerdings von den Kurden in Nordirak -- als schlimmer empfunden wird als das, was unter der Regierung von Saddam Hussein geschah.

Allein für den 27. April zählt die Webseite »Iraq Body Count« (benannt nach dem Ausspruch von US-General Tommy Franks: »We don't do body count« -- wir zählen keine Toten) 71 getötete Iraker: 2 in Shaab (Bagdad), 1 in Bayaa (Bagdad), 2 in Amel und Kadhimiya (Bagdad)... Und in der Provinz Diyala wurde ein Massengrab mit 50 unbekannten Leichen gefunden. (www.iraqbodycount.org)

Mehr als 4000 US-Soldaten und vermutlich Hunderttausende Iraker verloren in den letzten fünf Jahren in Irak ihr Leben. Das Jahrtausende alte Kulturland Mesopotamien wurde zerstört und geplündert, eine moderne, säkulare Gesellschaftsstruktur entwurzelt und zerstückelt. Mehr als vier Millionen Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder, wurden in die Flucht getrieben, darunter die besten Professoren, Mediziner, Ingenieure.

Aus einem Mosaik vieler Religionen wurde ein Labor für religiöse Eiferer aller Couleur. Während muslimische Eiferer die Frauen unter den Schleier zwingen wollen, würden christliche Eiferer am liebsten alle irakischen Christen in einer Großoperation evakuieren und das Land ansonsten sich selbst überlassen. 24 000 Iraker werden nach Auskunft der UN-Mission in Irak in US-Gefängnissen wie Abu Ghraib, am Flughafen von Bagdad und Camp Bucca in Basra festgehalten. Die Mehrzahl dieser Gefangenen kennt keine Anklage, hat keinen Zugang zu einem Rechtsanwalt oder Kontakt mit Familienangehörigen.

Im Zweistromland herrschen Chaos und Gewalt, was -- wie in allen Kriegen -- der internationalen Rüstungsindustrie und ihren Handlangern nutzt. Während Kinder von Albträumen geplagt werden, Krieg nicht spielen, sondern täglich erleben und mangels medizinischer Versorgung, an schlechtem Wasser oder Unterernährung sterben, profitieren private Sicherheitsfirmen wie »Blackwater«, Ölkonzerne, Banken und Logistikgiganten wie Halliburton oder DHL von dem Elend. Korrupte Politiker schaufeln sich die Taschen voll Dollars, lieber noch Euros, die sie im Ausland bunkern. Die meisten Mitglieder der Regierung haben mindestens einen weiteren Pass. Ihre Familien leben im Ausland.

»Die Politiker haben keine Ahnung, wie wir leben«, sagt Kerim, ein junger Familienvater (im Telefongespräch mit der Autorin). Seit Jahren ist er ohne Arbeit, nur mit Hilfe seiner Eltern, Brüder oder von Freunden gelingt ihm das Überleben. Seine beiden Söhne, drei und fünf Jahre alt, haben noch nie ein anderes Stadtviertel Bagdads gesehen als das ärmliche Viertel, in dem sie aufgewachsen sind. Früher war es ein religiös gemischtes Viertel, heute leben dort nur noch Schiiten, manche von ihnen, wie Kerim, mit ihren sunnitischen Ehefrauen. Von der Regierung haben sich die meisten voll Abscheu abgewandt. »Sie wissen nicht, dass wir kein Wasser, keinen Strom, nicht mal genug zu essen haben«, erklärt der Familienvater. »Und sie interessieren sich auch nicht dafür.«

* Aus: Neues Deutschland, 30. April 2008


Zurück zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage