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Schlappe für Bergbaumulti Vedanta

Betroffene Gemeinden lehnen beim ersten "grünen Referendum" in Indien Abbau von Bauxit ab

Von Hilmar König, Delhi *

Der britische Bergbauriese Vedanta soll das »Kapitel Niyamgiri« im ostindischen Bundesstaat Orissa schließen. Das ist Ergebnis eines von der Regierung anerkannten Referendums in den vom Bauxitabbau betroffenen zwölf Gemeinden.

Der Plan ging nicht auf. Die Bundesstaatsregierung von Orissas hatte bislang »aus Entwicklungsgründen« für den Bergbaukonzern Vedanta Partei ergriffen. Deswegen war der Argwohn groß, dass ausgerechnet sie die zwölf Dörfer bestimmte, in denen das Referendum über die Zukunft des Bauxitabbaus abgehalten wurde. Bürgerrechtler, aber auch Kishore Chandra Deo, der Minister für Stammesangelegenheiten, befürchteten, dass diese zwölf Gemeinderäte bestochen worden sein könnten und den Bauxitabbau erlauben würden. Doch die Stammesgemeinschaft hielt stärker zusammen, als erwartet. In elf von zwölf Dörfern der Niyamgiri-Region wurde dieser Tage in einem »grünen Referendum« Vedanta die Zustimmung zum Abbau von Bauxit verweigert.

In den Niyamgiri-Bergen siedeln überwiegend Angehörige des Dongria-Kondh-Stammes, die aus religiösen und sozialökonomischen Gründen die Zerstörung ihrer Umwelt durch den Bergbau ablehnen. Sie wurden darin durch ein Urteil des Obersten Gerichts Indiens bestärkt und dazu mit solidarischen Treffen Anfang des Monats in London und in Delhi ermutigt. Jairam Ramesh, Minister für ländliche Entwicklung, glaubt: »Der Niyamgiri-Fall ist ein Wendepunkt.« Ein neues Gesetz, das vor der Annahme im Parlament stehe, mache den Erwerb von Boden ohne Zustimmung der Gemeindevertretungen unmöglich.

Der Ergebnis des »grünen Referendums« passt ins Bild, denn Indiens gut 100 Millionen Angehörige indigener Gemeinschaften (8,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) geraten stärker als bisher in den Blickpunkt der Regierung. Premier Manmohan Singh kündigte am 15. August in seiner Rede zum Unabhängigkeitstag an, ein Expertenkomitee einzusetzen, das »akkurate Informationen über den sozialökonomischen, Bildungs- und Gesundheitsstatus« der Stammesbevölkerung zusammenträgt, um bessere Maßnahmen zu deren Nutzen auszuarbeiten. Dem Komitee gehören namhafte Soziologen, Anthropologen, Mediziner, Historiker und Verwaltungsbeamte an.

Auf dem Subkontinent siedeln Stammesgemeinschaften vor allem im Nordosten sowie in Mittel- und Südostindien. Auch in dem »roten Gürtel«, der sich von Nepal bis ins südliche Andhra Pradesh erstreckt und in dem seit Jahrzehnten maoistische Rebellen aktiv sind und weite Landstriche kontrollieren, haben viele indigene Gruppen ihre Heimat. Wegen der miserablen Lebensbedingungen schließen sich vor allem jugendliche Adivasi (Ureinwohner) der Guerilla an. Das ist ein maßgeblicher Grund für die Regierung, sich intensiver mit den Stammesgemeinschaften zu befassen.

Das Komitee soll die Vertreibung Indigener aus ihren Siedlungsgebieten untersuchen, die mit Industrie- und Bergbauprojekten, Damm- und Straßenbau einhergeht. Ihr Lebensraum schrumpft so immer mehr. Die »Umsiedlung« bedeutet in den meisten Fällen den Verlust der Existenzgrundlage. Das Komitee wird zudem den Zugang der Indigenen zu Bildung, Gesundheitsdiensten, Bankwesen, anderen sozialen Einrichtungen und die Inanspruchnahme der staatlichen Förderungs- und Versorgungsprogramme unter die Lupe nehmen. Einen Hinweis gab es von Minister Kieshore Chandra Deo. Er kritisierte, dass staatliche Bergbauunternehmen hinter den Kulissen auf Regierungsanweisung Anteile an private Bergbaufirmen verkaufen und diesen damit den Zugriff auf die nationalen Bodenschätze ermöglichen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. August 2013

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