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Das Opfer selbst bestellte den Mord

Guatemala: Anwalt Rosenberg löste vor einem Jahr politische Krise aus

Von Andreas Knobloch *

Sein Fall hatte für eine politische Krise in Guatemala gesorgt: Der Anwalt Rodrigo Rosenberg Marzano war im Mai vergangenen Jahres ermordet worden, nachdem er tags zuvor ein Video aufgenommen hatte, in dem er den Präsidenten des Landes, Álvaro Colom, für seinen eventuellen Tod verantwortlich machte. Nun gab es die erste Verurteilung in dem Fall.

Ein Gericht verurteilte am Montag (29. März) einen der Mörder Rosenbergs zu zwei Jahren Gefängnis. Richterin Verónica Galicia verhängte die reduzierte Strafe gegen Carlos Aragón Cardona, da dieser sich bereit erklärt hatte, mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Er gab detailliert Auskunft zu Planung und Ausführung des Verbrechens und belastete seine Mitangeklagten. Insgesamt waren elf Tatverdächtige festgenommenen worden, denen im Höchstfall 50 Jahre Gefängnis drohen. Aragón wurde jedoch nur wegen verbotener Verschwörung verurteilt. Ähnlich wird wohl auch das Urteil gegen Mario Paz Mejía ausfallen. Der hatte ebenfalls mit den Behörden kooperiert.

Der Anwalt Rodrigo Rosenberg war am 10. Mai vergangenen Jahres ermordet worden. In einem kurz zuvor aufgenommenen Video machte er Präsident Álvaro Colom, dessen Frau Sandra Torres de Colom, den Privatsekretär des Präsidenten und einen Unternehmer für seinen bevorstehenden Tod verantwortlich. Der Mord in Verbindung mit dem Video hatte damals für tagelange Proteste der Opposition gesorgt und die Regierung fast zu Fall gebracht.

Im Januar dieses Jahres ermittelte die CICIG, die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala, dass Rosenberg seinen Tod selbst geplant hatte. Von »Verzweiflung und Frustration« bedrückt ob des Mordes an seinem Freund Khalil Musa und dessen Tochter Marjorie, für den er Präsident Colom verantwortlich machte, und verwickelt in einen Korruptionsskandal gab er seine eigene Ermordung bei Geschäftspartnern in Auftrag. Die heuerten, ohne zu wissen, dass Rosenberg selbst das Opfer sein würde, die Auftragsmörder an.

Das Urteil gegen Aragón ist das erste seit die von der CICIG verlangten Änderungen im Gesetz gegen das organisierte Verbrechen in Kraft getreten sind. Die Möglichkeit des Straferlasses im Falle der Zusammenarbeit mit den Behörden verspricht kürzere Verfahren dank schnellerer Untersuchungen. Aragóns Aussagen halfen, die Unternehmer Francisco José und José Estuardo Valdéz Paiz sowie deren Leibwächter, Nelson Wilfredo Santos Estrada, die allesamt flüchtig sind, als die Hauptverantwortlichen für Planung und Ausführung des Mordes zu identifizieren.

* Aus: Neues Deutschland, 31. März 2010


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