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Über zehn Milliarden für Krieg

Bundesregierung legt lückenhafte Bilanz über Ausgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr vor. Reale Kosten werden verschwiegen

Von Frank Brendle *

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben seit 1992 über 10,5 Milliarden Euro gekostet. Das teilte die Bundesregierung gestern auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion mit. Diese Angabe ist aber nur die halbe Wahrheit, da sie nur die unmittelbaren »einsatzbedingten Zusatzausgaben« enthält.

Dennoch spiegeln die Zahlen die sprunghafte Entwicklung des deutschen Militarismus in den letzten 16 Jahren wider: Wurden bis 1998 noch Beträge im unteren dreistelligen Millionenbereich jährlich für Auslandseinsätze ausgegeben, so war 1999 die Grenze zur halben Milliarde erreicht – in diesem Jahr beteiligte sich die Bundeswehr erstmals seit 1945 an einem Angriffskrieg und unterstützte die Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO. Schon ein Jahr später überstiegen die Auslandskosten bereits die Milliardengrenze – hierin drücken sich unter anderem die Kosten für die bis heute andauernde Stationierung deutscher Soldaten im Kosovo aus. Das bisher teuerste Kriegsjahr war 2002, das Jahr, in dem die Besetzung Afghanistans begann: 1,5 Milliarden Euro ließ uns die Bundesregierung den Einsatz in jenem jahr kosten. Mittlerweile haben sich die Ausgaben bei knapp unter einer Milliarde Euro pro Jahr eingespielt, der Trend geht aber wieder nach oben.

Die Summe von über zehn Milliarden Euro »unterstreicht deutlich die Verschiebung in der deutschen Außenpolitik zum Militärischen«, erklärte der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion Wolfgang Gehrcke am Montag in einer Pressemitteilung. Das Geld hätte sinnvoller und wirkungsvoller für weltweite Hunger- und Armutsbekämpfung eingesetzt werden können.

Über die realen Kosten der deutschen Kriegsbeteiligungen werde die Öffentlichkeit nach wie vor im unklaren gelassen, kritisierte die Fraktion. Denn der von der Bundesregierung herangezogene Begriff »einsatzbedingte Zusatzkosten« erfaßt nur die unmittelbaren Mehrausgaben wie Flug- und Transportkosten oder Baumaßnahmen in den Bundeswehrlagern. Weder die laufenden Betriebs- noch die Personalausgaben, auch nicht die waffentechnischen Neuanschaffungen, mit denen die Einsätze erst möglich werden, fallen in die Rechnung. Auch Angaben zu Vorbereitungskosten werden nicht gemacht: »Das Übungsgeschehen der Bundeswehr ist im Schwerpunkt auf die Anforderungen in internationalen Einsätzen ausgerichtet«, heißt es. »Eine klare Trennung und Aufschlüsselung« dieser Kosten sei »nicht leistbar«. Eine unbekannte Größe bleiben auch die Folgekosten für die Versorgung »einsatzgeschädigter Soldaten«, darunter fallen auch körperliche und psychische Therapien. Darüber, welche Versorgungsansprüche im Inland und welche im Ausland entstanden sind, gebe es »keine besonderen Erhebungen«.

Ähnlich provisorisch sind im übrigen die Informationen zu den Ausgaben der NATO in Afghanistan (656 Millionen seit 2003) und im Kosovo (414 Millionen seit 1999): Auch sie umfassen nur die unmittelbaren Zusatzkosten. Man werde weiter nachbohren, so Gehrcke gegenüber junge Welt, und dabei auch fragen, welche Firmen von den Kriegseinsätzen im einzelnen profitiert haben.

* Aus: junge Welt, 28. Oktober 2008


Hier geht es zur Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.




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