Fortschritte im Stillstand?
Eine Bestandsaufnahme des Konflikts um Bergkarabach
von Felix Kuntzsch *
Der Konflikt um Bergkarabach ist
Teil des gewalttätigen Erbes einer
unerwartet friedlich implodierten
Sowjetunion (SU). Mehrer Zehntausende
kamen im Krieg um die
mehrheitlich armenisch besiedelte
Enklave in Aserbaidschan ums Leben,
Hunderttausende wurden vertrieben.
Wie in den ähnlich gelagerten
Auseinandersetzungen um Südossetien,
Abchasien und Transnistrien
gibt es auch in diesem Fall bisher
keine für alle Beteiligten akzeptable
Lösung. Die ehemalige Frontlinie
ist zu einer unüberbrückbaren
Barriere geworden wie die gesamte
Grenze zwischen Armenien und
Aserbaidschan. Sie trennt die Konfliktparteien
nicht nur räumlich,
sondern auch kognitiv.
Schon der Konfliktgegenstand ist
umstritten. Für Baku handelt es
sich um eine Frage territorialer Integrität,
in der Armenien völkerrechtswidrig
einen Teil Aserbaidschans okkupiert.
Aus armenischer Sicht ist der Konflikt
dagegen in erster Linie ein inneraserbaidschanisches
Problem, in dem es
um das Selbstbestimmungsrecht der armenischen
Minderheit geht.
In mehr als fünfzehn Jahren fast ununterbrochener
Verhandlungen konnte
selbst das Minimalziel einer Konsolidierung
des Waffenstillstands nicht erreicht
werden. Zahlreiche Kompromissvorschläge
wurden erfolglos diskutiert,
Hoffnungen auf eine baldige Einigung
wiederholt enttäuscht. Weshalb ließen
sich die Konfliktparteien in all den Jahren
nicht zu einem Friedensschluss bewegen?
Meine Analyse stellt die Rolle der jeweiligen
Öffentlichkeiten und deren ablehnende
Haltung gegenüber politischen
Kompromissen in den Vordergrund. Es
erweist sich als schwierig gegen die öffentliche
Meinung in Armenien, Bergkarabach
und Aserbaidschan eine diplomatische
Lösung »von oben« durchzusetzen.
Die anfangs durch Gewalt und nationalistische
Mobilisierung erkaufte Legitimität
der politischen Eliten wird ihnen zum
Verhängnis. Einziges probates Gegenmittel
ist ein intergesellschaftlicher Dialog,
dem bisher kaum Platz eingeräumt wurde.
Die Vergangenheit und der Status Quo
Der Bergkarabach-Konflikt ist das Ergebnis
der ethnoterritorialen Organisation
der SU. In den 1920er Jahren wurde dieses
mehrheitlich von Armeniern bewohnte
Gebiet der Sozialistischen Sowjetrepublik
(SSR) Aserbaidschan zugeschlagen
(Cornell 2001; de Waal 2005).
Bergkarabach wurde zu einer autonomen
Region, die zwar eigene Institutionen besaß,
in allen Belangen aber von Baku abhing
und sich somit in der Verteilungshierarchie
der von Schattenwirtschaft geprägten
Sowjetökonomie benachteiligt
sah (Zürcher & Köhler 2003, Dragadze
1989). Der Anschluss an die SSR Armenien
schien einen Ausweg zu bieten, der
mit einer konsequenten Umsetzung des
Nationalitätenprinzips gerechtfertigt werden
konnte (Brubaker 1996).
Was die Eskalation ermöglichte, war
das Unvermögen Moskaus, die Ablehnung
des territorialen Transfers durchzusetzen
und für die öffentliche Ordnung
und Sicherheit in der Region zu sorgen.
Lokale Auseinandersetzungen, deren
Gründe im Nachhinein vielschichtig erscheinen,
wurden in der Öffentlichkeit
als ethnonationale Konfrontationen präsentiert
-- mit fatalen Folgen. Nach pogromartigen
Ausschreitungen eines wütenden
Mobs in Sumagit unweit von
Baku gegen dort lebende Armenier im
Januar 1989 machte die armenische Demokratiebewegung
Bergkarabach zu einem
Symbol des Widerstandes gegen die
Willkür Moskaus (Malkasian 1996).[1]
Mit den Unabhängigkeitserklärungen
der beteiligten Parteien intensivierte sich
der Gewaltaustrag. Beide Seiten machten
sich »ethnischer Säuberung« schuldig.
Zum Zeitpunkt des im Frühjahr 1994
vereinbarten Waffenstillstands hatte
Baku de facto den Krieg um Bergkarabach
verloren und war nur knapp einem
Bürgerkrieg entgangen.
Zusätzlich zur ehemals autonomen
Region Bergkarabach trennt die Waffenstillstandslinie
von 1994 noch weitere
sieben Distrikte Aserbaidschans vom
Rest des Landes. Die selbsternannte Republik
Bergkarabach wird nach der
Flucht der aserbaidschanischen Minderheit
fast ausschließlich von Armeniern
bewohnt und ist aufs Engste mit Armenien
verbunden. So gibt es ein gemeinsames
Budget; Eriwan garantiert mit eigenen
Truppen für die Sicherheit und sowohl
der aktuelle Präsident Sersch Sarkissjan
als auch sein Vorgänger Kotscharjan
kommen aus der früheren Enklave.
Doch wurde in den letzten Jahren vielen
klar, dass der ungelöste Konflikt mit
Aserbaidschan eine Last ist. Die Grenze
zur Türkei ist seit 1993 geschlossen und
das Land hat in den 1990er Jahren einen
massiven Bevölkerungsschwund erlitten.
Auf aserbaidschanischer Seite besteht
man weiter auf dem Recht auf territoriale
Integrität. Stärkstes Argument dabei ist
das Schicksal der Flüchtlinge, die bis
heute zumeist ihr Dasein unter menschenunwürdigen
Bedingungen fristen
müssen.[2] Die Einnahmen aus
dem noch boomenden Ölgeschäft
haben das Regime der Aliyevs gestärkt
und ermöglichen eine militärische Aufrüstung,
die von verbalen Muskelspielen in
Richtung Armenien begleitet wird.[3]
Vom Status Quo scheint keine der
Parteien zum jetzigen Zeitpunkt unilateral
abrücken zu wollen. Ein Alleingang
birgt zu große Risiken. Weder die Anerkennung
Bergkarabachs oder gar eine
Vereinigung mit Armenien stehen auf
der Tagesordnung. Noch kann sich Aserbaidschan
gegenwärtig einen Kriegsgang
leisten.
Verhandlungen ohne Ende
Nachdem alle Versuche gescheitert waren,
den Bergkarabach Konflikt im Rahmen
der Sowjetinstitutionen zu beenden
und stattdessen die SU selbst verschwand,
beschäftigten die sich intensivierenden
Krieghandlungen schon bald
die internationale Gemeinschaft. Nach
dem Beitritt der neuen unabhängigen
Staaten in die spätere Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) im Januar 1992 wurde aus
ihren Reihen die sogenannte Minsker
Gruppe ins Leben gerufen, die bis heute
wichtigster Mediator in diesem Konflikt
ist (Dehdashti 2000).[4]
Zentrales Problem in den Vermittlungsbemühungen
war neben der unkooperativen
Rolle Russlands die Frage
nach dem Rechtsprinzip, auf denen diese
fußen sollten: Territoriale Integrität oder
Selbstbestimmungsrecht? Die Signale,
die von der internationalen Gemeinschaft
an die Konfliktparteien gesendet
wurden, waren alles andere als eindeutig,
da man zwischen dem Territorium der
ehemaligen autonomen Region und den
darüber hinaus besetzten Gebieten unterschied.
Beide Seiten konnten darauf
hoffen, dass ihre Position als einzig legitime
anerkannt werden würde. In der
Hoffnung auf einen militärischen Erfolg
räumte man dem Schlachtfeld den Vorzug
ein. Bis zum Waffenstillstand blieben
Friedensbemühungen erfolglos.
Die sich aus den widerstreitenden
Prinzipien des Völkerrechts ergebende
Unklarheit ob des eventuellen Status'
Bergkarabachs überschattete von Beginn
an die Verhandlungen. Auf dem Lissaboner
OSZE Gipfel von 1996 wurde gegen
die Stimme Armeniens erstmalig das
Prinzip territorialer Integrität als Verhandlungsbasis
festgelegt.
In Ermangelung jeglicher Fortschritte
kam 1997 der Vorschlag der Aufteilung
von Friedenssicherung und Statusfragen
in separate Dokumente auf. Man hoffte,
dass sich im Bereich der Friedenssicherung
leichter eine Einigung erzielen lassen
würde. Mit einer Übergangsregelung
für Bergkarabach würde das zweite Dokument
über Status und andere schwierige
Fragen später zur Diskussion stehen.
Doch trotz Sicherheitsgarantien und eines
Vetorechts in den späteren Statusverhandlungen
sträubte sich die Führung
Bergkarabachs. Die bloße Möglichkeit
eines Verbleibs in Aserbaidschan machte
den Kompromiss inakzeptabel.
Die armenische Seite kehrte bald wieder
zu einem Paketkonzept zurück. Alles
sollte in einem Aufwasch geregelt werden,
so auch die Statusfrage. Mit letzterer
warman aber erneut in einer Sackgasse.
Die aserbaidschanische Position, dass
es »nur« einen maximalen Grad an Autonomie
geben könne, der sich mit dem
Prinzip der territorialen Integrität vereinbaren
ließe, blieb unvereinbar mit der armenischen
Ablehnung jeglicher Autorität
Bakus über die abtrünnige Region.
Aus dieser Pattsituation erwuchsen
unterschiedliche Konzepte, die dem
Recht auf Selbstbestimmung und dem
Prinzip territorialer Integrität mithilfe
ausgefeilter institutioneller Konstruktionen
gleichermaßen gerecht werden wollten
(Abasov & Khachatrian 2002). Unter
dem Titel »common state« wurde im
Herbst 1998 eine Regelung vorgeschlagen,
die einer Konföderation glich: Zwei
selbstregierte Einheiten in einer eher
symbolischen Struktur vereint, was ein
horizontales Machtverhältnis ermöglichen
sollte. Aber die bloße Idee einer
konföderativen Regelung war für Baku
nicht akzeptabel.
Nun kam die Zeit für radikale Gegenkonzepte.
In Anerkennung der militärischen
Niederlage Aserbaidschans und des
Status Quo schlug der amerikanische
Kaukasusexperte Paul Goble einen Landtausch
vor (Goble 1992). Gegen die Anerkennung
der Souveränität Armeniens
über Bergkarabach würde Eriwan Land an
Aserbaidschan abtreten, was einen Verbindungskorridor
mit dem vom Mutterland
abgetrennten Nachitschevan öffnen würde.
Dieser pragmatische Ansatz spielte bis
2001 eine Rolle in den Verhandlungen,
führte aber zu keinem Ergebnis.
Mit einem offenen bilateralen Austausch
zwischen den Außenministern Armeniens
und Aserbaidschans unter der
Ägide der Minsker Gruppe wird seit
2004 ein neuer Versuch unternommen,
substantielle Fortschritte zu erzielen.
Man hat von maximalistischen Forderungen
Abstand genommen und schien
sich einig zu sein, dass die Rückgabe der
besetzten Gebiete außerhalb Bergkarabachs
Priorität hat, während die Statusfrage
zu einem späteren Zeitpunkt zu
klären sein würde.
Auf Grundlage dieser Gespräche wurde
im November 2007 von den Vizevorsitzenden
der Minsker Gruppe die sogenannten
Madrider Prinzipien vorgestellt.
Diese sehen vor: (1) das Ende der armenischen
Besetzung der aserbaidschanischen
Territorien außerhalb Bergkarabachs,
(2) einen Interimstatus für Bergkarabach,
der Selbstbestimmung und Sicherheit
garantiert, (3) einen Landkorridor,
der Bergkarabach mit Armenien verbindet,
(4) die Klärung der Statusfrage
durch ein Referendum, (5) ein Rückkehrrecht
für alle Flüchtlinge und (6) internationale
Sicherheitsgarantien, was die
Option der Stationierung einer multilateralen
Friedenstruppe einschließt
(IWPR 2009).
Wenngleich die Niederschrift dieser
Prinzipien ein Schritt nach vorne ist, so
liegt das Problem in den Details. Wie genau
soll der Interimsstatus aussehen? Aus
Sicherheitsgründen kann und will Bergkarabach
nicht alle Territorien räumen
und schließt dies explizit aus. Die Landverbindung
nach Armenien, der sogenannte
Lachin Korridor, steht nicht zur
Verhandlung. Daher gilt es auch als unmöglich,
allen Flüchtlingen die Rückkehr
zu ermöglichen. Neben jenen Aseris
und Kurden, die aus Lachin vertrieben
wurden, wird eine Rückkehr nach Bergkarabach
in naheliegender Zukunft
kaum realisierbar sein.[5] Dies führt unweigerlich
zur Frage, wie das angestrebte
Referendum durchgeführt werden soll.
Wer soll über was abstimmen -- und
wann? Die Idee des Referendums wird
nur dann für alle Seiten zu akzeptieren
sein, wenn jeder eine Chance sieht, auf
demokratischem Weg seine Position umzusetzen.[6]
Nichtsdestotrotz ist die Idee des Referendums
ein geschickter diplomatischer
Schachzug. Die schwierige Statusfrage
wird damit nicht nur ausgeklammert,
sondern zu einer Frage über ein später zu
haltendes Referendum gemacht. Mit
dem Abzug armenischer Truppen aus einem
Großteil der besetzten Gebiete und
entsprechenden Sicherheitsgarantien für
Bergkarabach durch eine entmilitarisierte
Zone und internationale Friedenstruppen
wäre die unmittelbare Kriegsgefahr
gebannt und die Grundlage für eine weitere
Entspannungspolitik gegeben. Doch
schon in der Vergangenheit sind wiederholt
gute Ansätze gescheitert.
Warum kein Vorankommen?
Sowohl aus praktischer als auch politikwissenschaftlicher
Sicht ist die Frage
nach dem »warum« interessant. Beide
Parteien sehen sich im Recht, haben aber
in den Verhandlungen wiederholt ein
großes Maß an Flexibilität gezeigt. Trotzdem
kam es nie zur Unterzeichnung eines
Friedensvertrags. In den einschlägigen
Analysen finden sich dazu unterschiedliche
Erklärungen.
Eine Variante sieht das Problem nicht
im Wollen der Konfliktparteien, sondern
im Mangel an adäquaten Lösungsansätzen,
der den Konfliktparteien gerecht
werden (Laitin & Suny 1999). Eine andere
macht fehlendes Engagement der
internationalen Gemeinschaft für den
Stillstand verantwortlich (Gamaghelyan
2005). Andere wiederum haben in den
politischen Eliten die wirtschaftlichen
Profiteure des Status Quo ausgemacht,
die kein Interesse an Veränderung haben
(Özkan 2008). Etwas subtilere Erklärungsversuche
gehen auf die strategischen
Erwägungen der Verhandlungsparteien
ein, die »auf Zeit« spielen (ICG
2007).[7] Diese Punkte mögen alle ihre
Gültigkeit haben, doch verlieren sie die
Bevölkerung aus dem Blick.
Oft als Hindernis für politische Kompromisse
en passant erwähnt, ist der Antagonismus
der politischen Öffentlichkeiten
in Armenien bzw. Bergkarabach und
Aserbaidschan ein schwerwiegendes Problem,
dem die Verhandlungen auf diplomatischem
Parkett bisher keine große
Beachtung geschenkt haben. Zwar finden
sich auf beiden Seiten Stimmen, die
erkennen, dass prinzipiell Armenier und
Aserbaidschaner mehr vereint als trennt,
aber die Erinnerung an den Krieg sowie
die damit einhergehende Mythenbildung
haben ein Klima des gegenseitigen Misstrauens,
der Angst und des Hasses geschaffen.
Als Beobachter ist man geneigt
anzunehmen, dass die Legitimität der
postsowjetischen Regime in Armenien,
Bergkarabach und Aserbaidschan geradezu
von diesem Antagonismus abhängt.
Opportunisten und Ideologen auf beiden
Seiten sind stets versucht, dies für ihre eigenen
Machtinteressen auszubeuten und
jene, die sich für Kompromisse einsetzen,
des Verrats zu bezichtigen.
Wie ich an anderer Stelle argumentiere,
führt dies aus konflikttheoretischer
Perspektive zu interessanten Einsichten
(Kuntzsch 2009). Entgegen der Annahme,
dass die Antagonismen die tragische
Seite nationaler Identitäten sind, die aus
einfach zu manipulierenden Mythen und
Symbolen bestehen (Kaufman 2001),
kann gezeigt werden, dass die gegenwärtige
Situation ein intendiertes Produkt
der Eskalation in den späten 1980er Jahren
ist. Der Bergkarabach-Konflikt war
anfangs eine willkommene Ressource zur
politischen Legitimierung neuer Machtverhältnisse,
die mit Gewalt durchgesetzt
wurden. Doch bald begann er das politische
Schicksal der politischen Führung
in beiden Ländern zu bestimmen. Dies
traf und trifft besonders jene, die, einmal
an der Macht, zum Schluss kommen,
dass der Status Quo Risiken birgt, die
Zeit gegen die eigene Seite arbeitet und
Kompromisse mit der Gegenseite eingegangen
werden müssen. Gerade in Armenien
hat dies über die Jahre zu dramatischen
innenpolitische Verwerfungen geführt.
In Aserbaidschan hat sich ein autoritäres
Regime etabliert, das den Zorn
des Demos fürchtet.
In praktischer Hinsicht leitet sich von
dieser Analyse die Notwendigkeit eines
intergesellschaftlichen Dialogs ab, der
mit dem Ende der öffentlichen Dämonisierung
der Gegenseite einher gehen
muss (Kaufman 2000). Viel zu wenig
wurde in dieser Hinsicht bisher unternommen.
Dabei fällt es Armeniern
und Aseris nicht schwer, an an
deren Orten erfolgreich zu kooperieren
(Economist 2000). Eine diplomatische
Lösung wird in jedem Fall kaum gegen
die öffentliche Meinung durchzusetzen
sein.
Fazit<7b>
Im November 2008 unterzeichneten die
Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans
bei einem Treffen mit Russlands
Präsidenten Medwedjew erstmals ein gemeinsames
Dokument, was als Signal gewertet
wurde, dass die Madrider Prinzipen
sich als Arbeitsgrundlage durchgesetzt
haben. Russland ist aus dem Augustkrieg
gegen Georgien mit neuem
Selbstvertrauen als regionale Ordnungsmacht
hervorgegangen. Möglicherweise
liegt hier der Schlüssel zum erfolgreichen
Abschluss eines Friedensvertrags. Weiterhin
könnte es in den kommenden Wochen
zur Wiederaufnahme diplomatischer
Beziehungen zwischen der Türkei
und Armenien kommen. Die in den Verhandlungen
angestrebte Öffnung der seit
1993 geschlossenen Grenze wäre eine
weltpolitische Sensation und könnte die
politische Landschaft des Südkaukasus
grundlegend verändern.
Trotz dieser Entwicklung sind auf gesellschaftlicher
Ebene die Feindschaft
und das Misstrauen unter den Nachbarn
weiterhin groß. Vertrauensbildende
Maßnahmen zur Sicherung des Waffenstillstands
auf diplomatischer Ebene
müssen von einem Austausch auf zivilgesellschaftlicher
Ebene flankiert werden,
um auf lange Frist eine Lösung des Konflikts
zu ermöglichen. Im Südkaukasus
würde eine neue Zeit anbrechen.
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Anmerkungen
-
Entscheidend auf armenischer Seite war die
Parallele, die zwischen dem Genozid von 1915
und den Vorgängen in Aserbaidschan gezogen
wurden (siehe z.B. Interviews in Miller und
Miller 2003).
- Trotz anderslautender Behauptungen erscheint
es, dass den Flüchtlingen aus strategischen
Gründen kaum Spielraum gegeben wird, sich
in ihrer neuen Situation einzufinden und ein
neues Leben zu beginnen (ICG 2005a).
- In einer quasi-dynastischen Machtübergabe
ging das Präsidentenamt 2003 von Aliyev senior,
der seit 1993 regierte, an seinen Sohn über.
- Es handelt sich dabei um eine Vermittlergruppe
aus Mitgliedsstaaten der OSZE, die eine
Friedenskonferenz in Minsk zum Ziel hatte.
Seit 1997 wird die Minsker Gruppe im Wesentlichen
durch Diplomaten aus Frankreich,
den Vereinigten Staaten und Russland repräsentiert,
die gemeinsam den Vizevorsitz inne
haben.
- Die mehrheitlich aserbaidschanischen Siedlungen
sind meist vollständig zerstört worden und
das frühere Zentrum aserbaidschanischen Lebens
in Bergkarabach, Susha, stellt eine strategische
Bedrohung für die tiefer gelegene
Hauptstadt Stepanakert dar, die im Krieg von
dort massiv bombardiert wurde.
- Ein abschreckendes Beispiel für ein solches Referendum
liefert der Konflikt um die Westsahara,
in dem Streitereien ob der Wahlberechtigten
eine Abstimmung verhinderten.
- Armenien hofft durch die Siedlungspolitik in
Bergkarabach eine fait accompli zu schaffen
während Aserbaidschan auf eine militärische
Lösung spekuliert.
* Felix Kuntzsch promoviert an der Université
Laval, Québec, Canada.
Dieser Beitrag erschien in: Wissenschaft & Frieden 4/2009, S. 27-30
Die Zeitschrift Wissenschaft & Frieden erscheint vier Mal im Jahr und ist zu beziehen bei:
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