Eine Mauer um Berg-Karabach?
Lösung des eingefrorenen Konflikts nicht in Sicht
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Seit fast 20 Jahren wird unter dem
Schirm der OSZE über die Beilegung
des Konflikts um Berg-Karabach diskutiert
– ohne nennenswerte Fortschritte.
Angeblich will sich Frankreichs
Präsident jetzt einschalten.
Das nächste Treffen der Präsidenten
Armeniens und Aserbaidshans
zur Beilegung des Konflikts um
Berg-Karabach – die zu Aserbaidshan
gehörende, aber von Armeniern
bewohnte Region, die sich
1988 nach blutigen Kämpfen für
unabhängig erklärte – könnte unter
Vermittlung Nicolas Sarkozys
stattfinden. Der französische Präsident
hatte jüngst den Südkaukasus
besucht. Sein Vermittlungsversuch,
heißt es in Aserbaidshan,
sei mit den USA und Russland abgestimmt.
Die drei Staaten gehören
zur sogenannten Minsker Gruppe
der OSZE, die sich seit dem Waffenstillstand
1994 um eine Lösung
bemüht.
Bisher vergeblich, denn die Positionen
sind unverändert: Aserbaidshan
fordert zunächst die
Rückgabe umliegender Gebiete,
die Armenien 1993 besetzte, um
einen Korridor in die Exklave zu
schlagen. Armenien will aber zunächst
den künftigen Status Berg-
Karabachs geregelt wissen.
Aserbaidshan bezichtigt vor
allem Russland, aber auch die USA
und Frankreich, wo es eine starke
armenische Diaspora gibt, einer
pro-armenischen Position. Daran
könnte auch Sarkozys Vermittlungsversuch
scheitern. Falls er die
beiden Präsidenten überhaupt zusammen
aufs Sofa bekommt. Aus
Baku heißt es zwar, das Angebot
sei mit Armenien abgestimmt,
doch das dortige Außenministerium
bezeichnet das als aserbaidshanische
Erfindung. Überhaupt
geschehe auf gegnerischer Seite in
letzter Zeit »Seltsames«.
Gemeint ist unter anderem eine
drei Kilometer lange Mauer, die
Aserbaidshan an der sensibelsten
Stelle der Waffenstillstandslinie
errichtet, um seine Dörfer vor Beschuss
durch die Separatisten zu
schützen. Ein Offizier der »Selbstverteidigungskräfte
« Karabachs
wurde dazu in der »Nesawissimaja
Gaseta« mit der Aussage zitiert, die
Armenier seien zu jeder nur erdenklichen
Hilfe beim Mauerbau
bereit, die sollte am besten auf die
gesamte Waffenstillstandslinie
ausgedehnt werden, »damit die
uns nicht sehen und wir sie nicht«.
Immer wieder kommt es in
letzter Zeit an der insgesamt 175
Kilometer langen »Berührungslinien
« zu bewaffneten Zwischenfällen,
die erneut zu einem »großen
Krieg« ausarten könnten. Zumal
beide Seiten den Konflikt benutzen,
um von innenpolitischen
Problemen abzulenken.
Die eingefrorenen Konflikte im
Südkaukasus seien nicht nur für
die Region eine Sicherheitsbedrohung,
warnen aserbaidshanische
Diplomaten, Passivität und Trägheit
der internationalen Gemeinschaft
seien daher nicht verständlich.
Mehr noch: Sympathien der
OSZE für Armenien, vor allem jedoch
militärische Hilfe Russlands
für seinen Verbündeten, würden
Armeniens Präsidenten Sersch
Sargsjan – einst selbst Chef der
Truppen Karabachs – in ähnlich
unverantwortlicher Weise zu einem
Waffengang ermuntern wie
die Rückendeckung der USA für
Georgiens Präsidenten Michail
Saakaschwili beim Einmarsch in
Südossetien im August 2008.
Den fragilen Frieden an der
Waffenstillstandslinie, hält Michail
Alexandrow vom Moskauer Institut
für die Staaten der GUS dagegen,
gefährde vor allem Aserbaidshan,
das seinen Rüstungsetat ständig
aufstockt und eine militärische
Lösung nicht ausschließt. Russlands
Bündnis mit Armenien und
Moskaus militärische Präsenz in
der Region würden für Stabilität
sorgen und verhindern, dass der
Südkaukaus Entwicklungen wie in
Syrien oder Libanon erlebt.
* Aus: neues deutschland, 14. Oktober 2011
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