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Exxon kehrt der Arktis den Rücken

US-Ölmulti kündigt wegen Ukrainekrise Joint Venture mit Rosneft auf

Von Irina Wolkowa, Moskau *

In der Karasee soll mehr Öl als in Saudi-Arabien liegen. Doch Exxon Mobil zieht sich lieber aus diesem Geschäft zurück.

Wladimir Putin war per Videokonferenz zugeschaltet, als Igor Setschin, der Chef des staatlichen Ölförderers Rosneft, mit dem der Kremlchef seit gemeinsamen KGB-Tagen befreundet ist, die Namensgebung des Superfeldes vornahm: Pobjeda heißt es, das bedeutet Sieg. Das war Samstag und womöglich etwas voreilig. Denn Montagabend ging der wichtigste Partner von Bord: Exxon Mobil. Westliche Sanktionen wegen Moskaus Ukraine-Politik, so zitierten die Wirtschaftszeitungen »Wedomosti« und »Kommersant« einen Konzernsprecher, würden den US-Ölgiganten zwingen, die Zusammenarbeit vorübergehend einzufrieren. Ein Teil des Personals werde abgezogen.

Zuvor hatte das russische Staatsfernsehen die Exklusivrechte und für die Berichterstattung eine seiner attraktivsten Korrespondentinnen auf die Ölbohrinsel im Eismeer geschickt. Mit Weißfuchskappe und vor Ehrfurcht leicht bebender Stimme trug sie Zahlen und Fakten vor. Die weltweit nördlichste Bohrung sei in rekordverdächtigen anderthalb Monaten niedergebracht worden, allein das erste von insgesamt drei Feldern verspreche eine Ausbeute von mindestens 100 Millionen Tonnen. Probebohrungen hätten zudem bestätigt, was bisher nur Vermutung war: In der der Karasee würde mehr Öl lagern als in Saudi-Arabien.

Rosneft und Exxon Mobil hatten 2011 eine strategische Allianz für die Erschließung und Ausbeute von Vorkommen in der russischen Arktis und im Schwarzen Meer ausgehandelt. Die Amerikaner sollten vor allem Technik und Know-how für die Bohrungen stellen und die erste Phase der geologischen Erkundung finanzieren. Es geht allein im Eismeer um 3,2 Milliarden Dollar. An dem dazu gegründeten Gemeinschaftsunternehmen West Alpha, bei dem auch Anlagen aus Norwegen zum Einsatz kommen, ist Exxon Mobil mit 33,3 Prozent beteiligt.

Wie »Kommersant« schreibt, habe Exxon Mobil bis zuletzt versucht, seinen Einfluss in Washington geltend zu machen, um das Russlandprojekt zu retten. Zunächst mit Erfolg. Zwar steht Konzernchef Setschin bereits seit April auf der Schwarzen Liste von Managern und Firmen, gegen die die USA Sanktionen verhängt haben. Rosneft selbst trafen die Sanktionen erst im Juli.

Ihre Kooperation bei Vorhaben auf der Pazifikinsel Sachalin wollen Rosneft und Exxon Mobil dennoch fortsetzen. So jedenfalls der derzeitige Stand. Dafür kündigte die französische Total Russlands größtem Ölförderer LukOil die Freundschaft.

Für Rosneft indes schlug der Blitz offenbar nicht unerwartet ein. Auch versucht Konzernchef Setschin, die Folgen herunterzuspielen. Es gebe immer »die Option auf eine Rückkehr«. Doch das kann dauern. Russland, so Außenminister Sergei Lawrow habe kein Interesse, den Krieg der Sanktionen fortzusetzen, plane aber keine Änderung seiner Politik.

Das, fürchtet Waleri Nesterow von Sberbank Investment Research, werde andere Investoren abschrecken, die Lücke zu füllen. Zumal die Arktis-Projekte erst mittelfristig Rendite abwerfen. Allein die Erschließung könne fünf bis sechs Jahre dauern. Aus eigener Kraft, warnte der Experte gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, könne Russland weder die dazu nötigen Investitionen stemmen, noch Fördertechnologien und Equipment vorhalten.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 1. Oktober 2014


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